Bachelorette 2024: Woke Girls versus Neandertaler? Machen die Frauen jetzt die Männer nackig?

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Die Bachelorette spaltet die Fan-Gemeinde. Die einen finden die aktuelle Staffel furchtbar, andere feiern sie sehr. Unsere Autorin gehört zu letzteren und erklärt, warum. 

Ich bin nicht die klassische Trash-TV-Konsumentin. Im Grunde beschränkt sich mein Erfahrungsschatz auf die letzten Staffeln Bachelor und eine angefangene Staffel Bachelorette, die ich leider so lame fand, dass ich das Format direkt wieder abgewählt habe. Ich kenne aber sehr viele Menschen, die sich ganz wunderbar dabei entspannen können. Und so kam ich auch zur aktuellen Bachelorette. Empfohlen wurde mir die neue Staffel von einer Freundin, mit der Aussage: “Das ist so gut, wie die aufgeklärten und aufgeschlossenen Frauen den Männern die Welt erklären.”

Hä? Frauen? Haben wir uns im Format vertan und sind doch bei Princess Charming? Nein, haben wir nicht, ich lebe nur offenbar hinter dem Mond und habe es nicht mitbekommen. Für alle, denen es ähnlich geht. Stella, die Bachelorette, ist bisexuell und datet in dieser Staffel sowohl Frauen und Männer, die alle in die Kandidat:innen-Villa einziehen. Viel Potenzial für Eskapaden, Flirts und Fummeleien. So dachte ich jedenfalls. Doch es kam viel besser.

Zum Hintergrund: Die erste, die Frauen und Männer datet

Bachelorette Stella ist keine Unbekannte für Reality-Fans. 2023 war die 26-jährige Wahlmünchnerin Teilnehmerin der ersten Staffel von Too Hot to Handle: Germany. Den Mann fürs Leben fand sie dort nicht, aber in eine Kandidatin verliebte sie sich, mit der sie eine offene Beziehung führte. Gehalten hat diese Beziehung nur ein paar Monate – jetzt, ein Jahr später, wagt Stella die Suche erneut und datet in Thailand Männer und Frauen. Und wie es immer so ist, die einen finden sie unauthentisch und unterstellen ihr, lediglich auf fame aus zu sein, andere, wie ich, finden sie bislang sehr sympathisch und freundlich. Ich mag vor allem ihre unaufgeregte Art, mit den Boys und Girls umzugehen. 

What the hell – Hierfür haben sie sich nicht beworben!

Während die Frauen wussten, was da auf sie zukommt, mussten die Männer den Schock erstmal verdauen, als die fünf selbstbewussten Ladys die Kandidat:innen-Villa stürmen. Vielleicht nicht fair, aber unterhaltsam. Das, aber auch die Offenheit der Bachelorette, was Beziehungsformen und Sexualität angeht, sorgt ordentlich für Verwirrung bei den Männern: Wie, die Bachelorette sucht eine offene Beziehung? Oder doch eine monogame? Wie soll man denn mit Frauen konkurrieren? Will ich das hier dann überhaupt noch? Und vor allem: Wo bin ich hier nur gelandet? 

Dem ein oder anderen (Martin) sieht man deutlich an, dass er sich hierfür nicht beworben hätte. Da sucht man eine Frau fürs Leben und plötzlich wird in diesem Format alles auf den Kopf gestellt. Andere hingegen (Erik, Ferry) feiern das Neue und lassen sich sofort drauf ein. Dann gibt’s noch ganz viel dazwischen – beispielsweise Markus, für den eine offene Beziehung bedeutet, im Urlaub eine zweite Frau dazuzuholen. Einen Mann? Nee, das wäre was anderes. Einige wissen erstmal noch nicht so recht, wie ihnen eigentlich geschieht. 

Und so entsteht mitten im Trash-TV plötzlich ganz viel Raum, um sich für neue Dinge zu öffnen, sich weiterzuentwickeln, neue Worte zu lernen (z.B. heteronormativ), das eigene Mindset zu hinterfragen oder auch nicht, aber natürlich auch, die eigenen Grenzen abzustecken.

Gekommen, um aufzuklären

Die Frauen hatten weniger Fragen, dafür aber umso mehr zu sagen. Vor allem Kandidatin Aysun macht sehr deutlich, was sie sich hier vorgenommen hat: “Mir ist sehr wichtig, den Männern zu zeigen, wo es lang geht, was das Thema Feminismus anbelangt.” Und der ein oder andere hat da definitiv noch sehr viel Nachholbedarf: Frauen und Männer auf einem Date? Also das gäbe ja nur Streit, das geht doch nicht. Schließlich ticken Frauen und Männer doch komplett anders … Das wird explosiv – ich freue mich! Und in der Tat, lange müssen wir nicht warten. So gibt es gleich zu Beginn einen kleinen Workshop zum Thema: “Warum man ‘geisteskrank’ nicht sagt.” Während einige Männer überhaupt nicht verstehen wollen, was der Punkt ist (“Ich hab mich nicht bei einer political correctness Staffel beworben”), nehmen andere die Gelegenheit wahr, sich zumindest damit zu befassen. Böse Zungen behaupten, das sei natürlich alles Berechnung von RTL, um die Männer vorzuführen. Möglich, aber es ist nun mal eine provokative Sendung. 

Bachelorette 2024: Kandidaten

Und es ist nun mal auch: Neben der Wokeness der Girls wirkt ein Bennett leider wie ein Neandertaler, der sich darüber beschwert, dass man heutzutage ja nichts mehr sagen darf. Ein Punkt, der für sehr viel Gesprächsstoff auch in den sozialen Medien sorgt. Das kann man als unfair und gewollt kritisieren, aber in der Villa zeigt sich eben auch die Spannweite zwischen Meinung und Kleingeistigkeit. Und für alle, die jetzt Angst haben, dass es die ganze Zeit so woke weitergeht: Nee, keine Sorge, es wird auch knutschig. Und das auch noch mit jemandem, der so gar nicht dem stereotypen Männlichkeitsklischee in Reality-Formaten entspricht. Die Reaktionen darauf hingegen sehr.

Frauen müssen Kompromisse bei der Partnerwahl machen

Nachholbedarf 

Natürlich ist die Bachelorette ein TV-Format und keine Gesellschafts-Studie. Dennoch zeigt sich auch hier, ebenso wie in anderen Lebensbereichen, wie Männer und Frauen auseinanderdriften. Besonders gut lässt sich das auch in den Kommentarspalten auf Social Media oder auch an den Wahlergebnissen ablesen. Dieses Auseinanderdriften wird besonders in der sogenannten Mating Gap deutlich, die beschreibt, dass es für Frauen immer schwerer wird, einen Partner auf Augenhöhe zu finden. Dies bezieht sich vor allem auf das Bildungsniveau beider Geschlechter, was für immer mehr Frauen bedeutet, entweder keinen passenden Partner zu finden, oder deutliche Abstriche machen zu müssen. Damit wir in den kommenden Jahrzehnten nicht noch weiter auseinanderdriften, brauchen wir wieder mehr Dialog, offene Ohren und die Bereitschaft, uns selbst auch mal zu hinterfragen, damit eine Annäherung wieder möglich ist. Und vielleicht hilft Bachelorette schauen sogar dabei. 

Source: Aktue