Psychologie: Wieso negative Gedanken nicht das wahre Problem sind

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Negative Denkmuster kennen wir vermutlich alle, sie können uns das Leben ganz schön schwer machen. Ein Psychologe erklärt, warum wir schlechte Gedanken aber sogar brauchen – und welchen Fehler wir dabei fast alle machen.

Immer schön positiv denken, dann wird alles gut! Na, wie häufig liest oder hörst du solche Gemeinplätze? Sie suggerieren, dass wir ja keine negativen Gedanken haben sollen – und dass nichts mehr schief gehen kann, wenn wir sie erfolgreich verbannen. Diese Sichtweise schadet aber mehr, als dass sie nützt. Denn das wahre Problem sind gar nicht die negativen Gedanken – sondern wie wir mit ihnen umgehen.

Rund 80 Prozent unserer täglichen Gedanken enthalten zumindest negative Teile, schreibt der britische Arzt und Psychotherapeut Dr. Russ Harris in seinem Buch “Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei“. Negative Gedanken sind also eine ganz normale Funktion unseres Gehirns, die wir evolutionstechnisch gesehen sogar brauchen, um vor Gefahren auf der Hut zu sein. Die Gedanken sind also nicht das Problem. Das Problem liegt darin, dass wir ihnen uneingeschränkt glauben.

Negative Gedanken sind normal – wir dürfen sie nur nicht so ernst nehmen

Laut Dr. Harris lässt sich unser Umgang mit Klatsch vergleichen: Wenn wir beispielsweise einen besonders spekulativen Artikel über ein Mitglied der britischen Königsfamilie lesen, können wir einschätzen, ob und wie viel Wahrheitsgehalt er beinhaltet. Wir glauben nicht Wort für Wort, was dort steht, sondern ordnen automatisch ein, wie realistisch das Ganze wohl ist.

Unsere eigenen Gedanken dagegen nehmen wir viel zu oft für bare Münze. Wir denken schlechte und destruktive Dinge über uns selbst – etwa “Das schaffe ich sowieso nicht” oder “Den Job bekomme ich niemals” – und gehen automatisch davon aus, dass sie stimmen. Und das nur, weil unser Gehirn sie produziert. Dass solche Gedanken aufkommen, ist also nicht die Schwierigkeit, sondern dass wir sie sofort für wahr halten, ohne sie zu hinterfragen.

So können wir negativen Gedanken den Wind aus den Segeln nehmen

Laut Dr. Harris müssen wir lernen, zu differenzieren, womit unser Gehirn uns nur einen Streich spielen möchte und was wirklich hilfreiche und vor allem realistische Gedanken sind. Er empfiehlt, jeden Gedanken einem Realitäts-Check zu unterziehen:

  • Ist dieser Gedanken wahr?
  • Ist dieser Gedanke wichtig?
  • Ist dieser Gedanke hilfreich?

Außerdem können diese Tipps helfen, mit negativen Gedanken besser umzugehen:

1. Achtsamkeit

Der erste und wichtigste Schritt ist, in die Beobachtungsposition zu gehen. Wir können nämlich üben, unsere Gedanken als solche erst mal nur wahrzunehmen und sie nicht sofort als ultimative Wahrheit anzusehen. Wenn also der Gedanke aufkommt “Die Präsentation werde ich garantiert wieder versemmeln”, können wir einen Schritt zurücktreten und uns sagen: “Ich denke gerade, dass ich die Präsentation versemmeln werde.”

Es kann auch helfen, ähnliche Gedanken in Gruppen einzuordnen. Wenn du also häufig negative Denkmuster wie bei diesem Beispiel beobachtest, kannst du auch versuchen, sie zu gruppieren und zu sagen: “Jetzt kommt wieder ein Gedanke aus meiner Inkompetent-Geschichte.”

Im ersten Moment fragst du dich vielleicht: Was soll das schon für einen Unterschied machen – ich denke diese Dinge ja trotzdem? Aber tatsächlich kann diese subtile Verschiebung in der Betrachtungsweise schon sehr helfen, achtsamer zu werden und aufkommende negative Gedanken sofort zu entkräften. Je mehr du das übst, desto automatischer wird dein Gehirn in Zukunft so arbeiten.

2. Dankbarkeit

Eine weitere mögliche Art, mit solchen Gedanken umzugehen, ist das Dankesagen. Ja, du hast richtig gelesen: Bedanke dich bei deinen negativen Gedanken. Denn die meisten entstehen aus Angst – unser Gehirn will uns damit warnen. Statt dich von der Negativspirale davontragen zu lassen, könntest du kurz innehalten und sagen: “Danke, Gehirn, dass du versuchst, mich zu beschützen und mir deshalb diese schlimmen Szenarien aufzeigst. Es gibt gerade aber nichts zu tun, deshalb brauche ich diese Gedanken nicht.”

Das kann helfen, deine Urängste ein wenig zu beruhigen und deinem Gehirn so beizubringen, dass diese negativen Gedanken zwar aufkommen dürfen – du sie aber nach dem Wahrnehmen weiterziehen lassen darfst.

3. Spaß muss sein

Dr. Harris nennt noch eine weitere Methode, mit der du es schaffst, deine negativen Gedanken mit etwas mehr Abstand zu betrachten. Und zwar, indem du sie veralberst. Wenn also das nächste Mal in deinem Kopf Sätze aufkommen wie “Das klappt doch garantiert wieder nicht”, könntest du probieren, sie in einer lustigen Melodie zu singen oder sie in einer Cartoon-Stimme zu sagen.

Das mag sich vielleicht albern anfühlen – aber letztlich ist genau das der Sinn und Zweck. Denn solche Gedanken sind erst mal nicht wirklich ernsthafter und realistischer als Goofy oder ein Minion. Und das führst du dir damit immer wieder vor Augen.

Negative Gedanken sind nichts, für das du dich schämen musst oder was du falsch machst. Dass sie aufkommen, ist nicht nur ganz normal, sondern auch gesund und richtig so. Der Fehler, den die meisten von uns machen, ist einfach, sie ohne Hinterfragen als Wahrheit zu akzeptieren. Negatives zu verdrängen, bringt uns hier auch nicht weiter. Vielmehr müssen wir lernen, einen liebevollen Umgang mit schlechten Gedanken zu erlernen, der ihnen die Kraft nimmt und uns das Leben so letztlich erleichtert.

Verwendete Quellen: “Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei” von Russ Harris, Goldmann Verlag, psychologytoday.com

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Source: Aktue