Wandertour: "Als wir am ersten Morgen aufbrechen wollen, haben die Yaks mittelgroße Lust"

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Eine junge Schweizerin bietet im Wallis hochalpine Wanderungen mit Yaks an. Nikola Haaks lief mit und erlebte eine Ur- und Naturgewalt der besonderen Art.

Heftbox Brigitte Standard

Ausprobiert: Yaksherde auf einer Straße
© Florian Generotzky

Vollsperrung auf der A7
Mit Yaks zu wandern fühlt sich ein bisschen an, wie Komparsin in einem Steinzeitfilm zu sein – so wild und ursprünglich sehen sie aus. Und es bedeutet, sich nach ihrem Tempo zu richten. Sie laufen frei, orientieren sich zwar an ihrer Halterin Aurélie (rechts im Bild), aber sie entscheiden, wie schnell oder langsam, wie geradlinig oder kurvig die Strecke wird. Es ist ein merkwürdiges Bild, wenn diese Urviecher dann auf die Zivilisation treffen. Tatsächlich ist der Abschnitt, den wir auf der Straße wandern, nur sehr kurz, aber uns kommen dennoch Autos entgegen. Das bedeutet: alle Yaks zusammen in eine Ausbuchtungtreiben und die Fahrer in Schrittgeschwindigkeit vorbeilassen. Die gucken dann natürlich entgeistert: Yaks? Hier? Aurélie verliebte sich in die asiatischen Rinder, die man als Lastenträger aus Tibet kennt, vor zwölf Jahren, als sie welche in Zermatt sah. Heute hat sie selbst eine kleine Herde: Balou ist der Chef. Dann gibt es noch Yahi noor, Kanchi, Sawang, Surya und Sonam mit ihrem Baby Nima.

Ausprobiert: Gruppe von Menschen pausiert in den Bergen
© Florian Generotzky

Dinner mit Aussicht
Die Wanderungen beginnen oberhalb des kleinen Ortes Les Marécottes, auf der Alm Emaney, die von Aurélies Schwiegereltern im Sommer bewirtschaftet wird. Die Eltern waren erst skeptisch, als Aurélie mit der Yak-Idee um die Ecke kam, aber mittlerweile haben sie sich an die wilden Zottel gewöhnt. Wir starten unsere Wanderung am Vormittag und kommen nachmittags auf einem Plateau hoch über dem türkisblauen Bergsee Lac de Salanfe in knapp 2000 Meter Höhe an. Hier schlagen wir unsere Zelte auf, Aurélie baut eine provisorische Weide, und später bereiten wir unser Dinner auf einem Gaskocher zu. Es gibt Polenta mit Ratatouille – und sogar einen Schluck Rotwein dazu. Immer mit dabei: Aurélies Hündin Plume. Wir haben Glück mit dem Wetter. Die Sonne scheint und taucht abends alles in goldenes Licht – kitschig-schöner könnte ein Bergpanorama für ein Nordlicht wie mich kaum sein. Als ich ganz erfüllt in meinem Zelt liege, werde ich vom leisen Gebimmel der Yak-Glocken in den Schlaf geleitet.

Ausprobiert: Abstieg einer Gruppe von Wanderern und einer Yaksherde
© Florian Generotzky

Rutschpartie
Als wir am ersten Morgen aufbrechen wollen, haben die Yaks mittelgroße Lust, ihre herrliche Wiese aufzugeben und lassen sich bitten. Ich frage mich, wie wir die jetzt wohl eingefangen kriegen. Aurélie läuft – laut nach Herde und Leittier rufend – mit einer Futterschüssel auf und ab: “Vite, vite, vite” (schnell, schnell, schnell) und: “Balouuuu!”. Als schließlich auch der letzte Yak angetrottet kommt, beladen wir die Tiere mit Zelten, Schlafsäcken und unserem Essen. Aurélie achtet darauf, dass keines ihrer Yaks zu viel schleppen muss und wiegt sorgfältig alles ab. Nächste Schwierigkeit: Irgendein Yak bricht immer nach rechts oder links aus, und prompt zieht die ganze Herde mit. Aurélie muss ständig hin- und herspringen, um alle in der Spur zu halten. Doch eigentlich ist das Tempo der Tiere gemächlich, man kann gut mithalten. Beim Abstieg über ein beeindruckendes Schneefeld sind sie allerdings nicht mehr zu halten – und galoppieren freudig buckelnd den steilen Hang hinunter.

Ausprobiert: Frau steht an riesigem Käsekessel
© Florian Generotzky

Wie aus der Zeit gefallen
Aurélie betreibt mit ihrem Mann Thomas einen Hof nahe Verbier, aber den Sommer verbringt Thomas mit seinen Eltern und den Tieren auf der Alm. Aurélie kommt nur sporadisch dorthin, denn die gemeinsame kleine Tochter Noélie geht noch zur Schule. Die Tage auf der Alm sind lang und hart. Thomas und sein Vater Jean Marc produzieren hier einen ganz besonderen Käse namens “Serac”, eine Art Frischkäse, und einen klassischen Bergkäse, der sich auch ausgezeichnet fürs Raclette eignet. Schon sehr früh am Tag werden die Yak-Kühe das erste Mal gemolken. Die Milch wird in einem riesigen Kupferkessel erhitzt, wo sie dann ständig gerührt werden muss. Aurélie steht schon seit zwei Stunden am Käsekessel, als wir morgens um acht aus unseren Zelten kriechen, die wir auf der Wiese vor der Alm aufgeschlagen haben. Sie mag die Tage auf der Alm, auch wenn immer viel zu tun ist. Beim Almabtrieb im Herbst ziehen die Yaks dann wieder mit hinunter auf den Hof in ihr Winterlager.

