Psychologie: Wie sich eine gehetzte Kindheit auf das spätere Leben auswirkt

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Menschen, die als Kind früh funktionieren und Erwartungen erfüllen mussten, nehmen diesen Druck oft mit ins Erwachsenenleben. Psycholog:innen sprechen dann vom “Hurried Child Syndrome”. Wir erklären dir, welche Symptome typisch sind.

In einer idealen Welt dürften wir in unserer Kindheit einfach nur Kind sein. Wir dürften spielen, uns ausprobieren und uns dabei voller Vertrauen auf unsere Eltern und unser Umfeld verlassen. Das Leben lässt das aber nicht immer zu – sei es durch ein krankes Elternteil, eine Trennung oder Geldprobleme. Auch zu hohe Erwartungen der Eltern, die ein Kind kaum erfüllen kann, können Kinder an einem unbeschwerten Aufwachsen hindern.

Der US-Psychologe Dr. Mark Travers spricht in einem Artikel bei “Forbes” von diesem Phänomen und seinen potenziellen Folgen. Er beschreibt darin das “Hurried Child Syndrome”, also “Gehetztes-Kind-Syndrom”, bei dem es darum geht, dass Kinder schon in jungen Jahren zu viel Verantwortung übernehmen müssen und von ihnen erwartet wird, dass sie Leistung erbringen und ständig funktionieren. So bleibt ihnen wenig Raum fürs Kindsein, fürs Spielen und dafür, Fehler zu machen.

Eine solche Kindheit bleibt natürlich nicht ohne Folgen für das weitere Leben. “Wenn solche Kinder in das Erwachsensein übergehen, können der Druck und die Erwartungen, denen sie ausgesetzt waren, sich auf verschiedene Weisen zeigen”, erklärt Dr. Travers. An diesen Merkmalen und Verhaltensweisen erkennst du laut dem Psychologen, ob du womöglich als Kind zu schnell erwachsen werden musstest.

Typische Warnsignale für das “Hurried Child Syndrome”

1. Du bist perfektionistisch

Laut Dr. Mark Travers werden aus “Hurried Children”, also gehetzten Kindern, oft perfektionistische Erwachsene. Wenn Kinder sich unter Druck fühlen, die hohen Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen und sich ständig Kritik von außen ausgesetzt fühlen, stecken sich diese Menschen oft auch als Erwachsene unrealistische Ziele und fühlen sich nur wertvoll, wenn sie diese erreichen können. Das konnte auch eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigen, die im  Fachmagazin “Frontiers in Psychology” veröffentlicht worden ist. Solche Menschen haben oft große Angst, Fehler zu machen, sie meiden deshalb neue Herausforderungen und neigen laut Dr. Travern dazu, extrem viel zu arbeiten, und haben so ein hohes Risiko für Burnouts.

2. Es fällt dir schwer, zu entspannen

Für Kinder ist es wichtig, ohne Plan und Druck spielen zu können, sich ausprobieren und fallen lassen zu können. Wer aber schon in jungen Jahren viel Verantwortung übernehmen muss, dem fehlt häufig genau diese Erfahrung. Solchen Menschen fällt es laut dem Psychologen oft auch als Erwachsene schwer, einfach mal nichts zu tun und ihre Freizeit zu genießen. “Viele Erwachsene spüren eine tiefe Schuld, wenn sie sich Zeit zum Ausruhen nehmen”, erklärt Mark Travers. “Sie glauben, dass sie ständig produktiv sein müssen.” Das könne dazu führen, dass sie Probleme damit haben, Hobbys auszuleben und genießen zu können. Außerdem falle es ihnen häufig schwer, im Moment zu sein. “In ihrem Kopf rasen ständig die Gedanken dazu, was sie als Nächstes tun müssen. Das macht es ihnen schwer, das Hier und Jetzt bewusst zu erleben und zu genießen.”

3. Du kannst dich nur schwer mit deiner Kreativität verbinden

Die eben schon erwähnte “Spielzeit” und die freie Zeit, um sich zu entfalten, um zu lernen und um Neues zu entdecken, ist für Kinder aus vielen Gründen wichtig und notwendig. Auch etwa, um später als Erwachsene Zugang zu ihrer Kreativität zu finden. “Sehr strukturierte Umgebungen und starre Zeitpläne können Kinder darauf konditionieren, immer in linearen, konventionellen Bahnen zu denken”, erklärt Dr. Travers. “Das kann ihre Fähigkeit begrenzen, Herausforderungen mit frischen Perspektiven zu begegnen.” Und diese fehlende Kreativität und Lösungsorientierung kann sich sowohl im beruflichen Kontext zeigen als auch in privaten Beziehungen, wenn es beispielsweise um Konfliktlösung geht.

“Kein Kind sollte zu schnell erwachsen werden müssen”, sagt Mark Travers abschließend. “Als Erwachsene haben wir aber die Möglichkeit, einen Gang herunterzuschalten und uns wieder mit dem Teil von uns zu verbinden, der es immer verdient hat, einfach nur Kind zu sein.” Das können wir laut dem Psychologen tun, indem wir bewusst Momente des Spieles, der Kreativität und der Ruhe genießen. Wenn du aber das Gefühl hast, alleine nicht aus deinen Mustern ausbrechen zu können, suche dir am besten Hilfe bei einem Therapeuten oder einer Ärztin.

Source: Aktue