Grenzen setzen: Wie du gesunde Grenzen aufrechterhältst

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Grenzen setzen ist eine Kunst, die uns die Freiheit gibt, unser inneres Gleichgewicht zu bewahren. Doch dies erfordert Mut, Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich manchmal unbequem zu zeigen. 

Grenzen schützen deinen persönlichen, mentalen Raum wie Zäune, die Nachbarhäuser voneinander trennen. Grenzen zu setzen, kann jedoch eine Herausforderung sein. Für die Festlegung deiner persönlicher Grenzen in Beziehungen, Freundschaften oder beruflichen Bekanntschaften, musst du zunächst deine Bedürfnisse erkennen. Wenn du klar, deutlich und unumwunden für dich selbst eintrittst, kannst du dein geistiges, emotionales und körperliches Wohlbefinden mithilfe von Grenzen schützen. Doch was, wenn man das Grenzen setzen in der Kindheit nicht erlernt oder im Laufe des Lebens verlernt hat? 

Was sind Grenzen?

In verschiedenen Bereichen unseres Lebens gilt es, Grenzen zu setzen, um unser Wohlbefinden zu wahren. Sie definieren akzeptables und inakzeptables Verhalten und tragen dazu bei, ein Gefühl von Autonomie, Fairness und Vertrauen zwischen Menschen zu schaffen. Viele von uns haben je nach Situation eine Mischung aus Grenzen. So kann es sein, dass du bei der Arbeit strenge Grenzen hast und zu Hause oder bei der Familie und Freunden eher lockere. Je nach Kultur kann es außerdem unterschiedliche Grenzen geben. Man unterscheidet in drei verschiedene Arten von Grenzen:

  • Starre Grenzen sind streng und unflexibel. Diese Grenzen können manchmal ein Gefühl der emotionalen Distanz in Beziehungen erzeugen. Menschen mit starren Grenzen können Schwierigkeiten haben, enge Beziehungen zu knüpfen, und empfinden Empathie und Verständnis als Hürde. 
  • Klare Grenzen sind wohldefiniert und werden effektiv kommuniziert. Sie ermöglichen ein gesundes Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Verbundenheit in Beziehungen und fördern den gegenseitigen Respekt und das Verständnis zwischen den Menschen. 
  • Offene Grenzen sind eher durchlässig und flexibel. Personen mit offenen Grenzen haben ein fließendes Gefühl für ihren persönlichen Raum und sind anderen gegenüber entgegenkommender. Offene Grenzen können zwar die Integration und Zusammenarbeit fördern, aber das persönliche Wohlbefinden und die Autonomie werden hier oft benachteiligt.

Was passiert, wenn man keine Grenzen setzt?

Als Menschen haben wir unsere eigenen Gedanken, Erinnerungen und Erfahrungen, die manchmal mit denen eines anderen Menschen nicht übereinstimmen. Gesunde Grenzen helfen uns, diesen Abstand zu erkennen und zu wahren. Während Sicherheitsalarme in Häusern signalisieren, wenn physische Grenzen überschritten werden (zum Beispiel bei einem Einbruch), musst du dir dein eigenes internes Alarmsystem bauen, um festzustellen, wann deine emotionalen Grenzen verletzt werden. Haben wir jedoch ungesunde Grenzen, sprich nicht vorhandene oder jene, die ständig überschritten werden, löst dies ein Gefühl der Respektlosigkeit, des Misstrauens oder der Angst aus. Die Forschung zeigt auch, dass verschwommene Grenzen insbesondere zwischen Arbeit und Privatleben, mit einem ungesünderen Lebensstil und einem niedrigeren Glücksniveau sowie einem höheren Risiko von Familienkonflikten verbunden sind. 

Woher weiß man, wann eine Grenze überschritten wurde?

