Aminata Belli, Iris Berben & Anke Engelke : "Solange wir diese Ungleichheiten zum Thema machen müssen, sind wir noch längst nicht am Ziel."

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Generation Wir  – So heißt unsere neue große BRIGITTE-Studie, und unter diesem Motto haben wir mit Iris Berben, Anke Engelke und Aminata Belli gesprochen: über das, was sie als Frauen im Leben starkgemacht hat, was sie verbindet – und manchmal auch irritiert.

Anke Engelke
© Sven Bänziger

 

“Als junges Mädchen habe ich gedacht: Ach, diese Frauen, diese Welten, diese Optionen gibt es ja auch!” – Anke Engelke

ANKE ENGELKE: Herzlichen Glückwunsch! Sie werden doch 70.

BRIGITTE: Danke. Die Glückwünsche nehmen wir mal stellvertretend entgegen. 

IRIS BERBEN: Immer noch jünger als ich! Ich bin Jahrgang 50, und BRIGITTE war lange Zeit die einzige Frauenzeitschrift überhaupt, die es gab, so erinnere ich mich jedenfalls. 

ENGELKE: Meine erste Erfahrung mit BRIGITTE war, dass unsere Nachbarin das Magazin im Abo hatte, und es war immer ganz toll, wenn sie dann damit zu uns kam. Als junges Mädchen habe ich gedacht: Ach, diese Frauen, diese Welten, diese Optionen gibt es ja auch! 

AMINATA BELLI: “Erwachsen” ist ein Wort, das mir sofort einfällt. Und selbstbewusst.

Wie feiern Sie drei eigentlich Ihre Geburtstage? Groß und rauschend oder lieber klein und still?

ENGELKE: Als Kind mochte ich es richtig laut, da mussten viele Freundinnen kommen, ein richtiges Fest wollte ich. Je älter ich werde, desto mehr genieße ich es, den Tag für mich zu reservieren, kurz auszusteigen. 

BERBEN: Bei mir war es umgekehrt: Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit und Jugend in Internaten verbracht, für mich hat mein Geburtstag erst eine Bedeutung bekommen, als ich ihn selbst gestalten konnte. Diesen Tag für mich in Anspruch zu nehmen ist genauso schön, wie zu merken, wie viele Menschen da an mich denken. Für die runden Geburtstage habe ich mir immer etwas Besonderes ausgedacht, habe Menschen, die mir wichtig sind, an schöne Orte eingeladen. Aber unter einer Bedingung: keine Presse, keine sozialen Medien, das muss mir vorher jeder versprechen. Ich will mich auf sicherem Terrain bewegen. 

BELLI: Ich habe die Regel: Mein Zuhause ist mein Zuhause. An meinem 30. Geburtstag vor zwei Jahren wurden viele Fotos gemacht, aber keines davon habe ich im Internet gefunden. Darauf konnte ich mich zum Glück verlassen.

Sie gehören drei unterschiedlichen Generationen an. Frau Berben, wie blicken Sie auf jüngere Frauen von heute? 

BERBEN: Erst mal: DIE Frauen gibt es ja nicht, dazu sind Frauenleben und Frauenfiguren einfach zu unterschiedlich. Wenn ich in meine Branche schaue, sehe ich da eine ganz starke, selbstbewusste und selbstbestimmte Riege junger Schauspielerinnen, die ihren Weg gehen wird, da bin ich mir sicher. Was mich manchmal irritiert: Wenn junge Frauen sagen, ich will einfach nur versorgt sein und dass die Kreditkarte glüht. Ich bin einen anderen Weg gegangen, habe nie geheiratet, ich wollte finanziell von niemandem abhängig sein. Da frage mich dann schon: Wofür sind wir denn in den 60ern auf die Straße gegangen?

Fragen Sie sich auch, was hinter diesem Bedürfnis nach Versorgung stecken könnte? 

BERBEN: Ja, ich glaube, das hat viel mit Orientierungslosigkeit, mit einer großen Angst zu tun, die viele spüren, wir erleben ja gerade in unmittelbarer Nähe Krieg, der direkte Auswirkungen auf unseren Alltag hat, die Spannungen im Nahen Osten, der Rechtsruck …! 

BELLI: Ich denke, vieles ist für jüngere Frauen heute selbstverständlich, weil sie eben nicht mehr dafür kämpfen mussten. Aber ich kenne viele, die durchaus sehen und zu schätzen wissen, was Frauen vor uns erreicht haben, und die auch selbst weiter für Gleichberechtigung eintreten. 

