Olympia-Siegerin Malaika Mihambo: "Ich passe nicht in europäische Schönheitsideale"

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Malaika Mihambo ist Olympia-Siegerin und zweifache Weltmeisterin im Weitsprung. Abseits der Sprunggrube interessiert sie sich für die Umwelt und meditiert regelmäßig. Mit uns spricht sie über Achtsamkeit und die Sichtbarkeit von People-of-Colour.

Sie ist eine der erfolgreichsten Sportlerinnen Deutschlands: Malaika Mihambo ist zweifache Weltmeisterin im Weitsprung und wurde bereits drei Mal zur Sportlerin des Jahres gekürt. In Tokio gewann die Heidelbergerin 2021 bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille – und tritt auch 2024 in Paris wieder an. Als Sponsor der Spiele begleitet Procter & Gamble (bekannt u.a. durch die Marken Ariel, Pampers und Gillette Venus) die Athletin auf ihrer “Road to Paris” im nächsten Sommer.

Nebenbei studiert die Spitzensportlerin Umweltwissenschaften im Master und veröffentlichte im Oktober ihr erstes Buch “Spring dich frei: Mein Weg zur Achtsamkeit und inneren Stärke”. Wie sie das alles unter einen Hut bekommt – und dabei Höchstleistungen erzielt – verrät uns die 29-Jährige im exklusiven Interview. Als Person-of-Colour macht sie sich außerdem gegen Rassismus stark und erklärt, wie wichtig die Sichtbarkeit der eigenen Gruppe ist.

Malaika Mihambo im exklusiven BRIGITTE-Interview 

BRIGITTE: Wie gehst du bei großen Wettkämpfen mit dem mentalen Druck um, abliefern zu müssen?
Malaika Mihambo: Natürlich habe ich als Leistungssportlerin immer den Anspruch auf Höchstleistungen. Jeden Tag. Gleichzeitig versuche ich, möglichst frei und ohne Erwartungen in große Wettkämpfe und vor allem in die Olympischen Spiele zu gehen, weil ich weiß: Ich habe in meinem Sportlerinnenleben schon alles erreicht, was man sich vorstellen und wünschen kann. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Mein Ziel ist es, einfach mein Bestes zu geben, einen guten Wettkampf zu machen und am Ende sagen zu können, dass ich an diesem Tag meine Höchstleistung gebracht und alles gegeben habe.  

Ihre Geheimwaffe im Wettkampf ist die Meditation

Seit 2018 meditierst du regelmäßig und machst Übungen zur Achtsamkeit. Was haben Sport und Achtsamkeit für dich miteinander zu tun? 
Um meine eigene Mitte zu finden und zu halten, ist es für mich wichtig, dass ich meditiere. Das praktiziere ich bereits seit sehr vielen Jahren. Außerdem betreibe ich intensiv Selbstreflexion. Es hilft mir, bei mir zu sein und zu mir zu kommen. Das macht auch meine Stärke im Wettkampf aus: Dass ich immer wieder zu mir selbst und vor allem in den Moment zurückfinden kann und nicht daran festhalte, ob ich jetzt vielleicht einen oder sogar zwei schlechte Versuche gemacht habe. Dann gibt es für mich weder Vergangenheit noch Zukunft, sondern nur diesen einen Moment. 

Nur, wenn man permanent an sich arbeitet, kann man besser werden – das gilt für das körperliche Training wie auch für das Mentaltraining. Das ist im Sport so, aber auch in allen anderen Belangen des Lebens. Achtsamkeit, Selbstreflektion, Fleiß und Disziplin und der Wille zur Arbeit an sich selbst sind sehr gute Begleiter auf dem Weg zu Höchstleistungen.  

Du studierst Umweltwissenschaften, hast ein Buch geschrieben, nimmst an Olympia teil. Wie bekommt man das alles unter einen Hut?
Das stimmt. Ich bin nicht nur Leistungssportlerin, sondern auch Studentin im Masterstudium Umweltwissenschaften. Ich bekomme das alles unter einen Hut, weil ich mich für die Themen begeistere und durch den Leistungssport schon sehr früh gelernt habe, Prioritäten zu setzen. Ich glaube, dass uns jetzt in der modernen Gesellschaft immer wieder bewusst wird, wie wichtig unsere Umwelt ist und dass wir im Einklang mit der Umwelt leben. Mir gefällt es, wenn ich neben dem sportlichen und körperlichen auch einen geistigen Ausgleich habe. 

Deswegen ist die Sichtbarkeit der eigenen Gruppe so wichtig

Beim Sport liegt der Fokus auf dem Körper. Wie wohl hast du dich früher in deinem Körper gefühlt?
Ich habe mich immer wohl in meinem Körper gefühlt. Anders war es mit den klassischen europäischen Schönheitsidealen, in die ich einfach nicht hineinpasste. Immerhin gibt es heutzutage diversere Schönheitsideale und mehr Sichtbarkeit für Menschen abseits des Mainstreams. 

 

Gab es konkrete Situationen, die dein Selbstwertgefühl negativ beeinflusst haben?
Nein, zum Glück nicht. Es war eher ein unterschwelliger Prozess. Beispielsweise gab es in vielen Kindersendungen und Büchern keine People-of-Colour-Charaktere oder Hauptcharaktere. In Teenie-Magazinen suchte man vergeblich nach Tipps zur Haarpflege oder Frisuren für Afrohaar. In Zeitschriften fanden sich nur selten asiatisch oder afrikanisch anmutende Models. Wenn die Sichtbarkeit der eigenen Gruppe innerhalb einer Gesellschaft fehlt, dann macht das was mit den Menschen.

Wenn wir unsere Worte und Taten besser selbstreflektieren und uns für die Rechte aller gleichermaßen stark machen, dann können wir aktiv dazu beitragen, die Gesellschaft zu einem Ort zu machen, wo sich alle wohl fühlen und frei entfalten können, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Geschlechteridentifikation.

Wie gehst du inzwischen mit Alltagsrassismus um?
Erst einmal ist es wichtig zu betonen, dass Begrifflichkeiten wie “Alltagsrassismus” schon vermieden werden sollten, weil sie suggerieren, dass Rassismus zum Alltag gehört und als fester Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens verankert ist. Ich denke, die Frage ist weniger, wie ich persönlich mit Rassismus umgehe, sondern wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Denn im Grunde ist jede:r beteiligt am Rassismus – entweder als Opfer, Täter oder Zuschauer. Wir als Gesellschaft erlauben also das dieser stattfindet. Letztendlich hilft es, bei sich anzufangen: Jede:r darf sich fragen: Wann war ich das letzte Mal Täter oder Zuschauer und was kann ich beim nächsten Mal besser machen? 

Wenn wir unsere Worte und Taten besser selbstreflektieren und uns für die Rechte aller gleichermaßen stark machen, dann können wir aktiv dazu beitragen, die Gesellschaft zu einem Ort zu machen, wo sich alle wohl fühlen und frei entfalten können, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Geschlechteridentifikation.

Source: Aktue