Psychologie: Warum Spiele die beste Anti-Stress-Therapie sind

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Los, geh spielen! … Denn das ist eine bewährte Anti-Stress-Strategie. Warum es unserer Psyche (und unserem Kopf) so guttut. 

Heftbox Brigitte Standard

Neulich, Geburtstag einer Freundin: Knapp 20 Gäste, viele Geschenke. Wer den Gabentisch inspizierte, entdeckte: Vier Gratulantinnen hatten Spiele geschenkt – bunte Schachteln mit Aufschriften wie “Exploding Kittens”, “Arschkarte” oder “Hitster”. Später, bei Quiche und Crémant, übertrafen sich die Schenkerinnen in Anekdoten darüber, wie sie jüngst mit Familie nach Quiz- oder Pantomime-Schlachten unter dem Tisch gelegen hatten vor Lachen. Kurz darauf die Schlagzeile: Die Spielemesse verzeichnet Besucherrekorde. Ob Brettspiele, Outdoor-Games oder Puzzles, der Run auf Spielsachen ist enorm. Das Lustige: die Besucher:innen sind erwachsen, sogenannte “Kidults”, Menschen weit über 18, die Lust haben auf Quatsch-Machen, Sich-Verkleiden, Flippern. Die Motive: sich in die Kindheit zurück beamen, Sehnsucht nach Gemeinschaft, in einer kompliziert gewordenen Welt einen entspannenden Rückzugsort finden.

Wir müssen spielen, damit es unserer Psyche gut geht.

Die Neurowissenschaftlerin Maren Urner freut sich, dass sich da etwas Bahn bricht, was wir alle dringend brauchen: “Wir müssen spielen, damit es unserer Psyche gut geht. Selbst wenn wir schon längst erwachsen sind. Wir gehören nämlich der Spezies Homo Ludens an, wollen bis ins hohe Alter ausgelassen sein. Das haben Forscher schon vor einer Weile nachgewiesen.”

Nicht immer alles so ernst nehmen

Urner fordert dazu auf, “gerade in diesen Zeiten, die sich für viele so bedrückend anfühlen, spielerisch die Synapsen durchzuschütteln, im Kopf frische Spuren zu legen.” Warum? Durchkreuzen wir unseren Alltag, der so oft auf Autopilot läuft, spielerisch, stellen wir in unserem angespannten Organismus, in unserem gestressten Gehirn, ganz viele Dinge auf den Kopf: Glückshormone fluten herein, der Parasympathikus (der Nervenstrang für neuronale Entspannung) wird gekrault, unsere Neuronen bilden neue Verknüpfungen, flexibles und kreatives Denken wird gefördert. Urner beobachtet allerdings: “Die Idee vom komplett seriös und rational handelnden Erwachsenen herrscht immer noch stark vor. Obwohl das Unsinn und total kontraproduktiv ist. Speziell in Deutschland gehen wir aber an alles sehr verbissen heran. Nehmen uns zu ernst, definieren uns über bestimmte Rollen.”

Wir Frauen haben hier noch schlechtere Karten: “Kindern gesteht man zu, dass sie toben müssen, Quatsch machen. Und maximal noch Männern beim Skatspiel oder an der Playstation.” Aber weibliche Wesen, die sagen, ich gehe jetzt mal eine Runde spielen? “Das wird als total schräg angesehen, höchstens noch als minderwertiges Hobby akzeptiert.” Deshalb freut sich Urner besonders, dass die neue Spiellust auch immer mehr Frauen ansteckt. Sie verspricht: “Erlauben wir uns, ausgelassener zu sein, herumzublödeln oder ohne Plan in etwas abzutauchen, ist das eine ganz wichtige Möglichkeit der Erholung.” Sprich: Wir können unseren hohen Stresspegel genial senken, wenn wir öfter Bälle kickend, Seil springend oder kegelnd “all in” rufen. Wie groß die Sehnsucht nach dem spielerischen Im-Off-Sein ist, lässt sich übrigens gut daran ablesen, wie viel Spaß uns Handy-Games machen (von Frauen übrigens genauso häufig gespielt wie von Männern). Nicht umsonst sind Candy Crush und Co. längst so etwas wie erschöpft angesteuerte Pufferzonen in einem Alltag voll strenger Taktung und Muss-Ja geworden.

War früher alles besser?

Das erinnert leider nur blass daran, wie lustig es vor langer Zeit für unsere Vorfahren gewesen sein muss: Der Anthropologe James Suzman hat kürzlich in seinem spektakulären Buch “Sie nannten es Arbeit” festgestellt, dass Steinzeitmenschen nur knapp zwanzig Stunden pro Woche darauf verwandten, nach Nahrung zu suchen oder zu jagen – und sich in der restlichen wachen Zeit darum kümmerten, was ihnen “Freude machte”, also Musik, Höhlen bemalen, Wettrennen veranstalten …

Uns rät Maren Urner in Sachen neue Spiellust: “Fangen Sie in kleinen Dosen an. Beim Spaziergang einfach mal ein paar Schritte rückwärts gehen. Oder hüpfen Sie, wenn Sie sich trauen. Suchen Sie in Ihrer Küche eine Woche lang nach allem mit der Farbe Grün. Machen Sie einen Familien-Wettsport draus.” Hauptsache, es wird neu gewürfelt.

Wer mehr spielt, gewinnt – Tipps für kleine Alltagsfreuden

Joy-Time
Nimm dir eine Viertelstunde pro Tag vor, um nur das zu tun, worauf du wirklich Lust hast: Kritzeln, singen, Rad fahren, grinsen. Dann Dosis steigern.

Der Rhythmus, bei dem man einfach mitmuss
Tanzvideos anschauen, z. B. auf Instagram: @alison_issiaka, @brukup_smoke oder @elenazolota. Dann selbst durchs Wohnzimmer swingen, steppen oder breakdancen.

Raketenstart!
Schleiche dich auf einen Spielplatz und steige wieder auf eine Schaukel – der Philosoph Wilhelm Schmid schwört trotz fortgeschrittenen Alters darauf, als Lebensfreude-Booster .

Früher war alles witziger?
Überlege, was du als Mädchen mit sechs bis acht Jahren gerne gemacht haben. Tagebuchschreiben, Rollerblades fahren, mit Freundinnen blödeln? Hole dir das zurück!

Poker-Profi
Lerne geschmeidiges Kartenmischen – macht den Kopf frei, trainiert das Gehirn. Und dann eine Runde “Texas Hold’em” (beste Poker-Variante) ausprobieren.

Source: Aktue