Psychologie: Wie wir alle ein bisschen Weisheit erlangen können

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Weisheit geht mit hohem Alter einher, mit Weitsicht und Güte. Die Forschung zeigt: Sie kommt mit den Jahrzehnten nicht einfach über uns – aber wir können etwas dafür tun, um sie zu erlangen. 

Wenn ich mir die personifizierte Weisheit vorzustellen versuche, sehe ich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer vor mir, Mahatma Gandhi, Mutter Teresa, Toni Morrison, Meister Yoda. Jemanden, der Wärme, Integrität und eine über alles erhabene Klugheit ausstrahlt und der die Petitessen des Lebens hinter sich gelassen hat. Die “Stiftung Bildung” beschreibt  weise Menschen so: 

“Sie haben ein tiefes Wissen über das Leben und können schwierige Probleme in ihrer ganzen Komplexität erfassen. Sie sind in der Lage, ihre Erfahrungen zu reflektieren, um eine gute Lösung zu finden. Sie halten Widersprüche aus und gehen klug mit ihnen um.”

Außerdem wichtig: Sie sind voller “mitfühlender Liebe für andere Menschen”, wie die US-amerikanische Soziologin Monika Ardelt es ausdrückt. 

Offenheit und Empathie sind der Schlüssel

Weisheit ist eine Qualität, die wir im Alter alle gerne erlangen möchten. Doch schon im Verb “erlangen” steckt zwar keine Weisheit, aber eine Wahrheit. Denn die Weisheit kommt nicht einfach zu uns, wenn wir einige Jahrzehnte Leben hinter uns gebracht haben. Weisheit will in einem lebenslangen Prozess entwickelt und kultiviert werden. 

Doch was können wir dafür tun, um altersweise zu werden? Das Team um den Weisheitsforscher Paul B. Baltes ging davon aus, dass Menschen schon ab einem Alter von 20 bis 25 Jahren die erste Stufe von Weisheit erreichen können, wie Stefanie Maeck bei GEO schreibt. Die Grundlagen seien dann bereits angelegt, müssten jedoch weiterentwickelt werden, damit sie nicht verkümmerten.   

Wer Weisheit erlangen will, braucht laut Forschung eine offene Einstellung gegenüber den Herausforderungen des Lebens. Denn Weisheit erfordert die Fähigkeit, Erlebtes mit Gelassenheit und Weitsicht einzuordnen und zu reflektieren. Wie eingangs erwähnt, ist auch Empathie ein wichtiger Faktor, also die Fähigkeit, sich in andere Menschen einfühlen und ihre Positionen einnehmen zu können. Laut dem Psychoanalytiker Erik H. Erikson ist Weisheit “das Produkt einer distanzierten, aber aktiven Beschäftigung mit dem Leben.”

Was heißt das konkret? Die österreichische Psychologin Judith Glück hat mit ihrer US-amerikanischen Kollegin Susan Bluck das “MORE Life Experience Model” entwickelt, das die vier zentralen psychischen Kompetenzen beinhaltet, die uns dabei helfen, Weisheit zu erlangen: 

  1. M wie Mastery, also ein souveräner Umgang mit der Ungewissheit und Unkontrollierbarkeit des Lebens
  2. O wie Offenheit für Neues
  3. R wie Reflektivität, also die Fähigkeit, über sich selbst, seine Gedanken, Gefühle und Handlungen zu reflektieren
  4. E wie Emotionsregulation und Empathie 

Wenig überraschend ist Weisheit nicht so einfach zu erlangen wie ein Diplom, das uns Fachwissen und ein gewisses Maß an Intelligenz abverlangt. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines lebenslangen Prozesses, den wir zu einem gewissen Maß mitgestalten können. Und auch, wenn wir nie Meister Yoda sein werden – es kann uns nur nützen, all die wertvollen Fähigkeiten zu kultivieren, die es braucht, um Weisheit zu erlangen: Weise Menschen waren ein Leben lang besonnen, neugierig, flexibel und fähig, aus Rückschlägen zu lernen und sich und anderen zu verzeihen. 

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