Nie wieder ist jetzt!: Was wir gegen den Rechtsdruck in Deutschland tun können

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In Deutschland stehen wieder Demokratie und Menschenrechte auf dem Spiel. Unsere Autorin fragt sich: Was ist hier los und vor allem, was können wir dagegen tun?

Kürzlich traf ich meine Oma zum Kaffee. Ziemlich schnell kamen wir auf eine Partei zu sprechen, an der man zurzeit kaum vorbeikommt: Die AfD! Meine Oma würde niemals AfD wählen. Viel zu tief sitzen die Nachwirkungen des Krieges in ihren Knochen. Aber die AfD liegt bundesweit bei über 20 Prozent. Es wirkt fast so, als verblassten die Erkenntnisse aus dem Nationalsozialismus zunehmend. Was ist aus #niewieder geworden? Im Laufe des Gesprächs warf meine Oma eine Annahme in den Raum, die mir heute noch zu denken gibt. Sie sagte, früher hätten die Menschen sich für ihr rechtes Gedankengut geschämt, aber das sei heute anders. 

Die AfD – der Feind in unserer Mitte

Es ärgert mich oft, dass unsere Bubble so elitär ist. Es könnten viel mehr Menschen abgeholt werden – die Betonung liegt auf “könnten”. Die Realität sieht nämlich leider anders aus. Während AfD-Mitglieder genau da auftauchen, wo der Boden rissig ist und ihr Saatgut streuen – egal, ob sie mit ihrer unglaublichen TikTok-Präsenz junge Menschen anwerben oder bei Corona-Demos, Bauernprotesten und Co. die Werbetrommeln rühren und den Menschen, die sowieso schon unzufrieden sind, das Gelbe vom Ei versprechen, liest meine Oma einen Text übers Gendern und versteht nur Bahnhof. 

Ich lehne die AfD rundherum ab, verstehe aber, warum sich Menschen von der Partei angesprochen fühlen könnten. Den Spruch “Ich wähle nicht, aber wenn, dann würde ich AfD wählen” habe ich mittlerweile schon häufiger gehört. Und da ich mir in meiner akademisch geprägten Journalist:innen-Bubble selbst Fragen stelle à la “Kann ich zu dem Thema überhaupt etwas sagen?” und “Weiß ich genug über den Sachverhalt?”, möchte ich mit diesem Text versuchen, alle abzuholen, die resigniert denken “Davon verstehe ich sowieso nichts”. Denn es muss nicht jede:r Politikwissenschaften studiert haben, um etwas zum Diskurs beizutragen. 

“Ausländer raus!” heißt jetzt “Remigration”

Es ist der sogenannte “Masterplan”, über den ganz Deutschland gerade spricht, der dank der Arbeit des Rechercheteams von Correctiv aufgedeckt wurde. Im Landhaus Adlon in Potsdam sollen sich im November 2023 AfD-Funktionäre, Unternehmer:innen und rechte CDU-Mitglieder versammelt haben, um Pläne über die Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland zu schmieden. Das betrifft uns alle.  Laut den Berechnungen des Katapult-Magazins geht es um 12.191.000 Menschen. Die beste Freundin, die nette Nachbarsfamilie – mein Opa. Sie alle sollen weg. 

Dass dieser “Masterplan” so viel Aufsehen erregt, ist einerseits gut. Schlecht daran ist, dass die AfD damit rechte Parolen und Nazi-Vokabular wieder gesellschaftsfähig macht. Statt Vertreibung heißt es jetzt zwar vornehm “Remigration” – hört sich vielleicht besser an –, meint aber dennoch die massenhafte Deportation von Menschen nach rassistischen Kriterien. Der Begrifft taucht bereits vermehrt in Debatten auf und ich verwende ihn hier ja auch. Und da schließt sich der Kreis zu dem, was meine Oma gesagt hat. Die Menschen trauen sich jetzt – angestachelt durch die AfD – Dinge zu sagen, die noch vor einiger Zeit unsagbar gewesen wären.

Demos, Petitionen und Co. – was hilft wirklich?

In solch dunklen Zeiten überkommt mich ein Gefühl von Ohnmacht. Dabei können wir auch im Kleinen viel erreichen. Politische Stimmung wird nicht nur in den Parlamenten gemacht, sondern in allen Bereichen des Lebens. So sind in Berlin letzte Woche ungefähr 25.000 Menschen auf einer Demo gegen rechts zusammengekommen, in Köln waren es 30.000, in München 35.000. Demos symbolisieren Zusammenhalt und Zusammenhalt ist jetzt besonders wichtig. Noch wichtiger ist aber, die Welle nicht abebben zu lassen. 

Laut Expert:innen hilft es langfristig am meisten, sich im Alltag klar gegen rechte Aussagen und Anfeindungen zu positionieren. Das kann der rassistische Spruch des Nachbarn sein oder der rechte Witz einer Kollegin. Laut zu sein, erfordert Mut. Doch manchmal hilft es schon, eine Gegenfrage zu stellen, um die Person zum Nachdenken anzuregen. Auf “Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg!” könntest du beispielsweise fragen, was der Person dieses Gefühl gibt. Wenn du dich allein nicht traust, etwas zu entgegnen, kannst du in die Runde sprechen und so Zustimmung und Unterstützung durch Gleichgesinnte suchen. Sich lautstark für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen, ist das Gebot der Stunde – und der Zukunft. 

Verwendete Quellen: spiegel.de, tagesschau.de, correctiv.org, katapult-magazin.de, tagesspiegel.de

Source: Aktue