Alarmierende Zahlen im Mental Health Report: Warum geht es der Hälfte der Frauen psychisch nicht gut?

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Depressionen, Angststörungen, Zwangsneurosen – um die mentale Gesundheit der Deutschen ist es nicht gut bestellt. Vor allem Frauen leiden häufig an psychischen Erkrankungen, wie der Axa Mental Health Report zeigt.

Eigentlich sollte man meinen, dass wir es im Jahr 2024 in Sachen psychischer Gesundheit schon weit gebracht haben. Immerhin zahlt die Krankenkasse in der Regel eine Therapie, und normalerweise muss man keine Angst mehr haben, aufgrund von psychischen Erkrankungen oder mentaler Belastung stigmatisiert zu werden. Warum aber gibt dann fast die Hälfte der deutschen Frauen an, dass sie psychisch in keiner guten Verfassung sind?

Zu diesem Ergebnis kommt der Mental Health Report des Versicherungsunternehmens Axa. Rund 1.000 Personen zwischen 18 und 75 Jahren wurden im November und Dezember 2023 in Deutschland befragt. Auch in 15 weiteren Ländern in Europa, Asien und Nordamerika wurden Daten erhoben.

Frauen geht es mental schlechter als den Männern

Die Ergebnisse sind alarmierend: 49 Prozent der deutschen Frauen gaben an, dass es um ihre psychische Verfassung nur durchschnittlich, schlecht oder sogar sehr schlecht bestellt sei. Bei den Männern waren es 39 Prozent. 31 Prozent der befragten Frauen, also fast ein Drittel, bezeichneten sich selbst als psychisch erkrankt – genannt wurden beispielsweise Depressionen, Angststörungen, Essstörungen und Zwangsneurosen. Bei den Männern sagten dies 28 Prozent.

Den Frauen geht es psychisch also offenbar schlechter als den Männern im Land. Warum ist das so? “Frauen haben statistisch gesehen eine höhere Vulnerabilität, das heißt, ihre Anfälligkeit für äußere Einflüsse und psychische Erkrankungen ist insgesamt höher”, erklärt die Psychotherapeutin Dr. Deniz Kirschbaum. Einen medizinischen Grund dafür gebe es nicht. “In der Praxis begegnen mir häufig Frauen, die zum Beispiel deutlich vom Mental Load, der mentalen Belastung durch dauerhaftes Organisieren und Erfüllen alltäglicher Aufgaben, betroffen sind“, so die Therapeutin weiter.

Mental Load sorgt für Dauerstress

Mental Load ist besonders für viele Mütter ein Thema, die versuchen, Familie, Beruf und ihr eigenes Leben unter einen Hut zu bekommen. Denn mit der Gleichberechtigung ist es noch nicht so weit her, wie viele glauben. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung fehlen mehr als 400.000 Kitaplätze. Und immer noch arbeiten mehr Mütter in Teilzeit-Jobs, übernehmen zusätzlich aber den Großteil der Care-Arbeit in der Familie und arbeiten so letztlich mehr.

Doch das Problem betrifft nicht nur Eltern, auch bei kinderlosen Paaren ist zu beobachten, dass Frauen für bestimmte Bereiche des Lebens mehr Verantwortung übernehmen als die Männer.

Warum ist das so? Können Frauen die Kontrolle nicht abgeben? Liegt es an den Männern, die keine Lust auf mehr Arbeit und Verantwortung haben? Oder liegt es an den jahrhundertelang gewachsenen Strukturen des Patriarchats und den daraus resultierenden Erwartungen der Gesellschaft an die Geschlechter?

Fakt ist, dass die deutschen Frauen unter der Mehrbelastung leiden, wie die Zahlen des Axa Mental Health Reports zeigen. Sie gaben im Schnitt an, in den vergangenen zwölf Monaten auf einer Skala von eins bis zehn ein Stresslevel von 5,8 erlebt zu haben – Männer nannten ein Level von lediglich 5,3. Interessant ist: Menschen, die in Teilzeit arbeiten, gaben ihr Stresslevel mit 6,2 an – bei den in Teilzeit arbeitenden Frauen liegt der Wert sogar bei 6,5. Und da viele Frauen in Teilzeit arbeiten, um in der restlichen Zeit die Familie zu versorgen, ist diese Zahl besonders alarmierend.

Frauen können schlechter abschalten als Männer

Auch bei diesen Werten wird deutlich, wie schlecht es um die psychische Gesundheit der Frauen steht: 67 Prozent von ihnen gaben in der Befragung an, in den vergangenen sieben Tagen nur schwer zur Ruhe gekommen zu sein, unter den männlichen Teilnehmenden empfanden das nur 58 Prozent so. 40 Prozent der Frauen fühlten sich ängstlich, dasselbe Gefühl beschrieben 31 Prozent der Männer. Dauerbelastung und Mental Load hinterlassen also deutliche Spuren, vor allem Frauen fällt das Abschalten schwer.

Spannend wird es auch beim Thema Selbstbewusstsein: “Mit Blick auf meine Stärken und Schwächen bin ich mit mir selbst zufrieden”, diese Aussage verneinten knapp ein Viertel der Frauen (23 Prozent), aber nur 16 Prozent der Männer. 61 Prozent der Frauen vertrauen ihren Fähigkeiten, aber 69 Prozent der Männer. Warum sind Männer offenbar selbstsicherer und mehr von sich überzeugt als Frauen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Stress, den viele Frauen im Alltag erleben, und dem Gefühl, dem nicht gerecht werden zu können?

Höchste Zeit jedenfalls, dass wir nicht nur Themen wie Gender Pay Gap und Gender Pain Gap systematisch weiter angehen – sondern auch den Gender Mental Health Gap.

Verwendete Quelle: Axa Mental Health Report, tagesschau.de

Source: Aktue