Dunning-Kruger-Effekt: 5 Dinge, die wir von unfähigen Menschen lernen können

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Bei manchen Menschen fragst du dich, wo ausgerechnet sie so viel Selbstvertrauen hernehmen? Vielleicht haben wir die Erklärung: Dunning-Kruger-Effekt!

Manchmal scheint es so, als hätten die unfähigsten Menschen das größte Selbstvertrauen.

  • Der Fußballfan mit der Plauze, der sich darüber aufregt, dass “dieser Idiot” schon wieder meilenweit übers Tor schießt.
  • Die Quiz-Show-Zuschauerin, die felsenfest davon überzeugt ist, sie hätte die Million gewonnen, obwohl sie in Wahrheit schon an der 500-Euro-Frage gescheitert wäre.
  • Oder der Reality-TV-Star, der so glaubhaft vermittelt, er könne ein Land regieren, dass ihn dann tatsächlich die meisten Leute wählen.

Dunning-Kruger-Effekt: Unwissenheit macht selbstsicher

Wie sich herausstellt, steckt dahinter System. Genauer gesagt, ein psychologisches Phänomen, das offenbar schon Charles Darwin bemerkt hat, denn ihm wird das Zitat zugeschrieben:

Unwissenheit erzeugt viel häufiger Selbstvertrauen als Wissen. 

In den 1990ern haben die beiden US-amerikanischen Psychologen David Dunning und Justin Kruger sich so intensiv mit dieser Beobachtung und dem Zusammenhang von Selbstwahrnehmung und Kompetenz auseinandergesetzt, dass man Darwins Beobachtung Aufmerksamkeit und um 1999 schließlich auch einen Namen schenkte – naheliegender Weise Dunning-Kruger-Effekt.

Die zwei Sozialpsychologen testeten das Verhältnis von Selbsteinschätzung und Fähigkeit in einem Experiment, bei dem sie ihren Probanden zunächst Aufgaben stellten und sie hinterher dazu befragten, wie gut sie die gestellten Aufgaben wohl bewältigt haben. Das Ergebnis:

  • Die schlechtesten 25 Prozent schätzten ihre Leistungen als überdurchschnittlich gut ein – also als viel besser als in Wirklichkeit!
  • Die besten 25 Prozent schätzten ihre Leistungen zwar als überdurchschnittlich gut ein, allerdings als schlechter, als sie wirklich waren.

So weit, so interessant. Doch damit war das Experiment noch nicht zu Ende. Danach zeigten die Psychologen den Versuchsteilnehmern die Antworten der anderen Probanden. Und jetzt kommt’s:

  • Die besten 25 Prozent korrigierten die Einschätzung ihrer eigenen Leistung nach oben, d. h. sie waren in der Lage, die Fähigkeiten anderer Leute im Vergleich zu ihren eigenen realistisch einzuschätzen.
  • Die schlechtesten 25 Prozent konnten mithilfe der zusätzlichen Informationen leider keine Korrektur vornehmen, sie schätzten sich nach wie vor als überdurchschnittlich ein.

Aufgrund dieser Ergebnisse lässt sich der Dunning-Kruger-Effekt wie folgt zusammenfassen:

  • (auf einem bestimmten Gebiet) unfähige Menschen überschätzen die eigenen Fähigkeiten (auf diesem Gebiet),
  • unfähige Menschen unterschätzen die Fähigkeiten anderer Leute (z. B. Experten),
  • kompetente Menschen unterschätzen die eigenen Fähigkeiten,
  • kompetente Menschen schätzen die Fähigkeiten anderer richtig ein.

