Börsen-Slang: 5 lässige Antworten, die du Börsen-Angebern geben kannst

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Wer sich für Aktien interessiert, sei gewarnt: Früher oder später wird ein (meist männlicher) Zeitgenosse auftauchen und mit hochtrabendem Börsen-Slang um sich werfen. Nicht irritieren lassen! Das geht auch verständlich.

1) “Mein Multi-Asset Ansatz reduziert die Volatilität erheblich”

Ganz von vorne. Multi-Asset ist derzeit ein Modewort in der Fondsindustrie (die dir ihre Produkte verkaufen will). Es heißt nichts anderes, als dass in einem solchen Fonds nicht nur eine Klasse von Anlagewerten (englisch: Assets) wie etwa Aktien enthalten ist, sondern zumBeispiel auch Zinspapiere oder Rohstoffe, vielleicht sogar Immobilien oder anderes. Schon lange gibt es Mischfonds mit Aktien und Zinspapieren. Die sind – abgesehen von den oft zu hohen Gebühren und Kosten von Fonds – durchaus sinnvoll, genau wie Multi-Asset-Produkte, wenn ein Fondsanteil die einzige Geldanlage ist, die du hast.

Denn bereits in den 50er-Jahren wies der Wirtschaftswissenschaftler Harry M. Markowitz nach, dass Diversifizierung – also die Verteilung des Anlagegeldes auf ganz verschiedene Wertpapiere – den Ertrag eines Depots steigern kann. Und dabei auch noch die Nerven schont, denn die Wertschwankungen der Geldanlage fallen so wesentlich geringer aus. Diese Schwankungen nennt man Volatilität. Ein Multi-Asset-Ansatz reduziert die Volatilität also tatsächlich erheblich. Ihr Gegenüber drückt eine einfache Geldanlage-Regel hoch kompliziert aus.

Umsetzen kann man das auch ohne hochtrabende Worte: Die Stiftung Warentest rät Anlegern, einen ganz breit gestreuten ETF (Exchange Traded Fund) zu kaufen, mit dem man kostengünstig Minianteile an Hunderten oder sogar Tausenden Aktiengesellschaften erwirbt. Und zusätzlich einen Teil seiner Spargroschen in Zinsanlagen zu stecken. Viel breiter streuen geht fast nicht.

Das könntest du antworten:

“Ja, das ist sinnvoll. Wissen wir spätestens, seit Markowitz vor fast einem Vierteljahrhundert den Nobelpreis für seine Portfoliotheorie bekommen hat.”

2) “Value ist nett, aber echte Tenbagger gibt’s halt nur mit Growth”

Okay, da ist ein Körnchen Wahrheit dran, zumindest wenn es um einen kurzen Zeitraum – ein paar Monate oder Jahre – geht: Die Wahrscheinlichkeit, eine Firma zu erwischen, deren Kurs sich verzehnfacht (denn das bedeutet “Tenbagger”), ist mit Growth höher.

Growth und Value sind Anlagestile für die Auswahl einzelner Aktien. Mit der Value-Methode wird versucht, die Firmen zu finden, die ein grundsolides Geschäftsmodell haben, mit dem man zuverlässig viel Geld verdient. Die Lieblingsaktie des Value-Investors schlechthin – Warren Buffett – war lange Zeit Coca-Cola. Die Brause verkaufte sich jahrzehntelang fast von alleine, bei überschaubaren Herstellungskosten und Risiken, und lieferte zuverlässige Gewinne und Kurssteigerungen. Aber eben keine plötzlichen positiven Überraschungen und Kurssprünge.

Die Growth-Strategie ist auf etwas ganz anderes aus: Sie will Unternehmen finden, die eine vollkommen neue Branche aufbauen und ganz schnell wachsen (Growth heißt Wachstum). Das sind in der Regel Tech-Firmen, und einige Menschen sind mit einigen dieser Aktien auch wirklich ziemlich reich geworden: Früher mal mit Microsoft oder Apple, später mit Tesla, derzeit setzen viele auf den Sektor Künstliche Intelligenz. Der Haken an Growth: In der Regel starten unzählige Aktiengesellschaften in eine neue Branche, viele bleiben dabei auf der Strecke. Denn Geld verdienen solche Firmen meist erst einmal nicht. Das Aktien-Kapital ist dann weg. Zudem sind Growth-Unternehmen oft auf Fremdkapital angewiesen. Steigen die Zinsen, wird die Finanzierung schwieriger und die Kurse der Growth-Aktien stürzen ab, wie zuletzt nach der Zinswende der Notenbanken.