Eine der schnellsten Methoden, um festzustellen, ob eine Grenze überschritten wurde, besteht darin, dich zu fragen, wie du dich in einer bestimmten Situation fühlst. Achte auf deine Instinkte. Oft reagiert unser Körper früher als unser Verstand, wenn sich etwas an einer Situation “falsch” oder unsicher anfühlt. Wenn du dich emotional unwohl fühlst oder sogar körperliche Empfindungen wie Übelkeit oder Atemnot verspürst, können dies Anzeichen dafür sein, dass deine Grenze überschritten wurde. 

Vorteile von gesunden Grenzen

  • Vorbeugung von Burnout: Die Festlegung von Grenzen hilft dir, zu vermeiden, dass du dich durch übermäßige Anforderungen überfordert fühlst. Indem du Grenzen setzt und deinen Bedürfnissen Vorrang einräumst, kannst du deine Energie besser einteilen und eine emotionale oder körperliche Erschöpfung vermeiden. 
  • Vermeidung von Groll in Beziehungen: Klare Grenzen ermöglichen es dir, deine Bedürfnisse und Erwartungen zum Ausdruck zu bringen. Diese Klarheit trägt dazu bei, dass kein Groll in Beziehungen aufkommt, weil beide Parteien wissen, was akzeptabel ist und was nicht. Wer Grenzen setzt, kann gesündere und ausgeglichene Beziehungen führen. Hierfür müssen aber beide Parteien eine gesunde Beziehung zu ihren Grenzen und denen des Gegenübers führen. Ist dem nicht so, befindest du dich vielleicht in einer toxischen Beziehung.
  • Gleichgewicht im Leben: Grenzen ermöglichen es dir, deine Zeit und Ressourcen so einzuteilen, dass sie mit deinen Prioritäten und Werten übereinstimmen. Auf diese Weise lässt sich ein Gleichgewicht zwischen Arbeit, Beziehungen, Selbstfürsorge und persönlichen Interessen herstellen, was zu einem erfüllteren und vielseitigeren Leben führt.
  • Mehr Respekt: Gesunde Grenzen vermitteln Selbstrespekt und signalisieren, wie du von anderen behandelt werden möchtest.
  • Selbstfürsorge: Das Setzen von Grenzen ist ein wesentlicher Bestandteil der Selbstfürsorge. Wenn du deinem körperlichen, emotionalen und geistigen Wohlbefinden Vorrang einräumst, kannst du dir Raum für Aktivitäten schaffen, die dir Spaß machen. 
  • Gesunde Selbstwahrnehmung: Die Festlegung von Grenzen zwingt dich dazu, über deine Bedürfnisse und Wünsche nachzudenken. Grenzen fördern deine Selbstwahrnehmung, indem sie dir helfen, deine Stärken und Vorlieben zu erkennen. So tragen sie zu deinem persönlichen Wachstum und zur Selbstakzeptanz bei.

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In welchen Bereichen kann man Grenzen setzen?

  • Physisch: Dazu gehört dein Körper und dein persönlicher Raum. Gesunde Grenzen beinhalten die Autonomie deines Körpers. Ein Beispiel für die Überschreitung körperlicher Grenzen ist, wenn Kindern beigebracht wird, Verwandte bei Familienfesten zu umarmen. Dies kann dazu führen, dass die körperlichen Grenzen geschwächt werden. 
  • Sexuell: Sexuelle Grenzen beziehen sich auf dein sexuelles Selbst und deinen intimen persönlichen Raum. Dazu gehören Entscheidungen über die Art der sexuellen Aktivität, den Zeitpunkt und die Partner:innen. Diese Grenzen werden überschritten, wenn jemand dich zu unerwünschter intimer Zuneigung, Berührung oder sexueller Aktivität drängt.
  • Intellektuell: Dazu gehören deine persönlichen Ideen, Überzeugungen und Gedanken. Eine gesunde Grenze respektiert, dass die Ideen anderer abweichen können. Diese Grenzen werden überschritten, wenn jemand deine Ideen oder Gedanken abweist, herabsetzt oder entkräftet. 
  • Emotional: Zu den emotionalen Grenzen gehören deine Gefühle und persönliche Details. Diese Grenzen werden überschritten, wenn Gefühle oder persönliche Informationen, die du preisgegeben hast, herabgesetzt, heruntergespielt oder ohne deine Zustimmung weitergegeben werden. 
  • Finanziell: Deine Grenzen in Bezug auf finanzielle Ressourcen und Besitztümer werden überschritten, wenn du unter Druck gesetzt wirst, Dinge zu verleihen, zu verschenken oder Geld auszugeben oder zu leihen, obwohl du das lieber nicht tun würdest.
  • Zeit: Wenn man einen Job, Beziehungen, Kinder oder andere Verpflichtungen hat, ist es schwierig, gesunde Zeitgrenzen einzuhalten. Diese Grenzen werden überschritten, wenn andere unangemessene Anforderungen an deine Zeit stellen oder wenn du dir zu viel vornimmst. 

