Psychologie: Was wir von 100-Jährigen über eine starke Psyche lernen können

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Eine großangelegte Studie aus der Schweiz gibt Einblick in den Gemüts- und Gesundheitszustand von Menschen, die 100 Jahre alt geworden sind. Dabei liegt ein großer Fokus auf ihrer Resilienz.

Wie ist es wohl, 100 zu werden? Zehn Dekaden zu erleben, das wünschen sich viele, aber nur die wenigsten erreichen die magische 100. Wie geht es uns, wenn wir tatsächlich 100 werden? Sind wir entspannter, gestresster, haben keine Lust mehr?

Genau mit dieser Fragestellung hat sich eine Langzeitstudie in der Schweiz beschäftigt, die sogenannte “Swiss 100”-Studie. Zwischen 2020 und 2024 wurden dafür mehr als 1.600 100-Jährige im Land befragt, zunächst telefonisch und später auch bei persönlichen Treffen mit den Forschenden. Auf drei Frauen in der Studie kam übrigens nur ein Mann, im Schnitt waren die Befragten stolze 102 Jahre alt. Und zwei von drei der 100-Jährigen lebten im Pflegeheim.

Studie: Wie gut geht es 100-Jährigen?

Aber wie ist es nun um die psychische sowie körperliche Gesundheit der Befragten bestellt? Zunächst einmal wie erwartet: Mehr als jeder Zweite fühlte sich laut den Studienergebnissen oft oder sehr oft gesundheitlich eingeschränkt. Bei tatsächlich schlechter Gesundheit sahen sich aber wiederum nur acht Prozent der Teilnehmenden.

Jede vierte Person sah in ihrem Leben kaum noch einen Sinn, aber vier von fünf Befragten waren ziemlich oder sehr zufrieden mit ihrem Leben. Das mag zunächst paradox klingen, aber die körperlichen Einschränkungen, denen viele Menschen in diesem hohen Alter ausgesetzt sind, lassen vielleicht ein wenig Verständnis dafür aufkommen, dass die Sinnhaftigkeit in der elften Lebensdekade weniger klar ist – auch wenn man trotzdem noch zufrieden ist.

100-Jährige sind offenbar resilienter als Jüngere

Depressionen sind in dem Alter allerdings kein großes Thema. “Dies belegen verschiedene 100-Jährigen-Studien”, erklärt Prof. Dr. Daniela Jopp, verantwortliche Psychologie-Professorin und Altersforscherin der Forschungsarbeit. Die US-amerikanische Fordham-Studie aus New York etwa zeigte, dass 100-Jährige selten an Depressionen leiden. In einer Heidelberger Studie waren mehr als 80 Prozent der 100-Jährigen zufrieden mit ihrem Leben.

Die Resilienz der Menschen über 100 sei sehr hoch, sie können also in der Regel gut mit mentalen Belastungen umgehen. Das liegt laut Daniela Jopp an ihrer Herangehensweise: “Ältere Menschen setzen eher auf kognitive Strategien, mit denen sie ein Problem umbewerten”, erläutert sie. “Sie konzentrieren sich nicht auf ihren womöglich schlechten Gesundheitszustand, sondern eher darauf, dass sie am Leben sind – und schätzen dies.”

100-Jährige sind offenbar auch optimistischer als die Altersgruppe zwischen 80 und 95. Das könnte ebenfalls daran liegen, dass Menschen eine gewisse Ruhe und Entspanntheit erreichen, wenn sie die große 100 erst einmal geknackt haben.

Die richtige Einstellung: Was wir von 100-Jährigen lernen können

Aber was führt überhaupt dazu, dass Menschen so alt werden? Laut Jopp liegt das einerseits an den Genen und an einem gesunden Lebensstil, aber auch an der Einstellung der Älteren. Denn Menschen, die sehr alt werden, sind laut Jopp eher positiv, extrovertiert und diszipliniert. “Sie ärgern sich nicht über Verlorenes, sondern freuen sich über Gebliebenes.”

Unsere Gene können wir natürlich nicht beeinflussen und auch unsere psychische Gesundheit per se nur bedingt. Ob wir also beispielsweise eine Neigung zu Angststörungen oder Depressionen haben, liegt nicht in unserer Hand, nur der Umgang damit.

Aber genau hier scheint der Knackpunkt zu liegen: Die meisten 100-Jährigen, die in der Schweizer Studie befragt wurden, legen offenbar Wert auf eine positive Einstellung. Sie sind bewusst dankbar für das, was sie noch haben, anstatt sich über das zu grämen, was eben nicht mehr da ist. Und genau das können – und sollten – wir doch auch schon in jüngeren Jahren verinnerlichen.

Source: Aktue