Das Gewalthilfegesetz kommt: Warum bis dahin trotzdem 2500 Frauen sterben werden

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Bei all den Schlagzeilen der vergangenen Tage konnte man es fast übersehen: Das neue Gewalthilfegesetz soll vielen Frauen das Leben retten. Theoretisch.

Na, seid ihr von der Überschrift auch schockiert? 2500 Frauen, die werden sterben müssen? Und niemand verhindert das? Wie kann das sein? Ganz einfach: Während ihr gerade diesen Text lest, versucht ein Mann, vielleicht sogar in eurem näheren Umfeld, seine Partnerin oder Ex-Frau umzubringen. Oder seine Kollegin, weil sie nicht mit ihm ausgehen wollte. Das war gestern so, ist heute so und wird morgen so sein. 

2023 gab es 360 Femizide. Ja, das ist jeden Tag ein Mord. Wo der Aufschrei ist, fragt ihr euch vielleicht? Der bleibt aus, weil wir uns erstens als Gesellschaft zu sehr daran gewöhnt haben. Und zweitens, weil die Täter bei Femiziden in mehr als zwei Dritteln aller Fälle Deutsche sind – damit lässt sich vermutlich nicht so gut Populismus betreiben.

Jetzt kommt die gute Nachricht: Femizide könnten verhindert werden, durch Aufklärung über toxische Männlichkeitsbilder, durch bezahlbaren Wohnraum, damit Frauen von ihren gewalttätigen Partnern überhaupt wegziehen können und – jetzt kommt’s – durch eine sichere Finanzierung von Frauenhausplätzen. Von denen fehlen aktuell 14.000 Stück. Und bei jedem vierten Platz sind die Frauenhäuser gezwungen, pro Nacht Geld zu verlangen. Als wäre das ein Hotelurlaub!

Schutz & Hilfe erst ab 2032 

Aber wir wollten ja bei den guten Nachrichten bleiben: Die Finanzierung und vor allem ein gesetzlicher Anspruch auf einen Frauenhausplatz werden mit dem neuen Gewalthilfegesetz passieren. Yay. Die Blockaden der FDP und CDU haben endlich ein Ende. Doppelyay. Nur steckt der Teufel wie so oft leider im Detail: Erst ab 2032 soll dieser gesetzliche Anspruch überhaupt gelten. 2032! Das ist in sieben Jahren! Was das bedeutet? Dass bis dahin – statistisch gesehen – mehr als 2500 Mädchen und Frauen ermordet sein werden. Quasi gebilligt vom Staat.

Was noch in diesen sieben Jahren passieren wird? Mindestens zweimal wird in dieser Zeit die Regierung wechseln und, wie aktuelle Prognosen zeigen, nicht gerade in eine feministische Richtung. Das heißt, dass das neue Gesetz von mindestens zwei Regierungen gekippt oder bis Sankt Nimmerlein verschoben werden kann.

Wann wird der Ernst der Lage erkannt?

Klar kann man jetzt argumentieren, dass der Ausbau nun mal Zeit braucht, zusätzliche Gebäude müssen gesucht, Personal gefunden und geschult werden. Aber erstens stand das Gewalthilfegesetz schon 2021 im Koalitionsvertrag der Ampel, die vier vergangenen Jahre hätte man gut nutzen können. Und zweitens interessiert das alles doch die zukünftigen Opfer nicht! 

Deswegen frage ich mich seit sehr langer Zeit schon, ob die politischen Verantwortlichen eigentlich den Ernst der Lage verstanden haben? 2500 Mädchen und Frauen werden statistisch gesehen in diesem Land bis 2032 getötet werden, weil unsere Parteien es nicht hinbekommen, eine wirkliche Zeitenwende herbeizuführen. Und ja, ich bin mir der Tragweite dieses Wortes sehr wohl bewusst.

Wann genau setzt also die Zeitenwende im Kampf gegen Femizide in diesem Land ein? Wann genau gibt es dafür Brennpunktsendung um Brennpunktsendung? Wann genau werden dafür Gesetze umgeworfen und binnen weniger Tage unter größtem medialen Tamtam bessere und effektivere verlangt? Einfach, weil unser Land es nicht mehr erträgt, dass hierzulande fast jeden Tag eine Frau oder ein Mädchen getötet werden? 

Gewalthilfe für ausnahmslos alle Frauen

Und wann begreifen vor allem die Parteien rechts der Mitte, dass der Großteil dieser Täter laut aktuellen Zahlen der Bundeskriminalstatistik nicht aus dem gern zitierten „Asylbewerber-Milieu“ stammt, sondern es zu rund 70 Prozent Thomasse, Jürgens und Martins aus unserer direkten Nachbarschaft sind? Und dass, wenn es den regierenden Parteien wirklich um Opferschutz ginge, wir auch die Asylbewerberinnen mit dem neuen Gesetz schützen würden? Geflüchtete Frauen ohne sicheren Aufenthaltsstatus haben im neuen Gewalthilfegesetz nämlich keinen Anspruch auf einen Frauenhausplatz. Trans, inter und non-binäre Personen übrigens auch nicht – dafür hat auf den letzten Verhandlungsmetern die Union gesorgt.

Also ja, natürlich ist das neue Gesetz ein gigantischer und wichtiger Meilenstein für den Schutz aller Frauen und Mädchen in diesem Land, seit Jahren forciert von SPD, Grünen und Linken. Gleichzeitig ist das Jahr 2032 geradezu lächerlich und gefährlich weit weg. Es wäre schneller möglich, wenn man diesem Thema endlich die politische Priorität beimessen würde, die es verdient. Und nicht mit den Parteien, die es nur dann medienwirksam herausholen, wenn einmal im Jahr der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen ist.

 

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