BRIGITTE Award: Margot Friedländer erhält Ehrenpreis für ihr Lebenswerk

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Am 26. September hat Margot Friedländer den BRIGITTE Award für ihr Lebenswerk erhalten. Mit 102 Jahren erzählt sie als eine der letzten Überlebenden des Holocausts von den Verbrechen der Nazis und ruft zu Zusammenhalt auf.

Mit 88 wird das Leben der meisten beschaulich. Margot Friedländer zog mit 88 von New York nach Berlin und startete ihre “Mission”: Seit 2010 besucht sie Schulen, Messen, Vereine in ganz Deutschland und versucht, den Menschen den Horror zu vermitteln, den sie einst selbst erlebte – als Jüdin in Nazideutschland. 

Es gibt nur wenige, die noch davon erzählen können. Die Generation der Holocaust-Überlebenden stirbt aus. Und damit, so fürchten viele, auch die Erinnerung an die Nazi-Gräuel. Das mag ein Grund sein, wieso Friedländer – am 5. November wird sie 103 – derzeit gefragt ist wie nie: Sie spricht bei Galas und vor dem EU-Parlament, zierte das „Vogue“- Cover, wird mit Preisen überhäuft. Auch BRIGITTE ehrte sie für ihr Lebenswerk. 

Als Iris Berben am Abend des 26. September die Award-Bühne betritt, um eine Laudatio für Friedländer zu halten, wird es ganz still im Saal. Die beiden Frauen kennen sich seit über 20 Jahren, zuletzt spielte Berben im Dokudrama “Ich bin! Margot Friedländer“ eine der Helfer:innen, die Friedländer als junge Frau im Berlin der Nazi-Zeit versteckten. Sie sei froh, ein Puzzleteil im Leben Friedländers zu sein. “Wie schnell hast du mich spüren lassen, dass du gekommen bist, um deine Hand auszustrecken”, erzählt die Schauspielerin vom ersten Treffen der beiden. Über Friedländers Wirken sagt sie treffend: “Deine freundliche Beharrlichkeit ist wichtiger denn je, das zeigen uns die Ergebnisse der Landtagswahlen.“ 

Friedländer trifft in der Tat einen Ton, nach dem sich offenbar gerade viele sehnen: Versöhnlich, ermutigend. “Seid Menschen“, lautet ihre Botschaft, die sie auch am Abend der Verleihung dem Publikum mitgibt. “Dann kann das, was war, nie mehr geschehen.“ 

“Was war” bedeutet in ihrem Fall: die Odyssee einer jungen Frau, die erst erleben musste, wie die Nazis ihre Familie ermordeten, sich dann an den letzten Satz der Mutter klammerte (“Versuche, dein Leben zu machen”), monatelang untertauchte – und doch im KZ landete. “Ein Ort ohne Luft, ohne Licht, ohne Zeit”, schreibt sie in ihrer Autobiografie. 

Doch sie überlebte. Heiratete einen ehemals Mitgefangenen, ging nach New York. Und lernte nach dem Tod ihres Mannes in einem Schreibkurs für Seniorinnen, den Schmerz über das Schicksal ihrer Familie und ihre Schuldgefühle als Überlebende in Worte zu fassen. Zwölf Jahre später wagt sie, was ihr Mann stets ablehnte: die Rückkehr ins Land der Täter – “ihr viertes Leben”, wie sie sagt. 

Wer ihr begegnet, trifft auf eine hellwache Frau, die weiß, wie wichtig ihre Stimme in Zeiten ist, in denen wieder Hakenkreuze auf Wänden prangen. Schon jetzt hat sie daher vorgesorgt, sollte sie ihre Mission irgendwann nicht mehr selbst verfolgen können: Sie hat eine Stiftung gegründet, einen Preis ausgelobt für alle, die gegen das Vergessen kämpfen. Bis zum 15. Oktober können sich Menschen und Organisationen für den Preis bewerben, die sich mit Aktionen und Initiativen für Toleranz und Menschlichkeit und gegen Antisemitismus oder Demokratiefeindlichkeit einsetzen, etwa in Vereinen, Schulen und Hochschulen, in Betrieben oder auch Bürgerinitiativen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. “Ich bitte Sie herzlich, wenn Sie Menschen oder Organisationen kennen, die sich in meinem Sinne engagieren, nominieren Sie diese für den Margot Friedländer Preis”, sagt die Initiatorin selbst. Das Engagement sei unglaublich wichtig: “Wichtig für die Zukunft unseres Landes, wichtig für euch.”

Friedländer Preis Video

Auch sie selbst ist noch, so oft es geht, unterwegs. Was sie den Schüler:innen sagt? “Es ist für euch – um euch die Hand zu reichen. Um euch zu sagen: für eure Zukunft. Ihr habt es in der Hand – für die Demokratie!” Keine Minute habe sie es bereut, nach Deutschland zurückgekehrt zu sein und ihre Stimme zu erheben: “Ich tue es für euch.”

Source: Aktue