Berufsleben: Im Job um Hilfe bitten: So klappt's

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Andere um einen Gefallen zu bitten, ist uns gerade im Job oft erstaunlich unangenehm. Sabine Heß, Fundraiserin und Marketing-Fachfrau, weiß, wie wir klug um Unterstützung werben – für uns selbst oder für andere.

Heftbox Brigitte Standard

“Wie heißt das Zauberwort?” – diesen Eltern-Satz kennen die meisten noch von früher. Warum fällt die Bitte um Unterstützung uns trotzdem oft so schwer – im Job, oder auch, wenn wir bei einem privaten Projekt nicht weiterkommen?

Sabine Heß: Es ist vor allem ein Glaubenssatz, der uns immer wieder auf die Füße fällt: dass wir meinen, alles selbst schaffen zu müssen. Vor allem, wenn es uns im Kern betrifft, unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Wir haben Angst, uns zu blamieren, oder denken, dass wir nicht die richtigen Leute kennen.

Eher ein Frauenproblem – oder fällt es Männern sogar noch schwerer zuzugeben: Ich stoße an Grenzen, bitte hilf mir?

Ich wollte das auch wissen und habe kürzlich eine Umfrage gemacht, dabei kam heraus: 54 Prozent haben Probleme damit, um etwas zu bitten, unabhängig vom Geschlecht und auch davon, ob sie sich als extrovertiert oder introvertiert empfinden.

Sie sagen aber auch: Das kann man üben. Wie haben Sie es selbst gelernt?

Eine Schlüsselsituation war während meines Studiums, als ich mit Kommiliton:innen ein Get-together vorbereitet habe, bei dem große Konzerne und Studierende sich kennenlernen sollten. Um die Veranstaltung zu ermöglichen, waren wir jedoch auf Spenden der Eingeladenen angewiesen. Beim Vorgespräch mit einem großen Getränkehersteller habe ich mich am Ende als Einzige überwunden und den Punkt angesprochen. Mit Herzklopfen, aber ich dachte mir: Wir haben ja nichts zu verlieren.

Und, wie ging es aus?

Die Gegenseite reagierte sehr freundlich und entspannt, das war schließlich ihr Tagesgeschäft. Wir bekamen die Zusage für eine großzügige Summe. Und ich verstand: Meine Ängste hatten offenbar mehr mit mir zu tun als mit der Realität!

Glückwunsch, aber ist es wirklich so simpel: einfach machen, das wird schon? Die Gesprächspartnerinnen hätten ja auch freundlich Nein sagen können.

Davor ist man nie gefeit. Aber die innere Haltung ist eine gute Voraussetzung für den Erfolg. Zum einen der Respekt vor meinem Gegenüber, vor dem, was er mir voraus hat. In meinem Beispiel die finanziellen Mittel, in einem anderen Fall vielleicht Kontakte oder Know-how. Zum anderen braucht es das Selbstbewusstsein zu sagen: Mein Anliegen ist es wert.

Was, wenn ich daran zweifle, das Selbstbewusstsein in dem Moment nicht aufbringe?

Authentisch sein ist wichtig, aber wenn wir unsere Komfortzone verlassen, ist es ausnahmsweise erlaubt, sich selbstbewusster zu geben, als man sich fühlt. Die Management-Trainerin Vera Birkenbihl hat einmal gesagt: Zwei Minuten reichen, damit andere uns als selbstbewusst wahrnehmen.

Ich habe mich also überwunden. Weil ich Geld für ein Hilfsprojekt einsammeln will, oder weil ich möchte, dass die Kollegin aus der Buchhaltung mir ein kompliziertes Abrechungstool erklärt. Wie geht es weiter?

Ich würde noch mal einen Schritt zurückgehen. Vorher haben Sie sich idealerweise gut vorbereitet und geklärt: Was genau will ich konkret, und ist mein Gegenüber dafür auch genau der oder die Richtige? Beim Formulieren der Bitte hilft ein Dreiklang: Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch.

Was heißt das?

Ich habe neulich über die Plattform LinkedIn einen Ernährungsexperten angeschrieben, den ich in einer Talkshow gesehen hatte und gesagt: Ich habe Sie im TV als so energiegeladen empfunden – Wahrnehmung –, das hat mich motiviert, mich mit meiner Ernährung zu beschäftigen – Wirkung – , haben Sie einen Tipp, wie man eine Ernährungsumstellung am besten anfängt? – Wunsch. Er freute sich und schickte mir sofort einen Link. Wir verbinden uns ja gern mit Menschen, die unsere Werte teilen. Wie unsere Bitte ankommt, ist auch eine Frage von Storytelling. Also: Wie bringe ich mein Anliegen so vor, dass ich den anderen in meine Gefühlswelt einlasse?

