Neurotraining: Sport mit Köpfchen

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Unser Gehirn steuert jede Bewegung. Wie wir das für unser Training nutzen und damit auch Schmerzen lindern können, erklärt die Neuro-Trainerin Luise Walther.

Was unterscheidet das neurozentrierte vom klassischen Training?

LUISE WALTHER: Dass man nicht bei Muskeln, Bändern und Faszien ansetzt, sondern dort, wo Bewegung entsteht: im Gehirn. Wir schauen uns an, welche Prozesse passieren, um eine Bewegung sauber ausführen zu können, und optimieren die Verarbeitung der Informationen im Gehirn. Damit können wir Leistung, Koordination, Gleichgewicht und Kraft verbessern sowie Schmerzen lindern.

Ich muss also nicht mehr wochenlang ins Fitnessstudio rennen?

Nein. Das Faszinierende ist: Man merkt den Effekt sofort. Die Atmung wird zum Beispiel leichter, der Bewegungsradius größer oder die Verspannungen weniger.

Warum hilft das Training überhaupt gegen Schmerzen?

Weil auch Schmerzen vom Gehirn ausgelöst werden. Das Gehirn hat ja eine zentrale Aufgabe: unser Überleben zu sichern. Dafür scannt es permanent die Umgebung und unseren Körper. Es nimmt dabei Informationen auf, verarbeitet sie und sendet Output. Etwa eine Bewegung. Sind die Informationen aber nicht eindeutig, ergreift das Gehirn Schutzmaßnahmen wie Schmerzen, Verspannungen oder Verdauungsprobleme.

Das Gehirn sagt uns damit: Achtung, hier läuft was falsch?

Genau. Und dann schauen wir: Wo liegt das Problem? Bekommt das Hirn die falschen Informationen? Oder interpretiert es sie nur nicht richtig? Wenn man das weiß, kann man mit Übungen dagegensteuern.

Ein Beispiel?

Nehmen wir mal die Augen. Eigentlich sind wir Menschen darauf ausgelegt, in die Ferne zu gucken und dreidimensional zu sehen. Durch die ganze Zeit im Home-office beschränkt sich unser Sichtfeld aber oft auf den Bildschirm. Das führt zu Spannungen im Nacken. Wenn ich jetzt den Arm ausstrecke und meinen Daumen hochrecke, den Arm nach rechts und links bewege und ihn dabei mit den Augen verfolge, merke ich sofort, dass ein größerer Bewegungsradius freigegeben wird und die Muskelspannung abnimmt.

Neurozentrisches Training soll ja auch bei Long Covid helfen …

Das stimmt. Man geht davon aus, dass das Virus über die Blut-Hirn-Schranke ins Stammhirn eintritt. Über Übungen kann man Bereiche im Stammhirn aktivieren, die durch Long Covid betroffen sind, und dadurch die Symptomatik reduzieren. Auch Sauerstoff- und Atem-Verbesserung kann man mit gezielten Übungen angehen und den Körper trainieren, mit weniger Luft auszukommen.

Das 2-Minuten-Programm für den Einstieg

Atmen. Mund geschlossen halten und durch die Nase eine Minute lang ein- und ausatmen. Warum? Die Atmung beeinflusst die Funktion jeder Zelle des Körpers.

Fünf Meter vor- und zurücklaufen. Drei Wiederholungen. Warum? Nimmt die Spannung aus dem Körper und gleicht die vordere und hintere Kette des Oberschenkelmuskels aus.

Stift in die Hand nehmen, Arm ausstrecken und nach oben und unten bewegen. Die Augen verfolgen den Stift, der Kopf bleibt in der Mitte. Warum? Das trainiert die Augenmuskulatur und nimmt Spannung und Verspannung aus der Nackenmuskulatur.

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… in Luise Walthers Buch “Neurozentriertes Training” (176 S., 19,99 Euro, Bodylife Medien) oder auf ihrer Website luisewalther.de

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Source: Aktue