Bei den letzten Europawahlen waren es vor allem auch junge Männer, die rechtspopulistisch gewählt haben. Und die in den sozialen Medien fordern: Frauen, zurück an den Herd! 

BELLI: Ich nehme es so wahr, dass einige junge Männer irritiert und verunsichert sind vom Selbstbewusstsein vieler junger Frauen. Ich arbeite viel mit Jüngeren und finde es immer erstaunlich, wie bestimmt sie Grenzen setzen und wie klar (und mit absolutem Recht!) sie Dinge einfordern. Mit 20 hätte ich mich das gar nicht getraut. Dadurch bekommen einige anscheinend den Eindruck, dass ihnen etwas weggenommen werden könnte – nicht nur von “den Ausländern”, sondern jetzt auch noch von “den Frauen”. 

BERBEN: Es hat ja selten so viel Veränderung in einer so kurzen Zeit stattgefunden, in einer solchen Schnelligkeit, dass wir gar keine Zeit mehr haben, uns mit den Neuerungen überhaupt vertraut zu machen, sie zu leben. Da ist eine große Überforderung, und auch ich weiß oft nicht, wie wir das alles schaffen sollen. Es ist kompliziert und komplex. Aber ich bin sicher, dass sich immer wieder Menschen finden werden, die sich an einen Tisch setzen, miteinander reden und nach diesen neuen Wegen suchen. Wie wir hier.

ENGELKE: Wenn wir alle nur weniger Probleme damit hätten, zu sagen: Oh, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Einer meiner Lieblingssätze. Oder, noch schöner: Das weiß ich nicht. Oder, auch nicht schlecht: Ich glaube, du hast recht. Wie viele Menschen sagen diese Sätze nicht? 

Es eint uns das Unwissen, die Überforderung, aber wenn wir das formulieren, dann eint es uns auch im Abwarten, Aushalten, Durchhalten. 

BELLI: Das ist nicht nur in der Politik so, sondern auch im Zusammenleben. Mir kommt es oft so vor, als säße jeder so in seiner Ecke und bliebe da auch. Wir urteilen und verurteilen zu schnell. 

Iris Berben
© Sven Bänziger

“Da frage ich mich schon: Wofür sind wir denn in den 60ern auf die Straße gegangen?” – Iris Berben

An anderer Stelle, wenn es etwa um Themen wie Gleichberechtigung und Gleichstellung geht, wünscht man sich dagegen oft mehr Tempo.

BERBEN: Ich war immer gegen die Quote, weil ich mich beleidigt gefühlt habe, über eine Quote wahrgenommen zu werden und nicht über meine Leistung. Aber irgendwann habe auch ich eingesehen, dass man dieses Ungleichverhältnis anders kaum ändern wird. Die Realität ist leider immer noch eher 70:30 statt 50:50, in zu vielen Bereichen. Frauen müssen sich nach wie vor zu oft zwischen Familie und Job entscheiden, haben weniger Möglichkeiten und Chancen.

BELLI: Dass wir da noch nicht am Ziel sind, liegt an vielem, aber sicher nicht an mangelnder Solidarität zwischen Frauen. Wir können uns gegenseitig noch so sehr supporten und lieben, wenn die Strukturen fehlen oder schlecht sind …

BERBEN: … nützt das wenig, da hast du völlig recht. Und an dem Rad müssen wir noch kräftig drehen!

Als Prominente sind Sie auch Role-Models …

ENGELKE: Im Zweifel ist es so, dass man eher auf uns schaut als auf Frauen, die nicht in so exponierten Positionen unterwegs sind (und die vielleicht im Hintergrund Dinge tun, die um ein Vielfaches bedeutender sind als das, was wir machen). Bei der “Wochenshow” stand ich sowohl sehr schwanger als dann auch wieder zehn Tage nach der Geburt auf der Matte, und bei “Ladykracher” war’s ähnlich: Ich wollte einfach keine Pause machen, ich wollte bitte arbeiten dürfen. Ich wollte das schaffen, weil mich das glücklich macht und ich eine glückliche Mama sein wollte. 

BERBEN: Im Umgang mit solchen Entscheidungen hat sich einiges geändert. Ich kenne das durchaus auch anders, ich war ja Anfang der 70er-Jahre alleinerziehende Mutter.

