Wackelt der Zahn, wackeln die Wände: Zahnlückenpubertät: Ist das echt mein Kind?

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Na, auch ein Zahnlückenmonster zuhause? Unserer Autorin hatte irgendwie niemand gesagt, dass mit den Zähnen auch die Seele wackelt. Hat sie dann selbst gemerkt. Subtil ist die Zahnlückenpubertät nämlich NICHT.

Es ist blöd, wenn einen etwas ereilt, von dessen Existenz man nicht mal wusste. Zahnlückenpubertät? Nie gehört! Aber dass es sie wirklich gibt, davon bin ich mittlerweile überzeugt. Mit zwei Kindern im Vorschulalter kann man mich im Grunde als führendes Forschungsinstitut in Sachen Wackelzähne und Launen ansehen. Ja, Zweijährige sind anstrengend. Babys auch. Aber die Wackelzähne setzen zumindest bei uns dem Spaß die Krone auf.

Die Zahnfee ist eine böse Fee

Angefangen hatte alles so harmlos. Die Euphorie beim ersten Wackeln, die Vorfreude auf die Zahnfee… aber dann kam es dicke. Ich – unerprobte Zahnfee in Ausbildung – hatte in meiner neu-feenhaften Naivität geglaubt, meine Aufgabe sei es, eine “kleine” Überraschung unters Kopfkissen zu legen. Klein im Sinne von Schoki. Hatte nicht mit den anderen Zahnfeen gerechnet. Die hatten wohl offensichtlich tiefer in die Taschen gegriffen und Traumschlösser von Playmobil gegen den mickrigen Milchzahn eingetauscht. “Die Fee mag mich nicht” war also der erste Gefühlsausbruch der Post-Milchzahn-Phase. Und dieser Gefühlsausbruch hatte eine Qualität, die ich bis dato nur aus besonders erschreckenden Supernanny-Folgen kannte.

Zahnlückenpubertät: Ist das echt mein Kind?

Nun ist es ja leider nicht so, dass es nur einen Zahn gäbe, der sich verabschiedet. Der erste Wackelzahn läutet ja eine ganze Ära ein. Seit dem Totalversagen der knauserigen Zahnfee zumindest ist unsere eigentlich friedliebende, vernünftige, hilfsbereite Tochter zu einer kleinen Furie mutiert. Jede noch so kleine Bitte wird auf Gerechtigkeit geprüft und bis zum bitteren Ende ausdiskutiert. Alles, was noch vor wenigen Monaten gerade mal ein genervtes Schulterzucken verursacht hätte, ist heute Grund genug für wahnwitzige Heulkrämpfe, existenzielle Sinnkrisen und detaillierte Umzugspläne. Und man selbst steht daneben und weiß nicht, wie man helfen kann. Denn Annäherungsversuche werden plötzlich nicht mehr ganz so unvoreingenommen akzeptiert. Nein, da könnte ja jeder kommen… Und da steht man dann, vor einem kleinen Häufchen Elend, das man nicht umarmen darf vor lauter bebender Wut und Hilflosigkeit. Das ist wirklich grausam. Und zwar für beide Seiten.

Die Zähne wackeln. Es gibt auch eine gute Nachricht

Zu meinem Erstaunen hatten die meisten Menschen in meinem Umfeld durchaus eine Ahnung von dem drohenden Beben in unserem Haus. Nur hatte mich keiner gewarnt, als wir nichtsahnend den sechsten Geburtstag feierten. Jetzt also erfuhr ich, die Zahnlückenpubertät hat erstens einen Namen und zweitens ein paar gute Gründe. Es ist nämlich so: Im Vorschulalter macht es bei Kindern in mehrfacher Hinsicht KLICK. Sie verstehen die Welt plötzlich besser, hinterfragen ihre kindliche Naivität und erkennen viele Zusammenhänge, die vorher nur diffuser Brei gewesen waren. Dieses Umdenken ist ganz schön anstrengend. Ich gebe zu, ich wäre auch ordentlich überfordert, wenn plötzlich mein ganzes Weltbild ins Wanken geriete. Letzten Endes ist all das aber eine gute Nachricht. Denn auch wenn die Gefühle verrückt spielen und Sechsjährige emotional manchmal kaum zu erreichen sind, auf der kognitiven Ebene kann man sich plötzlich ganz anders mit ihnen unterhalten als davor. Und das zumindest bleibt, während die Emo-Phase gar nicht mal sooo lange dauert und meist noch mal ein paar Jahre Pause macht, bis sie dann in der echten Pubertät nochmal Sphären erklimmt, die uns über diese Zahnlücken-Phase wahrscheinlich irgendwann lachen lassen.

Reden, reden und nochmal reden

Und da kommt auch schon die Empfehlung, die ich als führendes Forschungsinstitut in Sachen Zahnlücken der Welt natürlich schuldig bin. Was wirklich hilft? Ich glaube, reden, reden und nochmal reden. Auch mit verschränkten Armen und verdunkeltem Blick können Kinder nämlich durchaus ganz gut zuhören. Sie merken, wenn man sie versteht, auch wenn sie das in diesem Moment nicht zeigen können. Und sie fühlen, wenn man sie auch nicht dann in Frage stellt, wenn sie ein bisschen furchtbar sind. Letztens lag ich mit meiner Tochter im Arm in ihrem Bett und sie wirkte nachdenklich. “Mama, kennst du das, wenn man sich selber doof findet, aber man kann nicht anders sein?”, fragte sie mich. Ich musste lachen, weil ich das verdammt gut kenne. Ich erzählte ihr, was für eine schreckliche Tyrannin ich während der Schwangerschaft gewesen war und dass ich immer schrecklich gereizt bin, wenn ich zu wenig geschlafen habe. Zufrieden lächelte mich meine Tochter an. Da lagen wir, glücklich und unperfekt und fühlten uns ganz nah. Kurz dachte ich, dass die blöde Zahnlückenpubertät uns nichts mehr anhaben könnte. Doch dann streckte mein Kleinster den Kopf in die Tür. “Mama, ich glaub mein Zahn wackelt!”, rief er verzückt und ich ließ stöhnend meinen Kopf in die Kissen fallen.

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Source: Aktue