Growth ist also viel riskanter. Du brauchst entweder viel Glück oder viel Wissen und Arbeit, um einzuschätzen, welche der neuen Firmen die besten Chancen haben. Value dagegen erfordert Zeit und Geduld, denn die Gewinne wachsen zwar meist beständig, die Kurse aber nicht unbedingt immer gleichmäßig.

Das könntest du antworten:

“Ich halte es mit Charlie Munger, dem verstorbenen Partner der Investment-Legende Warren Buffett: ‘Wir wissen nicht, wie man schnell reich wird, wir wissen aber, wie es langsam geht.'”

3) “Die neuen IPOs sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Nach der technischen Analyse hätte man mit den letzten schon vor dem Börsengang short gehen sollen”

Also das ist … blanker Unsinn. Hier verbindet jemand drei interessant klingende Begriffe zufällig und langt damit ordentlich daneben. Ein IPO (Initial Public Offer – also das erste Angebot von Aktien einer Firma an der Börse, zu Deutsch “Neuemission”) ist vor allem eines: neu, also vorher an der Börse nicht gehandelt. Daher gibt es auch noch keine Kurse für das Papier. Die technische Analyse ist aber nur möglich, wenn es solche Kurse gibt. Diese Methode geht davon aus, dass sich Aktienkurse in wiederkehrenden Mustern bewegen. Sie analysiert den historischen Kursverlauf einer Aktie oder eines Aktienmarktes mit teils komplizierten Berechnungen, um Trends und Wendepunkte zu erkennen. Eine der einfacheren Methoden ist es, einen “gleitenden Durchschnitt” der vergangenen Kurse zu bilden, also die jeweiligen beispielsweise 30 letzten Kurse für jeden Handelstag zusammenzuzählen und durch 30 zu teilen. Trends sind in einer solchen “geglätteten” Linie besser zu erkennen.

Dass dein Gegenüber auch noch “short gehen” will, soll wohl besonders wagemutig wirken. Denn das bedeutet in der Regel, den Totalverlust des eingesetzten Kapitals zu riskieren. Short gehen heißt, auf fallende Kurse zu setzen. Profis machen das, indem sie sich Aktien von anderen Profis für einen festgelegten Zeitraum leihen. Der Spekulant verkauft die geliehene Aktie dann, um sie später billiger wieder zu kaufen und zurückzugeben. Für Privatleute funktioniert “short gehen” mithilfe von verschiedenen spekulativen Wertpapieren wie Optionsscheinen. Das Problem: Geht die Wette nicht auf, ist in der Regel der Einsatz weg.

Das könntest du antworten:

Sag einfach nichts und suche das Weite.

4) “So bullish wie die Börse ist, sind langsamere Zinsschritte der Fed bereits eingepreist”

Hier ist jemand mit dem “Top-down-Ansatz” unterwegs: Er versucht, zunächst einmal die Gesamtlage an der Börse zu analysieren und daraus Entscheidungen über seine Investitionen zu treffen. Wie jede seriöse Anlagestrategie kann das erfolgreich sein, wenn der Mensch die entsprechende Zeit für Analysen aufbringt. Denn die Kurse an der Börse sind mehr als die Summe der Geschäftsaussichten einzelner Firmen. Sie spiegeln auch immer die Stimmung aller Beteiligten. Und so gut wie alles spielt eine Rolle: der Verlauf der Konjunktur, politische Entscheidungen, Naturkatastrophen, Kriege, aber auch das Zinsniveau in der Wirtschaft.