Wie kann man seine Grenzen setzen?

Grenzen kannst du dir als Stoppschilder in deinem Leben vorstellen. Wo du deine Stoppschilder aufstellst und was du als Überschreiten der Grenze betrachtest, hängt von deinen Überzeugungen, Werten, kulturellen Gepflogenheiten und Familientraditionen ab. Hier findest du Tipps, wie du gesunde Grenzen setzen kannst

  • Prioritäten setzen: Das Setzen von Grenzen beginnt damit, dass du dir über deine Prioritäten klar wirst. Frage dich: “Welche Handlungen oder Worte sind nicht verhandelbar?”, und “Welche Regeln will ich nicht brechen?”.
  • Intuition: Die nörgelnde Stimme in deinem Kopf führt dich in die richtige Richtung. Forschende haben erkannt, dass unsere Intuition uns hilft, unbewusste Informationen zu verarbeiten, um bessere und schnellere Entscheidungen zu treffen. Wenn du routinemäßig Einladungen annimmst oder dich trotz negativer Bauchgefühle sehr anstrengst, bedeutet das, dass du hier lieber deine Grenzen überdenken solltest. Hier liest du mehr über die weibliche Intuition.
  • Bedürfnisse: Denke bei der Festlegung von Grenzen – insbesondere in einer Beziehung – daran, dass du die Verantwortung für dein Leben übernimmst. Gib nicht anderen die Schuld an deinen Gefühlen. Konzentriere dich stattdessen darauf, schwierige Umstände als normalen Teil des Wachstums zu akzeptieren. Indem du für dich selbst und deine Bedürfnisse einstehst, löst du deine Erwartungen an das Verhalten anderer. 
  • “Nein” sagen: “Nein” ist ein vollständiger Satz. Das mag für dich vielleicht noch unvorstellbar erscheinen, doch das Setzen gesunder Grenzen beginnt damit, dass du zu dir selbst “Ja” sagst und erst dann überlegst, ob die anderen ein “Ja” oder ein “Nein” bekommen. 
  • “Ich”-Botschaften helfen dir, deine Bedürfnisse und Gefühle mitzuteilen, ohne dein Gegenüber anzugreifen. Oft stürzen wir uns auf “Du”-Behauptungen (“Du hast meine Gefühle verletzt.” oder “Du willst nie irgendwo hingehen.”), wenn wir wütend oder verletzt sind. Das wirkt jedoch anklagend. “Ich”-Botschaften sind wichtig, wenn es darum geht, gesunde Grenzen zu ziehen, denn sie verleihen deinen Bedürfnissen Nachdruck und verhindern, dass du die Grenzen deines Gegenübers durchquerst. 
  • Konsequenz und Kommunikation: Deine Grenzen haben wenig Gewicht, wenn du sie nicht durchsetzt. Versuche, deine Grenzen aufrechtzuerhalten, auch wenn sich das erstmal unbequem anfühlen mag. Kommuniziere außerdem, wenn deine Grenzen überschritten werden. 
  • Beachte die Vorteile: Das Ziehen von Grenzen kann eine erhebliche Umstellung für dich sein, wenn du anderen immer gefallen willst, indem du deine Bedürfnisse zurückstellst. Vielleicht fragst du dich, ob es die Mühe wert ist, deine Grenzen durchzusetzen. People Pleaser zu sein, ist doch so viel einfacher, denkst du dir womöglich. Ist es nicht! Besinne dich in diesen Momenten immer auf die Vorteile, die gesunde Grenzen mit sich bringen. 
  • Respekt: Erkenne die Gefühle und Meinungen der anderen an und setze gleichzeitig deine eigenen Bedürfnisse durch. Höre dir aktiv die Sichtweise der anderen an und teile im Gegenzug deine eigene freundlich und höflich mit. 
  • Zeit für dich selbst hilft dir, der Selbstfürsorge Priorität einzuräumen und deine Energie aufzuladen. Du bist nicht verpflichtet, ständig erreichbar zu sein. Wenn du dich um dich selbst kümmerst, wird dein geistiges, emotionales und körperliches Wohlbefinden gestärkt, sodass du dich in den Beziehungen im täglichen Leben von deiner besten Seite zeigen kannst. 

