Ilona Maher : "Ich gelte mein ganzes Leben lang als übergewichtig"

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Die US-Rugby-Spielerin Ilona Maher gilt laut ihrem BMI als übergewichtig und erfährt aufgrund dessen regelmäßig Bodyshaming. Wie sie sich dagegen wehrt, macht sie für unsere Autorin zu einem großen Vorbild für Frauen.

Ilona Maher mausert sich gerade zum Star der diesjährigen Olympischen Spiele. Die 27-jährige Rugby-Spielerin hat mit ihrem Team nicht nur sportliche Höchstleistungen erbracht und die Bronze-Medaille für die USA geholt, sie sendet auch noch eine wichtige Message in die Welt: Körper sind unterschiedliche und wenn du nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprichst, bist du dennoch nicht weniger wert.

“Beast, Beauty, Brains”

“Biest, Schönheit, Hirn”. Das steht im Instagram-Profil von Ilona Maher. Drei Attribute, die zunächst widersprüchlich klingen mögen und die wir in unterschiedliche Schubladen packen möchten: Entweder ist eine Frau ein Biest oder schön oder schlau – aber alles zusammen, das funktioniert nicht. So haben wir es gelernt. Die 27-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Gegenteil zu beweisen und gegen die Vorurteile und Stereotype anzukämpfen mit den Frauen häufig konfrontiert sind. Deswegen trägt die Sportlerin mit den breiten Schultern und dem muskulösen Körperbau gern roten Lippenstift auf dem Rugbyfeld, der mittlerweile zu ihrem Markenzeichen geworden ist. “Es schmälert nicht deine sportlichen Fähigkeiten, wenn du Make-up trägst”, erklärt sie gegenüber “CBS Morning”. Sie wolle ihre Weiblichkeit behalten und trotzdem ein “Biest auf dem Platz” sein, so Maher.

Ein Biest ist die Olympionikin auch abseits des Spielfelds. Auf Social Media setzt sie sich fiesen Bodyshaming-Kommentaren zu Wehr und animiert junge Frauen dazu, sich nicht von Schönheitsidealen und Diätkultur unter Druck setzen zu lassen: “Ich habe einen BMI von fast 30, genauer gesagt 29,3 und gelte schon mein ganzes Leben lang als übergewichtig”, erklärt die Olympionikin in einem TikTok-Video und fügt dann hinzu “Der BMI ist für Athlet:innen nicht wirklich hilfreich, weil er nur von der Größe und dem Gewicht ausgeht und was das ausmacht. Ich bin 1,70 Meter groß und wiege 200 Pfund (90 Kilogramm) und ich habe ungefähr 170 Pfund (77 Kilogramm) an reiner Muskelmasse. Aber der BMI sagt nichts darüber aus, was ich auf dem Spielfeld leisten kann oder wie fit ich bin.” 

Ein verstaubtes Relikt 

Die meisten Menschen meinen, dass man Sportlichkeit am Aussehen messen könne. Hast du ein Sixpack, dann bist du richtig fit. Ist dein BMI (Body Mass Index) im Normalbereich, dann bist du gesund. Aber so einfach ist das nicht, wie die Olympischen Spiele unschwer erkennen lassen. “Wenn selbst Profisportlerinnen, die ihr wichtigstes Arbeitsgerät, ihren Körper auf Höchstleistungen trimmen, trotzdem alle unterschiedlich aussehen, dann ist das der beste Beweis dafür, dass es biologische Varietät gibt”, bestätigt auch Kulturwissenschaftlerin Dr. Elisabeth Lechner. 

Zudem sei der BMI, der Menschen in unterschiedliche Gewichtsklassen einteilt – also untergewichtig, normalgewichtig, übergewichtig und adipös – längst überholt. “Der Quetelet-Index (später BMI) wurde im 19. Jahrhundert von Adolphe Quetelet, einem belgischen Statistiker erfunden. Nur über Umwege und den Wunsch der amerikanischen Versicherungswirtschaft, schnell berechnen zu können, in welche Versicherungskategorie jemand fällt, ist der BMI dann viele Jahre später zu einem Maß für Gesundheit geworden.” Dabei sage die Zahl auf der Waage allein rein gar nichts über den Gesundheitszustand eines Menschen aus. Dünn sei nicht notwendigerweise gesund und dick nicht notwendigerweise ungesund, so Lechner.

“Ich habe überall Cellulite”

Ilona Maher weiß das. Bereits Anfang des Jahres teilte sie ein Video, welches sie beim Training zeigt und den Blick auf Dellen an ihren Oberschenkeln freilegt. Auf gehässige Kommentare zu ihrem angeblich unsportlichen Aussehen konterte die Amerikanerin nur: “Ich bin eine professionelle Athletin, ich renne den ganzen und ich hebe Gewicht den ganzen Tag – und so sehen meine Beine aus: Ich habe überall Cellulite. Das ist komplett normal und natürlich […]”. 

Frauen auf ihr Aussehen zu reduzieren und ihnen immer wieder ihre Unzulänglichkeiten vor Augen zu führen kommt vom patriarchalen Bedürfnis, sie möglichst klein halten zu wollen, damit sie keine Gefahr darstellen. “Es gibt keine richtige Art, eine Frau in der von Männern dominierten Gesellschaft zu sein”, weiß auch Lechner, “weil es um Kontrolle geht, weil es darum geht, Frauen von Machtpositionen fernzuhalten. Das geschehe eben zum Teil über diese absurden, unerfüllbaren Ansprüche an ihr Aussehen. Maher nutzt ihre Plattform dafür, ein Vorbild für Frauen zu sein, die wie sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Unermüdlich und mit Humor und Selbstbewusstsein klärt sie auf und kritisiert dabei auch das System, welches insbesondere Athletinnen im Profisport immer wieder auf Körperlichkeiten reduziert. Dabei sollte gerade hier doch die Leistung im Vordergrund stehen und nicht das Aussehen bewertet werden. 

Source: Aktue