ENGELKE: Da hat wahrscheinlich keiner gesagt, wenn du drehen wolltest: Komm, wir kümmern uns um dein Kind!

BERBEN: Nein, niemand. Zum Glück gab und gibt es Veränderung – und ein anderes Frauenbild. Aber solange wir diese Ungleichheiten zum Thema machen müssen, sind wir noch längst nicht am Ziel.

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen? 

BERBEN: Natürlich bin ich eine Feministin.

Was heißt das für Sie?

BERBEN: Ich bin eine Frau, die für weibliche Belange, für ihr Selbstverständnis, für ihre Selbstbestimmung, für ihre Sichtbarkeit kämpft und dazu ihre Klappe nie halten wird. 

Wie geht es Ihnen mit dem Begriff, Frau Engelke?

ENGELKE: Ich formuliere bei dem Thema gerne vorsichtig, zu schnell könnten wir in die Gemütlichkeitsfalle tappen: Och, bin Feministin, dann ist ja jetzt alles dufte. Ich bin zum Beispiel eine große Freundin von “Allyship”, der Idee, sich über marginalisierte Gruppen zu informieren und dann zu fragen: So, und was kann ich für euch tun? Ich bin privilegiert und hab noch Tagesfreizeit. Also, wo ist die nächste Demo? 

BERBEN: Ich definiere mich ja nicht nur über diesen Begriff, ich bin ja viele – eine überzeugte Europäerin, eine Mutter, ich bin politisch, offen, engagiert …

BELLI: Besonders im Internet wird “Feministin” auch sehr abwertend benutzt, und man stürzt sich auf Themen wie “Gendern, ja oder nein?”, obwohl es gerade so viele wichtigere Dinge gäbe, über die wir reden müssten. 

Aminata Belli
© Sven Bänziger

“Vieles ist für jüngere Frauen heute selbstverständlich, weil sie eben nicht mehr dafür kämpfen mussten” – Aminata Belli 

Kann gerade Social Media die Sache der Frauen und die Gleichberechtigung nicht auch voranbringen? 

BELLI: Das Internet hat den Feminismus auf jeden Fall unterstützt, allein MeToo hätte ohne die sozialen Medien nicht so funktioniert. Aber es kann auch viel kaputt machen. 

Ganz schön viele ernste Themen heute.

BERBEN: Das liegt an Anke, die ist aber auch so ein Stinkstiefel. Man sitzt am Tisch, man lacht, ist locker, dann kommt Anke …

ENGELKE: … und die Stimmung ist sofort im Keller.

BERBEN: UNANGENEHM. Du ziehst mich auch einfach so runter. Das wollte ich dir immer schon mal sagen. (Alle lachen)

Wie wär’s denn zum Schluss mit einer positiven Utopie? Wir könnten eine kleine feministische Revolution anzetteln?

BERBEN: Bin dabei! 

ENGELKE: Iris ist die Kämpferischste von uns allen, sie hat auch die heißeste Vergangenheit.

BERBEN: Nur, weil ich mich manchmal am Rande der Legalität bewegt habe? 

Also, was wünschen Sie sich? 

ENGELKE: Wir sollten uns all die Klischees angucken, mit denen ja auch Sie sich seit 70 Jahren rumschlagen: Was verbindet man mit Frausein? Warum gelten Frauen als hysterisch, ausgeflippt — und Männer als ganz schön tough?

Egal, wie eine Frau sich verhält, sie ist immer “zu”: zu langsam, zu laut, zu leise … 

BELLI: Und je öfter wir das hören, desto mehr denken wir über unsere Wirkung nach. Verschwendete Zeit!

ENGELKE: Warum widmen wir diese Klischees nicht um, sehen sie positiv? Vielleicht findet man da ja das ein oder andere, das man pflegen könnte, Sensibilität zum Beispiel. Ich fänd es schön – und wichtig –, dass alle, egal ob Mann oder Frau oder dazwischen, mal die Klischee-Frau in sich rausholen. So wie wir auch manchmal den Klischee-Mann in uns suchen und sagen: Jetzt bin ich mal echt kühn, sag einfach meine Meinung und hab keine Angst, dass man mir das als Zickigkeit auslegt, als Berechnung oder als Kalkül. 

BERBEN: Wenn du so alt bist wie ich, denkst du über so etwas gar nicht mehr nach, sondern machst es einfach. 

ENGELKE: Einfach mal machen ist auch eine gute Devise. 

Source: Aktue