Man könnte auch sagen: Wer nie an sich zweifelt und stets der Meinung ist, seine Mitmenschen wären lauter unfähige Versager, darf durchaus mal skeptisch werden – denn laut Dunning-Kruger-Effekt ist vermutlich er in Wahrheit der größte Verpeiler von allen …

Dunning-Kruger-Effekt: Ursache und Wirkung

Natürlich ist dieses Experiment nicht das einzige, was den Dunning-Kruger-Effekt belegt (der sich übrigens auf den Gegenpol zum Hochstapler-Syndrom konzentriert). Auch der gesunde Menschenverstand gibt Darwin, Dunning und Kruger Recht. Um nämlich die eigene Kompetenz in einer Sache einschätzen zu können, brauchen wir letztlich genau die Kompetenz/ Fähigkeit/ Erfahrung, die uns in dieser Sache kompetent macht bzw. die zugehörigen Anforderungen korrekt erfassen lässt. Beispiel: Wenn ich nie auf einem Fußballplatz auf einen Manuel Neuer zugestürmt bin, kann ich auch nicht einschätzen, in welche Richtung der Ball (oder auch ich) fliegen würde, wenn ich drauflos bolze. Bin ich dagegen richtig gut, ahne ich, dass Neuer den Ball abfängt, wenn ich einfach nur schieße, und dass ich mir irgendwas einfallen lassen muss (antäuschen, passen, keinen Plan!), um ihn auszuspielen.

So. Nun kann es uns an sich ja egal sein, ob sich andere überschätzen, doch tatsächlich kann sich der Dunning-Kruger-Effekt natürlich auch auf unser Zusammenleben auswirken. Beispiel: Wer aufgrund von Selbstüberschätzung so selbstsicher wirkt, dass er andere von sich überzeugen kann, kann theoretisch und versehentlich mal Macht in die Hände bekommen, die in diesen vielleicht gar nicht mal so optimal aufgehoben ist – soll schon vorgekommen sein! 

Andere Folgen des Dunning-Kruger-Effekts sind etwa:

  • Beharren auf einer Meinung bis hin zur Radikalisierung
  • Verunsicherung von fähigen Menschen/ Experten
  • Unbelehrbarkeit und damit einhergehende Behinderung oder Nachteile anderer

Dunning-Kruger-Effekt: Das können wir von unfähigen Menschen lernen

Zugegeben: All das verleitet vielleicht ein bisschen dazu, sich mit der Hand an die Stirn zu schlagen und sich über “all diese dummen Menschen zu wundern, die sich selbst überschätzen, obwohl sie nichts drauf haben”. Doch Vorsicht: Es handelt sich beim Dunning-Kruger-Effekt um ein natürliches, menschliches Phänomen, das uns alle betreffen kann – schließlich ist jeder in gewissen Bereichen total blank. (Oder würdest du hundertprozentig ausschließen, dass du deine Potenziale hier und da etwas besser einschätzt, als sie wirklich sind? Und wenn ja, was haben wir hier gerade über Selbsteinschätzung und -sicherheit gelernt …?) Ein Stück weit ist der Dunning-Kruger-Effekt nämlich auch Selbstschutz: Man stelle sich nur mal vor, wie unglücklich wir wären, wenn wir stets klar und deutlich vor Augen hätten, was wir alles NICHT können!

Außerdem: Streng genommen, beweisen sowieso diejenigen die größte Unfähigkeit, die den Dunning-Kruger-Effekt kennen und sich an die Stirn schlagen, anstatt daraus Konsequenzen zu ziehen und etwas zu lernen! Uns sind jedenfalls folgende fünf Lektionen sofort in den Kopf geschossen: 

  1. Wer an sich und ihren Fähigkeiten zweifelt, hat vermutlich mehr drauf, als sie denkt.
  2. Wenn jemand eine andere Meinung hat als wir, heißt das nicht, dass wir falsch liegen.
  3. Wir können noch so gut in etwas sein – Selbstsicherheit gewinnen wir dadurch nicht unbedingt, denn unser Selbstwertgefühl stärken wir nicht mit Leistung und Erfolg.
  4. Selbstsichere Menschen sind nicht automatisch vertrauenswürdig.
  5. Niemand muss alles können, um glücklich und von sich selbst überzeugt zu sein – schließlich gelten für uns alle dieselben Regeln!

Aber mit Sicherheit gibt es noch weitaus mehr …!

Source: Aktue