Beides, Stimmung und Zinsen, spricht dein Gegenüber hier an: Sind die Zinsen hoch oder steigen rasch, ist das Gift für die Aktienmärkte. Denn einerseits werden sich mehr Menschen gegen Aktien und für Zinsanlagen entscheiden, wenn es auch dort ordentliche Renditen gibt. Andererseits sind die allermeisten Firmen auf Kredite angewiesen, die dann teurer werden. Wenn die wichtigste Zentralbank der Welt – die US-amerikanische Fed – also ihre Zinsen langsamer erhöht als gedacht, ist das eine gute Nachricht. Die Zuversicht der Anleger und Anlegerinnen steigt, sie werden “bullish”.

Das Wort kommt genau wie sein Gegenteil “bearish” von den beiden Symboltieren der Börse: dem Bullen, der für starke Kurse steht, und dem Bären, der eine Flaute versinnbildlicht. Richtig erfolgreich sind Investoren aber nur dann, wenn sie eine gute Entwicklung sehr früh er-kennen und noch kaufen, bevor die Kurse steigen. Gute (aber auch schlechte) Nachrichten führen deshalb zu Kursbewegungen, bevor sie überhaupt Realität werden – sie werden also vorab “eingepreist”. Bei einer “bullishen” Börse ist das natürlich gefährlich: Kommt es doch schlechter als erwartet, werden die Kurse fallen.

Das könntest du antworten:

Dein Gegenüber scheint ganz interessant zu sein. Versuche mehr zu erfahren, zum Beispiel mit der Frage: “Glaubst du, die Börse ist jetzt zu bullish?” Wer weiß, vielleicht wird Top-down dein Ansatz.

5) “Das KGV ist beider Aktie hoch, aber dafür ist der Moat auch breit”

Auch hier scheint jemand einen erfolgreichen Ansatz zu verfolgen: “Bottom-up” nennt man die Methode, einzelne Unternehmen anzuschauen und sich weniger um die Gesamtlage an der Börse zu kümmern. Kurschwankungen sitzen diese Menschen in der Regel einfach aus und halten “ihre Unternehmen” langfristig. Um die zu finden, graben sie sich zum Teil tief in die Bilanzen, die Gewinn- und Verlustrechnung und vergleichen verschiedene Zahlen mit den Aktienkursen. Das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) ist dabei die gängigste Kennziffer. Es berechnet, das Wievielfache des Gewinns pro Aktie diese Aktie an der Börse kostet. Je niedriger der Wert ist, desto “billiger” ist die Aktie.

Das KGV alleine sagt aber noch nicht viel über die Attraktivität einer Aktie aus – wie alle anderen Kennziffern für sich. Es gibt Branchen mit traditionell höherem KGV, vor allem solche, in denen die Gewinne zuverlässig sind und die Aussichten langfristig gut. Das liegt oft an einem “moat” (englisch für Burggraben) um das Geschäftsmodell des Unternehmens herum, der vor Konkurrenz schützt. Das kann eine fast unschlagbare Marke sein, die berechenbar und zuverlässig immer gekauft wird. Oder ein Patent oder technisches Know-how, das andere so einfach nicht nachmachen können. Oder auch – wie zum Beispiel bei den US-Eisenbahngesellschaften – ein so immenser Bestand an Sachwerten, in diesem Fall für Schienennetze, Züge und Bahnhöfe, dass so schnell keine Konkurrenz auftauchen wird.

Ein breiter Moat ist gut – aber auch das alleine rechtfertigt noch kein hohes KGV. Denn der Burggraben hilft auch nicht weiter, wenn das Unternehmen zum Beispiel überschuldet ist und unter steigenden Zinsen zusammenbricht.

Das könntest du antworten:

Auch hier könnte es interessant werden. Frage nach, zum Beispiel: “Welche anderen Kriterien schaust du bei einem Unternehmen noch an?”

Gisela Baur ist Finanzjournalistin und arbeitet für das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Printmedien. Sie ist Autorin zahlreicher Bücher, darunter die Warren Buffett-Biografie “Der Jahrhundertkapitalist” und “Wirtschaftsnachrichten endlich verstehen”.

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Source: Aktue