Erwachsenwerden: Die vier Stadien der Selbstentwicklung – in welchem steckst du?

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Laut dem Amerikaner Stephen Covey durchlaufen wir in dem Prozess des Erwachsenwerdens und -seins unterschiedliche Stadien – in denen wir manchmal auch steckenbleiben. Welche Stufen es gibt und auf welcher du stehen könntest, liest du hier.

In unserer Entwicklung vom Kind zum erwachsenen Menschen machen wir einige große Veränderungen durch. Zahlreiche Psycholog:innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten haben diese Entwicklung bereits erforscht und versucht, sie systematisch zu beschreiben. Mit seinem Fünfphasenmodell hat Sigmund Freud bis heute eine der berühmtesten Theorien über das Erwachsenwerden veröffentlicht.

Ein neueres und oft zitiertes Modell, das sich insbesondere auf die Beziehung zwischen dem Selbst und anderen Menschen konzentriert, stammt von dem Amerikaner Stephen Covey und nennt sich “Maturity Continuum” (“Kontinuum des Erwachsenwerdens”). Das Modell besteht aus vier Stadien, die wir alle durchlaufen, die wir jedoch niemals vollständig hinter uns lassen müssen oder können. Zwar gibt es nach Stephen Coveys Theorie Lebensphasen, in denen jeweils ein bestimmtes Stadium dominiert. Doch im Laufe unserer Entwicklung werden wir immer wieder in Situationen geraten, in denen bereits abgeschlossen geglaubte Stadien wieder wichtiger werden können. Und manche Menschen bleiben in den entscheidenden Phasen aus unterschiedlichen Gründen in einem der Stadien stecken.

Maturity Continuum: Die vier Stadien der Selbstentwicklung

1. Abhängigkeit (Dependence)

Im Stadium der Abhängigkeit sind wir auf andere Menschen angewiesen, um zu bekommen, was wir brauchen und wollen. Naturgemäß erleben wir dieses Entwicklungsstadium als Kinder alle: Im Alter von zwei Jahren können wir uns zum Beispiel keine Spaghetti Bolognese kochen und auch mit fünf, acht oder elf dürfte es den meisten Menschen noch schwerfallen, sich komplett selbst zu versorgen. 

Mit zunehmendem Alter nimmt der Grad unserer Abhängigkeit zwar grundsätzlich ab, doch ein Stück weit erleben wir dieses Stadium ein Leben lang – und in manchen Fällen nicht nur, wenn wir tatsächlich von anderen Menschen abhängig sind.

Einige Personen haben eine stark ausgeprägte Erwartungshaltung, dass ihre Mitmenschen ihre Bedürfnisse erfüllen und auf sie eingehen, ohne dass sie selbst etwas dafür tun könnten oder müssten. Sie konzentrieren sich stets auf die äußeren Einflüsse und Umstände, unter denen sie leben, und verfügen über eine geringe Selbstwirksamkeit. Viele dieser Personen haben als Kinder nicht lernen können, ihre Selbstständigkeit zu entdecken und zu entwickeln. Ein paar konnten hingegen nie erleben, inwieweit es in Ordnung ist, abhängig zu sein – deshalb nehmen sie Abhängigkeit besonders intensiv wahr und fühlen sich davon permanent alarmiert.

2. Auflehnung (Counter-Dependence)

Das Stadium der Auflehnung beobachten viele Eltern zum ersten Mal bei ihren Kleinkindern in Form einer Trotzphase, in der sie zu allem Nein sagen und rasch in Wut ausbrechen, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen können. Ein weiteres Mal fällt es wiederum spätestens bei Teenagern oft auf, wenn sie gezielt gegen die Regeln der Eltern verstoßen, alles doof finden, was mit Familie zu tun hat, und bei jeder Gelegenheit rebellieren. 

Im Idealfall verspüren wir das Bedürfnis nach Auflehnung mit zunehmender Reife weniger und nur noch in bestimmten Situationen, etwa wenn unsere persönlichen Werte oder Grenzen akut bedroht sind. Bei manchen Menschen ist der Drang zu rebellieren und prinzipiell eine Gegenposition einzunehmen allerdings stets besonders stark ausgeprägt. Sie identifizieren sich weniger über das, was sie sind und wofür sie stehen, als darüber, was sie nicht sind und wogegen sie sich auflehnen. Viele dieser Personen haben die rebellische Phase in ihrer Jugend übersprungen – einige haben hingegen den Absprung nicht geschafft. 

3. Unabhängigkeit (Independence)

Im Stadium der Unabhängigkeit erfahren wir, dass wir in hohem Maße für uns selbst sorgen können und dass wir Einfluss und Kontrolle über unser Leben haben. So ziehen wir eines Tages aus unserem Elternhaus aus, führen unseren eigenen Haushalt, verdienen unser eigenes Geld, lösen unsere Probleme selbstständig und eigeninitiativ. In dieser Phase entwickeln wir Selbstwirksamkeit: Die Überzeugung, dass wir Herausforderungen bewältigen und uns vieles zutrauen können. 

Das Stadium der Unabhängigkeit nimmt bei vielen Menschen gesunderweise einen hohen Stellenwert im Leben ein, doch auch in diesem Stadium können wir feststecken und uns verrennen – schließlich sind wir nicht absolut unabhängig. Wer in diesem Stadium gefangen ist, hat meist Probleme damit, die eigene Eingebundenheit in ein Sozialgefüge und die damit verbundene Abhängigkeit von anderen Menschen zu akzeptieren. Und beharrt stets darauf, sich kompromisslos durchzusetzen und alles allein zu machen. Viele übermäßig auf Unabhängigkeit bedachten Menschen sind in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem ein extrem großer Wert auf Selbstständigkeit gelegt wurde, einige hatten wiederum Eltern zum Vorbild, die über eine sehr geringe Selbstwirksamkeit verfügten.

4. Gegenseitigkeit (Interdependence) 

Das Stadium der Gegenseitigkeit oder wechselseitigen Abhängigkeit ist gewissermaßen ein Ziel in der Selbstentwicklung: In diesem Stadium erkennen wir unsere Unabhängigkeit und ihre Grenzen gleichermaßen an. Wir können Hilfe von anderen Menschen annehmen, ohne uns dabei bedroht zu fühlen und ohne sie für selbstverständlich zu halten. Ebenso können wir auf andere eingehen und ihre Abhängigkeit von uns sehen, ohne sie auszunutzen. 

Die wenigsten Erwachsenen können beständig im Stadium der Gegenseitigkeit verweilen, da wir bei einem durchschnittlichen Lebensverlauf immer wieder in Situationen geraten, in denen unser Selbst erschüttert wird, wir uns neu ordnen, verteidigen, weiter- oder von Neuem entwickeln müssen. Wenn es aber gut für uns läuft, finden wir, nachdem wir einmal angekommen sind, immer wieder ins Stadium der Gegenseitigkeit zurück.

Verwendete Quellen: psychologytoday.com, ryandelaney.co, medium.com

Source: Aktue