Initiative "Long Covid Deutschland" im Interview: Die Krankheit ME/CFS unter der Lupe

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Seit der Pandemie leiden rund 500.000 Menschen in Deutschland an ME/CFS. Brigitte hat mit der Initiative “Long Covid Deutschland” gesprochen, die sich für eine bessere Erforschung des komplexen Krankheitsbildes einsetzt. 

Schwere Erschöpfung, Muskelschmerzen und Nebel im Kopf? Das sind nur einige der ganz unterschiedlichen Symptome von ME/CFS. Mit der Coronapandemie hat sich die Zahl der Betroffenen fast verdoppelt. Es wird also Zeit, dass wir die Krankheit, für die es bislang noch keine Heilung gibt, etwas genauer beleuchten und vor allein eins tun: Betroffene ernst nehmen. 

Brigitte hat mit der Initiative “Long Covid Deutschland” gesprochen, die sich für Post-Covid- und ME/CFS-Erkrankte einsetzt und eine bessere Erforschung des komplexen Krankheitsbildes fordert. 

BRIGITTE: Ist Long COVID oder Post-COVID dasselbe wie ME/CFS?

Long Covid Deutschland: Kurz, nein. Post-Covid betrifft alle Menschen, die drei Monate nach der akuten Covid-Infektion noch anhaltend krank sind. ME/CFS (lang: Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue-Syndrom) hingegen ist eine eigenständige Erkrankung, die oft infolge unterschiedlicher Infektionen auftritt. Wer Post-COVID hat, kann ME/CFS haben, aber es gibt einige Patient:innen mit Post-COVID, die ‘nur’ anteilige Symptome einer ME/CFS haben. 

Wodurch wird ME/CFS ausgelöst?

Laut “Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V.” beginnt ME/CFS häufig nach einer Infektionskrankheit, wie zum Beispiel nach einer Infektion mit dem Eppstein-Barr-Virus, der Influenza und oder dem SARS-COV2-Virus. Auch andere Virus-Erkrankungen können Auslöser für eine ME/CFS sein. Die teilweise sehr schlimmen Symptome kommen daher, dass das Immunsystem nach der Infektion nicht zur Ruhe kommt und anhaltende Entzündungen im Körper entstehen. 

Was sind typische Symptome?

Bei vielen Patient:innen sehen wir, dass die Funktion des Nervensystems gestört wird, das normalerweise ganz unterbewusst zentrale Mechanismen regelt, wie unseren Herzschlag, die Atmung und den Blutkreislauf. Ein Kernsymptom ist die schwere Fatigue, die jedoch nicht mit dem Krankheitsbild an sich verwechselt werden sollte. Patient:innen leiden unter einem erheblich eingeschränkten Aktivitätsniveau, fühlen sich sehr schnell müde und erschöpft. Auch körperliche Schmerzen, schwere Konzentrationsstörungen, Herzrasen und Kreislaufprobleme gehören zu den Leitsymptomen von ME/CFS. Das Krankheitsbild ist jedoch sehr vielfältig und komplex, weswegen auch die Symptome unterschiedlich aussehen können. 

Ich höre immer wieder von PEM in Zusammenhang mit ME/CFS. Können Sie den Begriff erklären?

Post-Exertionelle Malaise (auch als Post-Exertional Malaise bekannt), kurz PEM, beschreibt, dass bereits eine geringe Anstrengung oder Belastung zur Verschlechterung der Symptome führen kann. PEM zeigt sich oft in Form von ausgeprägter Schwäche, Muskelschmerzen und grippalen Symptomen, wie geschwollenen Lymphknoten und Halsschmerzen. Betroffene sind in der akuten Phase oft tage- oder wochenlang ans Bett gefesselt und müssen sich ausruhen. ME/CFS-Patient:innen trainieren daher, so mit ihrer Energie zu haushalten, dass es möglichst nicht zur Überlastung kommt. 

Warum ist eine Falschdiagnose so häufig – und gefährlich?

Dadurch, dass die Krankheit immer noch nicht gut erforscht ist, wurden die Symptome der Betroffenen oft falsch eingeordnet und im Sinne einer Depression oder eines Burnouts behandelt. Bei einer psychischen Erkrankung mag eine sogenannte aktivierende Therapie (darunter fallen Bewegung, Spaziergänge an der frischen Luft etc.) helfen. Für Patient:innen, die bereits bei einer geringen Belastung (physisch, mental, kognitiv) in die Symptomverschlechterung fallen, kann eine solche Therapie jedoch fatale Folgen mitsichziehen.

Stimmt es, dass oft gerade fitte Menschen mit gesundem Immunsystem an ME/CFS erkranken?

Die Hypothese wurde noch nicht bestätigt. Jedoch gibt es eine Reihe von Vorerkrankungen, die eine Erkrankung an ME/CFS begünstigen können. Personen mit Atemwegserkrankungen (Asthma) oder Allergiker:innen sind so wie es ausschaut vermehrt betroffen. 

Gibt es bereits Therapiemöglichkeiten für ME/CFS-Patient:innen?

Eine vollständige Heilung von ME/CFS ist noch nicht möglich, bislang können nur die Symptome gelindert werden. Eine medikamentöse Behandlung ist beispielsweise bei Schlaf- und Kreislaufstörungen relativ erfolgreich. Atemtherapie hilft bei Lungenproblemen. Viele Patient:innen nehmen auch psychologische Hilfe in Anspruch, da die Krankheit sehr belastend für die Psyche sein kann. 

Source: Aktue