Allergie-Kolumne: Heuschnupfen: Mein Feind, der Baum

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Seit ihrer Kindheit kämpft Miriam Collée gegen Birkenpollen. Die Waffen: Tropfen, Tabletten, Spritzen, Nadeln, sogar Stromschläge. Weil am Ende doch immer die Allergie gewinnt, versucht sie es jetzt mit Friedensverhandlungen.

Das Erste, was mir an dem Haus, das wir einmal kaufen würden, auffiel, war der Nachbargarten. Dort, wo andere Menschen einen Rasen, ein paar Blumen und eine Hecke drum rum haben, steht bei unserem Nachbarn ein Birkenwald. Besser gesagt: eine wahl- und willenlose Ansammlung von 30 dünnen Birken. Vielleicht hätte ich damals, vor 15 Jahren, auf meinen Bauch hören sollen, der bereits leise Alarm schlug. Doch es war Winter, und wie immer um diese Zeit setzt bei Menschen mit Pollenallergie eine Art Generalamnesie ein. Rote Karnickelaugen, laufende Nase, Hustenanfälle? War da was? Ach, ich hab’s ja überlebt, und beim nächsten Mal wird’s sicher nicht so schlimm.

Von klein auf verschnupft durch den Frühling

Ich habe Heuschnupfen, seit ich denken kann. Schon in der Grundschule schrieb mir meine Mutter den ganzen März und April hindurch montags Entschuldigungen, weil ich nach den Wochenenden meine wund geriebenen, eitrig verklebten Augen nicht öffnen konnte. Meine Mutter besorgte mir Augentropfen, Nasensprays und Tabletten, die mich so müde machten, dass ich in der Schule regelmäßig einschlief. Nichts half wirklich. Es folgten: drei Jahre Hyposensibilisierung, eine allergenspezifische Immuntherapie, bei der mir alle paar Wochen eine Ladung Birkenallergenextrakt in den Arm gejagt wurde. So sollte mein Abwehrsystem, das bei völlig ungefährlichen, natürlichen Stoffen wie Blütenstaub sinnlos überreagiert, ein Toleranz-Training erhalten. Das Ergebnis war jedoch leider nicht das erhoffte: eine minimale Verbesserung und ein maximales Spritzen-Trauma.

Zwischen 15 und Mitte 20 kamen zu den üblichen Symptomen Asthmaanfälle. Und ich lernte, mit dem Leid umzugehen, das mir die kleinen Würste, die von den Bäumen hängen, zufügen. Wann immer es ging, blieb ich im Frühling drinnen. Doch mit dem Stubenhocken kam der Frust: Wie konnte es sein, dass ausgerechnet die Jahreszeit, in der alles aufblüht, in der meine Freundinnen im Park irgendwelche ebenfalls aufblühenden Kerle knutschten, mich zu Hause ans Sofa fesselte?

Auf der Suche nach einer Lösung

Also beschloss ich, alternative Wege zu gehen. Ich sammelte Brennnesselblätter, trocknete sie im Wohnzimmer und brühte sie mit heißem Wasser auf. Ich probierte Globuli und Bachblüten. Ich spülte meinen Mund mit Kreuzkümmelöl. Ich übte mich in Akupressur, zu der mir ein Guru der Traditionellen Chinesischen Medizin riet (zum Beispiel mit Zeige- und Mittelfinger fünf Minuten auf den “Getreidespeicher” zwischen Nase und Oberlippe drücken). 

Ich ließ mir Blut aus der Armvene entnehmen, um es, homöopathisch aufbereitet, intramuskulär wieder in meinen Hintern spritzen zu lassen. Und ich sah hilflos zu, wie mir ein freundlicher TCM-Professor aus Schanghai elektrisch verbundene Nadeln in Nase und Stirn, Arme und Beine jagte, die mir kleine Stromschläge verpassten. Derselbe Professor verwandelte auch meinen Rücken in eine gepunktete Kraterlandschaft, indem er Gläschen mit einem Bunsenbrenner erhitzte, die von meiner Haut erst angesaugt und später unter lautem Ploppen wieder entfernt wurden.

