Bücher im Sommer 2024: Gesellschaft im Fokus

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Unsere Kulturexpert:innen haben die besten Bücher für diesen Sommer gesucht. Diese Gesellschaftsromane sind ihre Lieblinge.

Natasha Trethewey – Memorial Drive. Erinnerungen einer Tochter

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Dieses ergreifende Memoir ist Chronik eines angekündigten Mordes und zugleich der Versuch einer Tochter, ein Trauma durch das Erinnern zu überwinden. Natasha Trethewey, heute 57 und eine preisgekrönte Lyrikerin in den USA, war 19, als ihre Mutter Gwendolyn von ihrem Stiefvater erschossen wurde. Jahrzehntelang hat sie versucht, die Ereignisse, die dem Mord vorausgingen, zu verdrängen. Jetzt, ausgelöst durch die Rückkehr an den Ort des Verbrechens, drängt alles in ihr hoch: die Zeit der 60er, als die Rassengesetze in Mississippi abgeschafft werden, der Terror durch den Ku-Klux-Klan, die Emanzipation ihrer Mutter, die studiert, gut verdient und dann an einen prügelnden Mann gerät. Trethewey begreift ihre eigene Hilflosigkeit als Kind und fühlt sich doch schuldig am Tod der Mutter. Wie sie es schafft, ein Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln, weist weit über ihre Geschichte hinaus. (256 S., 17 Euro, btb)

Constanze Neumann – Das Jahr ohne Sommer

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“Unser Leben musste gut sein, es konnte gar nicht anders als gut sein, hier im äußersten Westen des Landes, nach allem, was uns passiert war.” Unter diesem Glücksdiktat wächst Constanze Neumann auf, nachdem ihre Eltern 1978 die DDR verlassen haben. Zuvor waren sie nach einer gescheiterten Flucht in Haft. Die Mutter erholt sich davon nie. Eine Kindheit zwischen Ende und Neuanfang, unaufgeregt erzählt: ein besonderes Buch. (192 S., 22 Euro, Ullstein)

Gaea Schoeters – Trophäe

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Hunter White, amerikanischer Großwildjäger in Afrika, fehlt nur noch das Spitzmaulnashorn in seiner Trophäensammlung, dafür hat er eine halbe Million Dollar hingelegt. Doch Wilderer kommen ihm zuvor. Da lässt er sich auf ein monströses Angebot ein: die Jagd auf einen Menschen. Klingt krank? O ja, aber wie Gaea Schoeters die Hybris des weißen Mannes untergräbt und die Folgen des Kolonialismus zuspitzt, ist atemberaubend. (256 S.,24 Euro, Zsolnay)

Suzie Miller – Prima Facie

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Tessa ist eine Londoner Anwältin, die selbst die übelsten Typen raushaut. Weil sie es kann. “Es geht nicht um Wahrheit, sondern darum, die Richter zu überzeugen.” Doch dann wird sie selbst bei einem Date vergewaltigt und geht durch die Hölle, durch Scham, Selbsthass und einen Prozess, in dem sie nichts beweisen kann. Suzie Miller war Strafverteidigerin, das zeigt jede Zeile dieses Romans. Das zugrunde liegende Stück war ein großer Erfolg, auch an vielen deutschsprachigen Bühnen. (352 S., 25 Euro, Kjona)

Claire Keegan – Reichlich spät

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Große Literatur braucht oft nicht viele Worte. Und Claire Keegan (“Das dritte Licht”) ist eine Meisterin darin, in aller Kürze ein ganzes Leben zu erfassen. Diese nur rund 50 Seiten lange Erzählung der Irin haut einen um. Mit kaltem Grausen lässt man sich hineinziehen in den Geist eines ganz normalen, scheinbar netten Mannes, der Frauen verachtet. Misogynie unter der Lupe – so wahr. (64 S., 15 Euro, Steidl)

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Source: Aktue