Gefühlswelt, das klingt ein bisschen nach Auf-die-Tränendrüse-Drücken.

So ist es nicht gemeint. Storytelling heißt auch nicht, eine Geschichte zu erfinden, sondern die eigene Begeisterung für ein Thema glaubhaft zu machen. Oder die eigene Not. Oder beides. Es geht darum zu vermitteln: Ich brenne für eine Sache, komme aber ohne Unterstützung von Insider:innen nicht weiter.

Was ist mit der Sorge, man könnte sein Gegenüber mit einer Bitte überfordern?

Verständlich! Die anderen haben ja auch begrenzte Ressourcen an Zeit, Geld, Energie. Die Kunst besteht darin, ihnen das Helfen so einfach wie möglich zu machen, indem man den Umfang genau definiert.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Gerne. Etwa: Ich tu mich schwer mit dem neuen Abrechnungs-Tool, könnte ich nach dem Meeting für eine halbe Stunde zu dir ins Büro kommen und mit dir einen Vorgang durchgehen? Oder: Ich soll ein Buchkonzept schreiben, Sie sind eine so erfolgreiche Autorin, was sind Ihre wichtigsten drei Tipps? Schnell auf den Punkt kommen, schnell wieder raus, mit einer Ich-Botschaft am Ende. Wenn es um etwas Umfangreicheres geht, biete ich oft an, dass ich mich selbst in ein paar Tagen noch mal melde. So behält man das Heft des Handelns in der Hand. Und schließlich gehört zu einer guten Bitte immer auch Dank und Feedback: Wie ist es ausgegangen, hat die Unterstützung geholfen?

Entscheidet auch das richtige Timing, ob ich erfolgreich bin?

Gehört unbedingt dazu, deshalb ist es ja so hilfreich, wenn ich mich vorher informiere, was bei der Person los ist. Wenn die Kollegin in der Buchhaltung gerade ihren Jahresabschluss hat, hat sie kaum den Kopf frei für mich. Und wenn jemand auf einer Veranstaltung von einer Menschentraube belagert wird, hat er wahrscheinlich kein Ohr für mein Anliegen. Aber wir können auch nicht alles wissen, etwa, ob die Person gerade privat unter Druck steht und deshalb abblockt. Deshalb sollten wir uns auch nicht davon abschrecken lassen, sie zu einem späteren Zeitpunkt noch mal anzusprechen.

Was halten Sie von dem Impuls, eine Gegenleistung anzubieten? Etwa: Du kannst besser mit Zahlen, ich kann besser mit Worten, du hast was gut bei mir?

Kürzlich habe ich einer Kollegin ein Exemplar meines Buches geschenkt, und sie bot an, mich dafür zu massieren – sie hat eine Praxis für Körperarbeit. Da habe ich zu ihr gesagt: Wir müssen das nicht verrechnen, ich freue mich aber, wenn du mir irgendwann eine Massage gibst, einfach so. Es geht nicht um Tauschhandel, das würde den Akt an sich fast entwerten. Viel nachhaltiger ist es, langfristige Netzwerke aufzubauen.

Weil ich damit den Boden bereite, wenn ich mal Hilfe brauche?

Ja, indem Sie Kontakte pflegen, nicht nur solche, die im engeren Sinn nützlich sind und selbst bereit sind, zu geben. Im Übrigen gibt es unzählige Alltagsmomente, in denen Sie Ihren Bittmuskel trainieren können: den Platz tauschen im Zug, im Restaurant darum bitten, dass das halb kalte Essen noch mal warm gemacht wird. Machen Sie sich immer klar: Es geht mir besser, wenn ich für meine Interessen eintrete, selbst wenn ich damit am Ende keinen Erfolg habe. Dann fällt es auch bei wichtigeren Angelegenheiten leichter.

Sabine Heß ist Betriebswirtin und arbeitete lange im Marketing und Vertrieb. Heute begleitet sie Vereine, Stiftungen und Initiativen bei Marketing und Fundraising, beim Umsetzen gesellschaftlicher und sozialer Projekte. Die Tipps in ihrem Buch basieren auf diesen Erfahrungen: “Die Kunst des Bittens – wie du Unterstützung für dein Herzensprojekt findest” (200 S., Murmann, 29 Euro).

Source: Aktue