Warum fällt es mir schwer, Grenzen zu setzen?

Grenzen zu setzen kann aus mehreren Gründen schwierig sein, denn es setzt voraus, dass du dich anerkennst und akzeptierst, dass es in Ordnung und gesund ist, dich um dich selbst zu kümmern und dein eigenes Wohlbefinden in den Vordergrund zu stellen. Im Laufe unseres Lebens werden wir immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen man versucht, uns diese Einstellung auszutreiben – sei es auf der Arbeit, in der Familie oder in anderen Beziehungen. Weitere Gründe, weshalb es dir schwer fällt, Grenzen zu ziehen:

  • Du hast mit einer psychischen Erkrankung wie Depressionen zu kämpfen.
  • Du lebst in einer missbräuchlichen Beziehung.
  • Du hast ein geringes Selbstwertgefühl.
  • Du bist in einem Haushalt mit starren oder gar keinen Grenzen aufgewachsen.
  • Du hast Angst vor Ablehnung oder Verlustangst.
  • Du fühlst dich für das Wohlergehen anderer verantwortlich.
  • Du vermeidest Konflikte oder unangenehme Gespräche.
  • Du verspürst Druck oder Schuldgefühle aufgrund kultureller oder gesellschaftlicher Erwartungen.

Die Grenzen der anderen anerkennen

Es ist nicht nur wichtig, die eigenen Grenzen zu setzen, sondern auch die der anderen zu erkennen. Selbst wenn diese sich von den eigenen unterscheiden. Die Grenzen unserer Mitmenschen stehen ihnen nicht auf der Stirn geschrieben. Deshalb kann es manchmal schwierig sein, diese zu erkennen. Doch trau dich, nachzufragen. Es geht darum, den gesunden Menschenverstand einzusetzen. Du fragst dich, ob du deine Arbeitskollegin zum Geburtstag umarmen darfst? Dann frag vorher nach. Dein:e Partner:in hasst die sozialen Medien? Dann solltest du lieber einmal mehr nachhaken, ob du das gemeinsame Selfie auf Instagram posten darfst. Du wirst sehen: Nach und nach bekommst du ein Gefühl für die Grenzen deiner Mitmenschen und im Gegenzug sind diese auch eher gewillt, deine persönlichen Grenzen zu achten. 

Fazit

Grenzen sind aus verschiedenen Gründen wichtig, bieten viele Vorteile und sehen für jeden Menschen anders aus. Vielleicht befürchtest du, dass sie dich unfreundlich oder abweisend erscheinen lassen. Es ist aber möglich, sie aufrechtzuerhalten, ohne deine Mitmenschen zu verärgern. Im Grunde sind gesunde Grenzen nichts anderes als das tägliche Meditieren oder eine Yoga-Einheit: Sie bringen Selbstfürsorge in unser tägliches Leben. 

Verwendete Quellen:

Source: Aktue