Laut Studie: Wie du deine Vergangenheit siehst, beeinflusst vermutlich, wie glücklich du bist

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Was wir in der Vergangenheit erlebt haben, bedingt, wer wir sind und was wir fühlen. Entscheidend sind dabei nicht nur die Erfahrungen an sich, sondern die Art und Weise, wie wir sie interpretieren und bewerten. Besonders unsere Einordnung von Erinnerungen an die frühen Erwachsenenjahre beeinflusse laut einer Studie unser Selbst- und Lebensgefühl.

Unsere Vergangenheit können und müssen wir nicht ändern, deshalb schenken wir ihr im Alltag meist weniger Aufmerksamkeit als Gegenwart und Zukunft. Möchten wir allerdings verstehen, wer wir sind und wieso wir bestimmte Gefühle empfinden, bleibt uns nichts anderes übrig, als auf vergangene Erlebnisse zu blicken. Schließlich haben sie uns geformt. 

Erinnern wir uns an zurückliegende Momente, bekommen wir wiederum eine Handhabe über unsere Vergangenheit: Wir können entscheiden, wie wir sie bewerten und interpretieren. Zum Beispiel könnten wir einen konkreten Streit mit unserer Schwester als harmloses Missverständnis einordnen oder als möglichen Ausdruck eines grundlegenden Konflikts in unserer Beziehung. Wir könnten einen Misserfolg als Versagen betrachten oder als Erfahrung, aus der wir gelernt haben. Wir können wählen, wie wir uns unsere Geschichte erzählen. Da sie Emotionen in uns auslöst, haben wir damit zumindest ein Stück weit in der Hand, wie wir uns fühlen. Zunächst einmal in Bezug auf unsere Erinnerungen, aber darüber hinaus auch gegenüber unserem gegenwärtigen Selbst: Schließlich sind wir der Hauptcharakter in unserer Geschichte.

Unsere Zwanziger sind die erinnerungsreichste Zeit

Besonders wichtig für unsere persönliche Lebensgeschichte scheint unsere frühe Erwachsenenphase zu sein, wie Forschende der Universität Georgia Tech in Atlanta aus einer Studie schlossen. Generell ist die Anfangszeit unseres Erwachsenseins, in etwa unsere Zwanziger, die Episode in unserem Leben, an die wir die meisten klaren Erinnerungen haben. Psycholog:innen nennen dieses Phänomen “Reminiscence Bump”, Erinnerungshügel. Eine Theorie, warum ausgerechnet diese Jahre so starke Eindrücke in unserem Gedächtnis hinterlassen, ist die, dass wir nun viele identitätsbildende Entscheidungen treffen – und dann die Konsequenzen daraus erleben. Zum Beispiel den Antritt unseres ersten Jobs. Oder den Einzug in unsere erste eigene Wohnung. Die Forschenden aus Atlanta verzeichneten bei ihren Testpersonen ebenfalls einen Erinnerungshügel für die Zwanziger.

Insgesamt befragten sie 765 Menschen im Alter von 49 bis 90 Jahren. Zunächst baten sie die Teilnehmenden, die 15 wichtigsten Ereignisse ihres Lebens aufzulisten. Erwartungsgemäß fielen im Schnitt signifikant mehr Ereignisse in das dritte Lebensjahrzehnt als in andere Jahrzehnte. Zu jedem Ereignis sollten die Testpersonen anschließend angeben, wie groß ihr eigener Einfluss, ihre Kontrolle dabei war – auf einer Skala von 1 bis 5. Darüber hinaus erhob das Forschungsteam Daten zur gegenwärtigen Lebenszufriedenheit der Proband:innen sowie zu ihrem aktuellen Empfinden von Selbstständigkeit und Kontrolle. Bei Erwachsenen im mittleren Alter (bis 62) ergab die Auswertung eine spannende Korrelation: Menschen, die sich an ihre frühe Erwachsenenphase als eine selbstbestimmte Zeit erinnern, fühlten sich tendenziell zufriedener und selbstbestimmter. Bei älteren Menschen (ab 62) konnten die Forschenden diesen Zusammenhang zwar nicht feststellen, doch sie sehen die Daten trotzdem als Grund zu der Annahme: Möglicherweise könnte sich die Überzeugung “ich habe meinen Lebensweg selbst gewählt” positiv auf unsere Zufriedenheit und unser Selbstvertrauen auswirken.

Warum es helfen kann, unsere Geschichte zu erzählen

Offensichtlich stellen die Forschenden basierend auf dieser Studie lediglich eine These auf. Die gesicherte Erkenntnis, dass unsere Interpretation unserer Erinnerungshügeljahre später in unserem Leben über unsere Zufriedenheit entscheidet, haben wir aufgrund der Ergebnisse nicht. Zum einen bilden 765 Testpersonen keine besonders große Stichprobe. Zum anderen könnte es zum Beispiel sein, dass Menschen ihre Vergangenheit als selbstbestimmt wahrnehmen, wenn oder weil sie sich glücklich fühlen. Oder dass es einfach besonders typisch für zufriedene Personen ist, sich selbst als für ihr Leben verantwortlich zu empfinden.

Ungeachtet dessen bietet die Untersuchung eine interessante Anregung und kann ein Impuls für uns sein, darüber nachzudenken, wie wir uns unsere Geschichte erzählen. Und was sie mit uns macht. Schließlich wird uns das dabei helfen, den Hauptcharakter unseres Lebens besser zu verstehen – und das kann in vielen Fällen auch zu mehr Zufriedenheit führen.

Source: Aktue