Die meisten dieser Versuche endeten in einer Enttäuschung– mit Ausnahme der Elektroakupunktur, die immerhin kurzfristig für Milderung sorgte, langfristig aber leider nicht bezahlbar war. Sie können sich vielleicht vorstellen, in was für einem Zustand ich und mein Hausarzt waren, als er murmelte: “Nun … wenn alle Antihistaminika und Asthmasprays nicht helfen … bei nächtlichen Atemnotattacken … ich mache das nur ungern … aber ich könnte Ihnen auch eine Kortison-Depotspritze geben.” – “Ich nehme alles”, sagte ich. Und dann geschah ein Wunder: Einen Tag nach der Spritze waren die Beschwerden nicht besser – sie waren weg. Vollständig. Sechs Wochen lang. Ich war ein Mensch, kein Frühlingszombie mehr.

Akzeptanz & das Beste daraus machen

Blöderweise ist die Liste der Nebenwirkungen solcher Spritzen so lang und erschreckend, dass mein Arzt im Jahr darauf den Kopf schüttelte. “Bitte”, wimmerte ich, “nur noch einmal.” Ich fühlte mich wie ein Junkie. Nach jener Saison, die eine der schlimmsten war, habe ich mich ergeben. Widerstandslos. Seitdem habe ich den März und April einfach zu Indoor-Monaten umfunktioniert oder versuche, Urlaube in pollenfreie Gebiete in diese Zeit zu verlegen. Nur manchmal, nachts, kommt er, dieser Traum. Darin laufe ich mit einer Kettensäge durch Hamburg und rode alle Birken.

Allergie-Sprechstunde

Die wichtigsten Fragen zur richtigen Behandlung

Was bringt eine Desensibilisierung?

Laut einer Umfrage sind 70 Prozent mit ihrem Ergebnis zufrieden: Im Durchschnitt halbieren sich Medikamentenbedarf und Beschwerden, das Asthma-Risiko sinkt bzw. bestehendes Asthma wird gelindert. Zur Desensibilisierung – auch Hyposensibilisierung oder Spezifische Immuntherapie (SIT) genannt – wird bei moderaten bis schweren Symptomen geraten, eine Altersgrenze gibt es nicht, auch Wiederholungen sind möglich.

Und eine Eigenbluttherapie?

Wissenschaftlich erwiesen ist deren Nutzen nicht. Darum zahlen die gesetzlichen Krankenkassen fast alle nicht.

Sind diese Depot-Spritzen wirklich so schlimm?

Sie werden in den Pomuskel gespritzt und setzen dort kontinuierlich Kortison frei: die schnelle Nummer für einige Wochen Beschwerdefreiheit. Aber auf Dauer – bei wiederholten Spritzen – kann es zu Nebenwirkungen kommen, u. a. Muskelschwäche, Osteoporose, erhöhter Augeninnendruck und Blutzuckerspiegel sowie Linsentrübung. Hinzu kommt: Landet der Wirkstoff statt im Muskel im Fettgewebe, kann sich dieses abbauen. Solche Spritzen sind also wirklich nur die Notlösung.

Hilft Akupunktur?

Es gibt Studien, die für den Nutzen sprechen, doch die meisten Kassen zahlen nicht. Der Deutsche Allergie- und Asthma-bund empfiehlt, Akupunktur bei allergischem Schnupfen als begleitende Therapie auszuprobieren.

Welche Mittel gibt es ohne Rezept?

Eine ganze Menge. Im vergangenen Jahr hat “Stiftung Warentest” rezeptfreie Heuschnupfenmittel bewertet. Empfohlen wird, Beschwerden erst lokal zu behandeln: durch Augentropfen (am besten ohne Konservierungsmittel) mit Cromoglicinsäure (bereits ein bis zwei Wochen vor dem Pollenflug zu nehmen) oder akut wirksamen Substanzen wie etwa Azelastin. Beide Wirkstoffe gibt es auch als Nasenspray. Wenn die Nase stärker läuft, gibt es Sprays mit Kortison wie Beclometason oder Mometason. Falls die lokale Behandlung nicht ausreicht, können Antihistaminika als Tablette genommen werden (mit Cetirizin, Loratadin, Levocetirizin oder Desloratidin). Auch hilfreich: Nasenduschen.

Miriam Collée aß gegen ihre Beschwerden auch mal kiloweise Äpfel, der Rat einer Heilpraktikerin. Mit spürbarem Effekt: Ihr wurde übel; die Allergie blieb.

Heftbox Brigitte Standard

Source: Aktue