Ausprobiert: Frau sitzt auf Yak
© Florian Generotzky

Ganz nah dran
Ich hatte Fotos von Yakwanderungen gesehen, und die Idee, selbst mit diesen Tieren in der kargen, majestätischen Alpenlandschaft unterwegs zu sein, ließ mich nicht mehr los. Das wollte ich auch! So kam ich zu Aurélie. Es war genauso beeindruckend, wie ich mir das vorgestellt hatte. Yaks sind einfach faszinierend: riesig groß und am Ende doch so sanft und ruhig. Sie hören auf ihre Namen, man kann sie streicheln und sich sogar auf sie setzen (wie ich hier auf Balou). Nur vor den spitzen Hörnern muss ich mich in Acht nehmen, wenn ich neben ihnen stehe und sie plötzlich den Kopf drehen. Was mich besonders berührt: Aurélie mit ihren Yaks zu beobachten. Nachdem wir unsere Zelte aufgeschlagen haben, ist sie plötzlich verschwunden. Und dann sehen wir sie im Gras der Weide liegen – Stirn an Stirn mit Leittier Balou, der sich auch niedergelegt hat. Sie redet leise mit ihm. Dieses schöne Bild voller Urvertrauen hat sich bei mir eingebrannt.

Unsere Tipps fürs Wandern

HINKOMMEN
Der Ausgangspunkt der Reise ist Les Marécottes, ein kleiner Ort im Schweizer Trient-Tal (Wallis), in der Nähe von Martigny. Wer nicht mit dem Auto fährt, nimmt am besten den Zug ab Genf oder Zürich (je nach Verbindung von Zürich 4 bis 5 Std., von Genf 2,5 Std.). In Les Marécottes fährt eine Seilbahn hoch nach La Creusaz, von dort wandert man ca. 2 Stunden zur Yak-Alm Emaney.

ÜBERNACHTEN
Le Yeti. Einfaches, aber sehr charmantes B&B in Les Marécottes. Der BesitzerBernard ist einer der wenigen, der hier Englisch und sogar ein bisschen Deutsch spricht, ansonsten ist Französisch angesagt. Einige Zimmer haben einen Balkon, und zum liebevoll servierten Frühstück gibt es einen Plausch. Ü/F pro Person 65 Euro (Rue Principale 54, Tel. 277 61 10 11, leyeti.ch).

Hotel Aux Mille Etoiles. Wer die Annehmlichkeiten eines größeren Hotels schätzt (eigenes Restaurant etc.), checkt hier ein. Der Stil erinnert an ein rustikales Alpen-Chalet (viel Holz, schwere Stoffe). Achtung: Der Wellnessbereich wird dieses Jahr renoviert und ist nicht verfügbar, dafür sind aber die Preise günstiger. DZ ab 135 Euro (9 Place de la Télécabine, Tel. 277 61 16 66, mille-etoiles.ch).

GENIESSEN
Restaurant de la Creusaz. Wer keine Lust hat zu wandern, kann hier mit der Seilbahn hochfahren und auf 1700 Meter Höhe ein spektakuläres Alpenpanorama genießen, inklusive Blick auf den Montblanc. Große Terrasse, vielfältige Küche, Hauptgerichte ab 24 Euro –Rösti, Spaghetti Scampi, Burger (Le Creusaz, Tel. 277 61 18 98, telemarecottes.ch/fr/restaurant-de-la-creusaz).

DIE YAK-WANDERUNG
Die zweitägige Tour mit Guide Aurélie Fierz startet am Freitagabend auf der Alm Emaney. Die erste Nacht verbringt man dort im Zelt, die zweite in den Bergen. Kosten: 314 Euro für 2 Tage pro Person (Ankunft Freitagabend/Abreise Sonntagabend inkl. 2 x Abendessen und 2 x Frühstück). Gegen Aufpreis ist es möglich, sich vor Ort ein Zelt zu leihen. Die Touren sind für 5 bis 10 Personen konzipiert, die von zwei Guides begleitet werden. Der nächste Termin ist vom 7. bis 8. September 2024, weitere Termine sind in Planung. Alle Infos unter: alpiyaks.ch

Gut zu wissen …
Für die Yak-Tour sollte man schon eine gewisse Fitness und richtige Wanderschuhe haben, denn besonders am ersten Tag geht es recht steil bergauf. Auch Französischkenntnisse sind hilfreich.

TELEFON
Die Landesvorwahl der Schweiz ist 00 41

Mehr Infos findst du hier: myswitzerland.com

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Source: Aktue