Tschüss, alte Schule: "Wetten, dass ..?" deutsches Entertainment mehr kann?

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Nach der letzten Sendung “Wetten, dass ..?” wird heftig spekuliert. Geht es doch weiter und wenn ja, mit wem? Soll ein Mann, eine Frau oder ein Duo moderieren? Falls es weitergehen sollte, wünsche ich mir Entertainment ohne veraltete Allüren.

Die vielleicht letzte “Wetten, dass ..?” Sendung lief am 25. November 2023 – und schon jetzt ist eine eventuelle Nachfolge von Thomas Gottschalk in aller Munde. Große Namen wie Entertainerin Barbara Schöneberger oder das Duo Joko & Klaas wurden bereits in einer “t-online”-Umfrage in den Raum geworfen. In dieser lag die Entertainerin mit 23,9 Prozent in den Umfragewerten ganz vorn. Und auch ich würde mich über eine Frau an der “Wetten, dass..?”-Front freuen. Doch gleichzeitig wünsche ich mir, dass bei einer solchen Entscheidung mehr einfließt als bloße Fernseherfahrung.

Das Großeltern-Enkel-Programm

Wenn ich an “Wetten, dass..?” denke, erinnere ich mich an gemeinsame Abende mit meinen Großeltern. Wir haben immer gern zusammen die Wetten gesehen und uns über die spannenden Prominenten gefreut. Es hat internationale Stars für mich noch spannender und für sie noch nahbarer gemacht. Von Jennifer Lopez, Michael Jackson, Whitney Houston oder Take That bis hin zu Pharrell Williams – viele Weltstars kamen für die Sendung nach Deutschland.

Nach dem Unfall von Samuel Koch 2010 war es für mich mit der Sendung vorbei, für viele meiner Familienmitglieder ebenfalls. Was danach in der Sendung passierte, bekam ich nur am Rande in Meldungen der Medien mit. Zuletzt kam vor allem Kritik an dem wenig zeitgenössischen Auftreten des Moderators und seinen Vorgängern. Denn was früher noch “charmant” und “unterhaltsam” war, stößt heute vielen Menschen auf – mir ebenso.

Mehr Kritik als Lob für die Entertainer

Nach der vermeintlich letzten Sendung, habe ich viel negative Kritik gesehen. Thomas Gottschalk habe sich unreflektiert gezeigt, sich sexistisch verhalten. Und die Sendung war nicht inklusiv, wie sich bei dem jungen Wettteilnehmer Felix zeigte, der in seinem Rollstuhl nicht zu den Stars konnte, da keine Rampe über die Stufen zum Sofa führte. Etwas, dass man sich im Vorhinein hätte überlegen können.

Mit den Worten “Du sitzt zwar im Rollstuhl, aber du bist ein aufgewecktes und lustiges Kerlchen”, begleitet Thomas Gottschalk den Jungen zu seinem Wetteinsatz “Man hat das am Anfang gar nicht richtig gemerkt, dass du an den Rollstuhl den ganzen Tag gefesselt bist.” – Menschen mit Behinderung kritisieren zurecht in den Sozialen Medien, dass dieser Einstieg impliziert, dass es erstaunlich sei, wenn Menschen im Rollstuhl “aufgeweckt und lustig” seien und dass der Rollstuhl etwas Schlechtes sei, obwohl er ein Hilfsmittel darstellt und kein Problem.

Das Verhalten gegenüber den weiblichen Promis der Show wird ebenfalls kritisiert – wie schon viele Male zuvor. Beispielsweise äußerte Gottschalk, man würde Shirin David weder ihre Vorliebe zu Opern noch ihr Dasein als Feministin ansehen. Die Rapperin konterte aber ganz wunderbar: “Als Feministinnen können wir gut aussehen und wir können klug sein und eloquent und wunderschön zugleich. Das eine schließt das andere nicht aus.” Schön waren in diesem Moment auch die Reaktionen aus dem Publikum mit grinsenden Gesichtern und Jubelrufen. Noch ein Grund mehr, warum es bei “Wetten, dass ..?” mehr empowernde und reflektierte Worte braucht. Fehler räumte Gottschalk aber nicht ein und schloss die Sendung mit den Worten: “Bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt: ‘Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert’, dann sag ich lieber gar nichts mehr.”

Können wir uns bitte wieder auf das Positive fokussieren?

Für mich war “Wetten, dass ..?” ursprünglich eine Sendung, die große Hollywood-Größen und andere Weltstars in Deutschland zusammenbrachte. Eine Show, die für Kreativität und Humor stand. Die Groß und Klein Spaß machte. Heute bin ich mir dabei aber längst nicht mehr so sicher. Immer wieder wurde das Verhalten von Entertainer Gottschalk belächelt und abgetan. Das gehöre eben zu einem Mann seiner Generation. Das sei eben der Thomas. Im Endeffekt ist das das Gleiche wie zu sagen, dass “Jungs eben Jungs sind”, wenn sie sich schlecht benehmen. 

Reflexion kann man lernen, wenn man das will. Genauso, wann das eigene Verhalten angebracht ist und wann nicht. Mir ist es egal, ob ein Mann, eine Frau, ein Duo oder eine nonbinäre Person “Wetten, dass ..?” moderieren würde, wenn es weitergehen sollte. Solange sie empathisch und respektvoll mit den Teilnehmer:innen der Show umgehen kann und kritikfähig ist. Viele Entertainer:innen beweisen heutzutage, dass man unterhaltsam sein kann, ohne Grenzen zu überschreiten. Können wir uns ein Vorbild daran nehmen und die richtigen Werte im Fernsehen zeigen?

Jegliche Generationen könnten davon profitieren, wenn sich das lineare Fernsehen dem gegenwärtigen Zeitgeist anpasst. Wer als Kind mit den Großeltern ein unterhaltsames Abendprogramm gucken möchte, würde nicht lernen, dass Frauen auf ihr Äußeres reduziert werden dürfen, wenn das vermeintlich charmant oder witzig gemeint ist. Oder angefasst. Das Küssen ohne Zustimmung erlaubt ist, wenn es für einen Witz gedacht ist. Dass auch eine gewisse Berühmtheit einen nicht vor solchen Späßen schützt. Nur mal, um ein paar Dinge zu nennen, die mir in der Vergangenheit begegnet sind. Und nicht an all diesen Dingen trug Thomas Gottschalk die Schuld. Es wäre jedoch schön, wenn in Zukunft gesunde Werte vorm Fernseher und bei den Stars ankommen würden – und nicht ein “alles ist erlaubt, weil sich hier eh nichts ändert”.

Source: Aktue