Psychologie: Brauchen wir wirklich eine Freundschaftstherapie?

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Selbst in den längsten Freundschaften können wir auseinanderdriften. Wegen der Arbeit, dem Wohnort, einer Partnerschaft, der Familie … Oftmals fällt es uns schwer, das anzusprechen oder wir haben das Gefühl, uns im Kreis zu drehen, wenn wir es tun. Doch braucht es direkt eine Therapie? 

Du fühlst dich nicht gehört oder gesehen – deine Freundin oder dein Freund merkt aber nicht einmal, dass etwas nicht stimmt. Du hast etwas für dich total Aufregendes zu erzählen, darauf wird aber nicht weiter eingegangen und direkt mit einer eigenen Geschichte gekontert? – Es gibt viele mögliche Gründe, warum eine Person sich nicht wertgeschätzt in einer Freundschaft fühlt. Leider ist es oft so, dass diese das eine ganze Weile mit sich herumträgt, bis es zum Kontaktabbruch oder Streit kommt.

Verhaltensweisen, die uns verletzen oder zuwider sind, können uns selbst in langen Freundschaften zusetzen. Sie können uns entfremden, wenn wir nicht bereit sind, darüber zu sprechen. Gerade wer sich gut und lange kennt, erwartet oft mehr von dem:der anderen als in einer frischen Freundschaft. Eher selten kommunizieren wir aber unsere Wünsche und Vorstellungen an die Beziehung – und häufig verrennt sich eine Person in dem Anspruch, den er:sie unausgesprochen an den:die andere hat. Brauchen wir sie also wirklich, die Freundschaftstherapie?

Schwierige Gespräche mit Freund:innen meistern

Ja, ihr seid erwachsen. Ja, ihr kennt euch gut. Aber oft ist es schwer, die Fehler im eigenen Verhalten zu erkennen und zu akzeptieren. Gerade dann, wenn die Aussagen von einer Person kommen, mit deren Verhalten wir selbst unzufrieden sind. Der allererste Tipp in einer kriselnden Freundschaft: Nicht darüber zu schreiben. Wer Probleme mit Freund:innen hat, sollte sich, wenn möglich, zusammensetzen. Denn beim Schreiben gibt es viel Interpretationsspielraum. Und was von einer Seite neutral gemeint war, ist für die andere ein direkter Angriff.

Wir brauchen den Tonfall einer Person häufig, um eine Situation richtig einzuschätzen. Denn wenn wir mit einer negativen Voreinstellung einen Text lesen, wird dieser für uns oft negativer klingen. Wer wegen unterschiedlicher Wohnorte nicht an einem Platz zusammenkommen kann, telefoniert besser im ersten Schritt oder macht einen Videoanruf. Aber nicht mal eben zwischendurch. Sondern an einem Termin, an dem ihr beide Zeit und die Ruhe dafür habt. 

Ihr könnt vorab auch gewisse Grundlagen festlegen, die euch helfen:

Aktives Zuhören

Wann kann eine Freundschaftstherapie Sinn machen?

Wenn ihr merkt, dass ein Gespräch nicht gegen eure Unzufriedenheit hilft, braucht ihr vielleicht neue Kommunikationstechniken. Diese könntet ihr mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten üben. Denn wir wissen oft schon ganz viel. Doch etwas gelesen und verstanden zu haben, ist oft etwas ganz anderes als das Wissen auch anzuwenden. Das gilt beispielsweise für aktives Zuhören als auch Perspektivwechsel mit deinem:deiner Freund:in.

Eine Freundschaftstherapie kann euch einen sicheren Raum geben, um miteinander zu sprechen. Die außenstehende Person achtet darauf, dass ihr beide zu Wort kommt und über das Gesagte reflektiert. Sie hilft euch, die Situation und die Hintergründe des:der anderen zu verstehen – und damit, weshalb ihr euch überhaupt in dieser Lage befindet. Eine Therapie hilft euch, eure eigenen Gedankengänge zu verstehen und unterstützt euch dabei, an gesünderen Verhaltensweisen zu arbeiten.

Warum wir an Freundschaften arbeiten sollten

Gesunde Freundschaften sind gut für unsere mentale Gesundheit. Sind wir mit dieser unzufrieden oder befinden wir uns in einem Streit, geraten all die schönen Momente, die wir erlebt haben, oft in Vergessenheit. Es kann Sinn machen, sich diese wieder in Erinnerung zu rufen. Erinnert euch gemeinsam an kleine Trips, die ihr unternommen habt, lustige Filmabende oder den entspannten Nachmittag mit Tee und Kuchen zu zweit. Versucht die negativen Gedanken mit den nostalgisch-schönen auszugleichen. Wenn der Kontakt immer mehr schwindet, könntet ihr euch vornehmen, monatlich zu telefonieren oder euch zu treffen.

Freundschaften verbessern unseren Alltag, sie helfen uns dabei, uns selbst besser zu verstehen. Sie haben gesundheitliche Vorteile – mental als auch physisch. Denn unsere Freund:innen sind oft diejenigen, mit denen wir rausgehen und etwas unternehmen. Sie sind für uns da, sie motivieren uns, sorgen für mehr Selbstbewusstsein. Sie können uns ebenfalls helfen, weniger gestresst zu sein. Psychologische Forschung geht davon aus, dass eine gesunde, stabile Freundschaft ausschlaggebend für ein langes und zufriedenes Leben ist. Laut der amerikanischen psychologischen Gesellschaft (APA), erkranken Menschen mit engen Freund:innen außerdem seltener an Depressionen oder Angststörungen.

Verwendete Quellen: thriveworks.com, verywellmind.com, apa.org, mhanational.org

Source: Aktue