Alexandra Werdes: Wenn Hecken retten zum Beruf wird

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Wo man sie findet: irgendwo am Wegesrand

Was sie macht: Lobbyarbeit für Hecken

Ihr Lohn: wenn das Ganze Früchte trägt

Manchmal im späten Herbst und frühen Frühjahr sieht man an Feldrändern im Norden Deutschlands Menschen in Outdoorkleidung und grünen Westen, die stundenlang Löcher in den Boden buddeln und schmale Sträucher hineinstecken. Das könnten die “Heckenretter” sein, ein eingetragener Verein aus Hamburg, der sich mit einer ungewöhnlichen Idee dem Arten- und Klimaschutz verschrieben hat: Seine Mitglieder kümmern sich um Hecken und Knicks, sorgen dafür, dass die wertvollen Biotope erhalten bleiben, oder pflanzen sie neu.

Vorsitzende und einzige hauptamtliche Teilzeitangestellte der “Heckenretter” ist Alexandra Werdes, 49. Sie gründete den Verein 2020, kurz vor dem Lockdown; inzwischen hat er 21 Mitglieder. Dazu kommt eine Taskforce mit weiteren Aktiven sowie Pflanzteamer:innen, die der Verein auch ausbildet. Bekannt gemacht werden die Pflanzaktionen über die Vereinshomepage und Social-Media-Kanäle: Meist melden sich dann 20, 30 Freiwillige, die mithelfen wollen. Für sie gibt es eine ordentliche Verpflegung und abends das gute Gefühl, das Richtige getan zu haben.

Werdes, kommunikativ, zupackend und eine, die noch schneller denkt, als sie spricht, ist gelernte Journalistin: “Ich bin eine stolze Freiberuflerin, ich mag keine Abhängigkeiten.” Aber da war auch immer noch was anderes in ihr: Das Interesse am Gesellschaftspolitischen, am sozialen Unternehmertum. Und an der Natur: Schon als Kind sei sie gern mit dem Hund zwischen den Feldern unterwegs gewesen, erzählt sie am Rande einer Pflanzaktion in Lentföhrden, 40 Kilometer nördlich von Hamburg. Heute lebt sie zwar in der Großstadt, zusammen mit ihrer Partnerin in einem selbstverwalteten Wohnprojekt, hat aber auch eine Datscha auf dem schleswig- holsteinischen Land – und stellte irgendwann fest: Die Hecken verschwinden. “Es gibt so viel ausgeräumte Landschaft bei uns”, sagt sie. Und meint: Da, wo Knicks und Hecken an Feldern fehlen, gibt es zu wenig Nistplätze für Vögel, keine Nahrung für Insekten, zu wenig Schutzraum. Auch filtert eine Hecke fast die gleiche Menge Kohlendioxid aus der Luft wie die entsprechende Fläche Wald. “Dass in den Hecken so viel Klimaschutz drinsteckt, musste ich auch erst lernen.”

Hecken retten – das geht nur mit Unterstützung

Und dann waren da noch die Heckenfrüchte, um die sich keiner kümmerte. “Ich wollte was Cooles damit tun”, sagt Alexandra Werdes und meint es wörtlich: Sie machte daraus Eis. Hagebutte-Joghurt war ihre erste Sorte der Marke “Tofte”, es folgten Brombeere, Schlehe, Holunder am Stiel. Die Gewinne sollten dem Heckenschutz zugutekommen.

Aber das Eis brachte für die aufwendige Herstellung zu wenig Einnahmen. Also rührte Werdes ordentlich die Werbetrommel. Dabei half ihr, dass sie als Journalistin weiß, wie die Medien funktionieren. 27 Fördermitglieder hat der Verein inzwischen, Privatleute, die den Verein regelmäßig mit Geld unterstützen.

Dazu kommen Stiftungen und Unternehmenspartnerschaften, die bei der Finanzierung helfen. Mit einer Autovermietung hat der Verein schon zusammengearbeitet – sich aber gegen die Anfrage einer Privatjetvermietung entschieden, weil er es für Greenwashing hielt. Eine große Firma für Gartengeräte rüstet die Retterinnen und Retter mit Freischneidern und Heckenscheren aus, natürlich elektrobetrieben. Und beim HSV durften sie eine Saison lang im Stadion das Becherpfand sammeln.

Alexandra Werdes: “Ich war noch nie so zufrieden in meinem Leben”

Mit diesem Geld werden die Heckenprojekte finanziert: Der Verein schafft Pflanzen an und fragt auf Bauernhöfen nach Heckenbedarf. “Mittlerweile kommen die Landwirte auch zu uns – und nicht nur Biobauern. Im Herbst pflanzen wir hoffentlich unsere erste Hecke auf einen konventionellen Hof”, erzählt Werdes und dass dies ein wichtiger Teil ihrer Arbeit sei: Landwirte zu gewinnen, die Hecken nach ihren Bedürfnissen und rechtlichen Vorgaben zu planen und die Finanzierung sicherzustellen. Über sechs Kilometer Hecke hat der Verein seit seiner Gründung so schon angelegt, 444 Freiwillige beschäftigt, rund 350 Tonnen Kohlendioxid gebunden.

Heckenretter
Die Führungskräfte eines Partnerunternehmens pflanzen eine Fruchthecke. Teamerin Anita erklärt, wie’s geht.

Alexandra Werdes ist Heckenretterin aus Überzeugung und mit dem Talent, andere dafür zu begeistern. “Ich hatte irgendwann keinen Bock mehr, immer nur dagegen zu sein. Das hat mir nicht gutgetan”, sagt sie. Jetzt ist sie: dafür. Für die Hecken und ihre Rettung. Sie arbeitet bezahlte 22 Stunden im Verein und nur noch wenig als Autorin. “Ich war noch nie so zufrieden in meinem Leben”, sagt Alexandra Werdes. “Ich will das weitermachen.”

Heftbox Brigitte Standard

Source: Aktue