Wie kann ich mich nützlich machen?: Wieso wir unser Leben lang danach streben, gebraucht zu werden

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Wer seine Hilfe anbietet, tut damit nicht nur etwas für andere – sondern hilft auch sich selbst. Letztendlich kann die eigene Nützlichkeit zu einer Schlüsselkompetenz für ein langes, erfülltes Leben werden.

Wie kann ich mich nützlich machen? Wer diesen Satz liest, dürfte direkt einen Menschen vor Augen haben. Die eigene Mutter, die zu Besuch ist. Die Freundin, die bei der Geburtstagsfeier hilft. Oder sich selbst. Hinter der Frage steckt mehr als höflicher Smalltalk, sie verbalisiert ein ganz und gar menschliches Streben: danach, gebraucht zu werden.

Emotional zeigt sich die Relevanz der eigenen Zweckmäßigkeit, indem man sich das Gegenteil vorstelle: in einem Raum voller Menschen überflüssig zu sein, bei einem Umzug aufgabenlos daneben zu stehen, unter gestressten Kolleg:innen nichts zu tun zu haben – das fühlt sich nicht gut an. Zu wissen, wo die eigene Nützlichkeit liegt, schenkt uns wiederum Sinnhaftigkeit und Zusammengehörigkeitsgefühl. Das Bedürfnis ist ein uraltes: wir nehmen einen festen Platz in der Gruppe ein, indem wir eine Aufgabe haben. Davon profitieren wir übrigens ganz besonders in der letzten Lebenshälfte. Dazu später mehr.

Wie wir uns nützlich machen, verändert sich über die Lebensspanne hinweg, wie die Psychologin Debora Heiser in einem Artikel für “Psychology Today“ schreibt. Schon Kleinkinder fangen an, ihre Eltern im Haushalt zu imitieren, in dem sie plötzlich Wäsche aufhängen oder Staub wischen. Was wir amüsiert beobachten, ist psychologisch durchaus interessant: Während ihnen die Zweckmäßigkeit der Tätigkeit in diesem Alter noch wenig bekannt sein dürfte, empfangen sie als Reaktion Wertschätzung, Bestätigung und Sinnhaftigkeit, die wiederum elementar für die Entwicklung des Selbstbewusstseins und der Autonomie sind. 

In der Jugend spornt Nützlichkeit zu (schulischem oder außerschulischem) Engagement an, im jungen Erwachsenenalter füllen freiwillige soziale Dienste oder Praktika die Lücke zwischen Schule und Berufswelt. In dieser Entwicklungsphase trägt das Gefühl, sich nützlich zu machen, dazu bei, seinen eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden.

In der Rush Hour des Lebens müssen die meisten Menschen kaum mehr danach suchen, gebraucht zu werden: ob als Mutter, Tochter oder Kollegin befinden wir uns in so vielen Rollen, mit deren Anforderungen wir jonglieren. Wir machen uns nützlich, indem wir uns um andere kümmern. Gleichzeitig bekommen wir die Herausforderung des Gebrauchtwerdens zu spüren: wir suchen sie uns nun nicht mehr freiwillig aus, soziale Verpflichtungen lassen uns schlichtweg keine Wahl. Es ist die Hochzeit der Care-Arbeit – und der Nützlichkeit.

Die Schüssel-Frage gegen Einsamkeit

Die Belohnung dafür erhalten wir spätestens im nächsten Lebensabschnitt. Hier wird es besonders spannend: Denn all das Streben der Nützlichkeit scheint sich insbesondere im Alter auszuzahlen. Mehrere Studien zeigen auf, dass Aufgaben und Gesellschaftsdienste gegen Einsamkeit und sogar zu einer besseren Gesundheit führen können. Der Neuropsychiater Dilip Jeste beschreibt soziales Engagement in seiner Forschung als wichtigen Teil des psychologischen Konstrukts von Weisheit, die wiederum Einsamkeit im Alter vorbeugt. Wenn die Kinder aus dem Haus sind und die Rente beginnt, atmen viele erst einmal auf: endlich keine Verpflichtungen mehr! Langfristig lohnt es sich aber, sich nach dem Seufzer doch noch einmal aufzuraffen und sich beispielsweise in Ehrenämtern zu engagieren.

Man kann also in jedem Alter etwas für ein langes, glückliches Leben tun: sich nützlich machen. Und wenn du das nächste Mal hörst, wie jemand danach fragt, gib ihm etwas zu tun. 

Source: Aktue