Young Carers: Lana Rebhan pflegt ihren Vater, seit sie 8 Jahre alt ist

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Was sie macht: Sie pflegt ihren schwerkranken Vater. Was sie will: mehr Hilfe für “Young Carers” wie sie. Wen das betrifft: 480 000 Kinder und Jugendliche.

Ihren 13. Geburtstag verbrachte Lana Rebhan im Krankenhaus. Sie wachte am Bett ihres Vaters, der an einer chronischen Erbkrankheit leidet. Gerade war ihm eine Niere entfernt worden, über einen Schlauch wurde er künstlich ernährt. Und Lana Rebhan saß daneben und aß ihren Geburtstagskuchen mit Benjamin-Blümchen-Deko.

“Es war eine absurde Situation”, erinnert sie sich heute. Und doch war all das, die Schläuche, die Sorgen, das Nebeneinander von schwerer Krankheit und Alltag, für sie schon damals sehr normal. Seit Lana Rebhan acht Jahre alt ist, pflegt sie ihren Vater zu Hause im unterfränkischen Königshofen. Achtet darauf, dass er seine Medikamente nimmt, kauft für ihn ein und kocht, während ihre Mutter als Heilpraktikerin für Psychotherapie den Lebensunterhalt für die dreiköpfige Familie verdient.

“Damals dachte ich mir, dass ich doch nicht das einzige Kind sein kann, dem es so geht”, sagt Rebhan, heute 19. Sie begann, im Internet zu recherchieren, und stieß auf den Begriff “Young Carer”, junge Pflegende – allerdings fast nur auf englischsprachigen Websites. Lana Rebhan beschloss, solchen Kindern auch in Deutschland zu helfen.

Young Carers: So möchte Lana Rebhan ihnen helfen

Rund 480 000 Kinder und Jugendliche pflegen hierzulande derzeit Angehörige. In einer Lebensphase, die eigentlich für Nachmittage im Sportverein oder vor der Spielkonsole reserviert ist, setzen sie sich mit Pflegegraden und den Sprechzeiten von Hausärztinnen auseinander. “Ich habe nirgends Hilfe für junge Pflegende wie mich gefunden und kannte auch niemanden sonst, der betroffen war”, sagt Rebhan. Also schrieb sie nach ihrer Internetrecherche einen Blogeintrag über ihre Situation und ließ sich von ihrer Mutter zeigen, wie man eine Website programmiert.

Als sie 14 war, ging young-carers.de online. Dort lädt sie seither andere Betroffene dazu ein, ihre Erfahrungen als junge Pflegende zu schildern, und beantwortet E-Mails und Anrufe mit Fragen von Kindern und Jugendlichen. Außerdem stellt sie Infomaterial zum Download bereit und weist auf Hilfsangebote hin, die sie nach und nach gefunden oder gleich selbst initiiert hat.

Ihr Engagement führte Lana Rebhan schon bis in den Bayerischen Landtag, wo sie mit der Fraktion der Grünen mehrere Gesetzesanträge einbrachte, um Young Carers zu entlasten. Die meisten wurden nicht umgesetzt, doch immerhin gibt es seither jedes Jahr einen Fachtag für pflegende Kinder und Jugendliche. “So was ermutigt mich”, sagt sie.

In der Schule hat Lana wenig Mitgefühl erfahren

Trotzdem gebe es noch viel zu tun. Pflegende Kinder haben nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Haushaltshilfe – und in der Regel nur bis zum zwölften Geburtstag. Danach müssen sie wie Rebhan selbst den Haushalt schmeißen, und das neben der Schule. Auch dort stoßen viele auf wenig Mitgefühl. Im Unterricht sei sie jedes Mal zusammengezuckt, wenn sie draußen ein Martinshorn hörte, sagt Rebhan. Sie habe nicht verschwiegen, dass sie sich um ihren kranken Vater kümmerte, doch gesehen fühlte sie sich mit dem, was sie zu Hause leistete, in der Schule nicht. “Als meine Leistungen absackten, schoben die meisten Lehrkräfte das auf die Pubertät”, erinnert sie sich. “Sie wussten einfach nicht, wie sie mit mir umgehen sollten.”

Lana Rebhan und ihr Vater
Lana Rebhans Vater geht es heute zum Glück so gut, dass er tagsüber selbst für sich sorgen kann.
© Anand Anders / dpa

In der neunten Klasse verließ sie das Gymnasium und holte ihren qualifizierenden Hauptschulabschluss später nach. Jetzt fordert sie für andere die Unterstützung ein, die ihr verwehrt blieb: “Mein Wunsch wäre, dass Mitschüler, Lehrkräfte und Schulpsychologen für die Lage von jungen Pflegenden genauso sensibilisiert sind, wie es etwa beim Thema Mobbing der Fall ist. Young Carers sollten sich zeitweise vom Unterricht und den Hausaufgaben befreien lassen können, ohne sich rechtfertigen zu müssen.”

Lana Rebhan macht heute eine Stunde entfernt von ihrem Heimatort eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Da es ihrem Vater zurzeit besser geht und er sich tagsüber selbst versorgen kann, war es ihr möglich, von zu Hause auszuziehen. Ihr Engagement führt sie trotzdem fort: Ihr neuestes Projekt ist ein Mentorenprogramm, das junge Pflegende mit ehrenamtlichen Helfer:innen oder ehemaligen Betroffenen zusammenbringt. Sie erhofft sich mehr Aufmerksamkeit für Young Carers, “die Heldenhaftes leisten”, wie sie findet. Gleichzeitig will sie der Pflege aber auch die Schwere nehmen, die dem Begriff anhaftet. “Ich ziehe auch viel positive Kraft daraus, meinen Eltern zu helfen. Wer jemanden pflegt, schenkt ihm Liebe.”

Heftbox Brigitte Standard

Source: Aktue