Introvert Season: Deshalb freue ich mich auf den Herbst

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Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken. Was für andere ein Grund zum Trauern ist, ist Balsam für meine Seele. Warum der Herbst ein lang ersehnter Boost für meine mentale Gesundheit ist.

Um das direkt klarzustellen: Das wird keine Ode an Kürbisse, rot-gelbes Laub, Tee und Gilmore Girls. Obwohl ich alle diese Dinge liebe! Aber der Grund, warum ich den Herbst jedes Jahr kaum erwarten kann, ist ein anderer.

Ich weiß, ich mache mich bei vielen Menschen sehr unbeliebt, wenn ich das sage, aber: Ich bin froh, dass der Sommer vorbei ist. Das heißt nicht, dass ich jegliche sonnigen Tage verabscheue und nichts in der warmen Jahreszeit genießen kann. Es geht auch nicht so sehr um die Hitze – zumindest nicht nur.

Der Sommer ist die Zeit der Extrovertierten

Vielmehr löst der Sommer mit allem, was dazugehört, vor allem Stress bei mir aus. Alle wollen ständig was unternehmen, überhaupt gibt es gefühlt jedes Wochenende Geburtstagspartys und/oder Hochzeiten, die Social-Media-Kanäle quellen über vor Posts von Menschen, die gerade die Zeit ihres Lebens haben. Der Sommer ist einfach laut, heiß und anstrengend. Man wird schief angeguckt, wenn man an einem sonnigen Wochenende einfach nur auf der Couch lesen oder Serien schauen möchte.

Kurzum: Der Sommer ist die Zeit der Extrovertierten. Sie blühen auf, wenn sie permanent unterwegs sein können, an jeder Straßenecke neue Menschen und Erlebnisse auf sie warten und sie ihre Wohnung praktisch nur zum Schlafen sehen.

Und das sei ihnen auch gegönnt, ich freue mich für jede Person, die glücklich ist und die Dinge tun kann, die ihr Spaß machen. Aber gleichzeitig herrscht ein so starker gesellschaftlicher Druck, der es eher introvertierten Menschen wie mir in der warmen Jahreszeit kaum möglich macht, sich genug Raum für Rückzug und zum Wiederaufladen der sozialen Akkus zu nehmen. Zumindest, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Dabei brauchen einige Menschen einfach Zeit allein, ohne Stimulation von außen, um Energie zu tanken.

Ich weiß, dass ich nicht alleine bin mit dem Empfinden. Wenn ich mich in meinem (auch digitalen) Umfeld umhöre, stoße ich auf viele Menschen, denen es ähnlich geht. Die sich vielleicht über zwei Wochen Badeurlaub freuen, aber sich ansonsten eher nach der Stille und der Möglichzeit zum Rückzug sehnen, die der Herbst als Ablösung des Sommers bietet. Aber die extrovertierten Fans der langen, warmen Tage sind einfach lauter als die introvertierten Liebhaber:innen der ruhigen, gemütlichen Zeit im Herbst.

Im Herbst kann ich endlich aufatmen

Viele Menschen leiden an einer Winterdepression, die kurzen Tage und das wenige Sonnenlicht machen ihnen zu schaffen und sorgen dafür, dass ihre Psyche im Herbst und Winter leidet. Es gibt aber auch das Gegenteil: eine Sommerdepression. Die können Menschen zu spüren bekommen, die sich, ähnlich wie ich, von den langen Tagen, den unendlichen Möglichkeiten und den vielen sozialen Verpflichtungen unter Druck gesetzt fühlen. Sie kann aber auch etwa durch hormonelle Schwierigkeiten durch den veränderten Tag-Nacht-Rhythmus ausgelöst werden.

So weit geht mein persönliches Sommerloch glücklicherweise nicht, aber mir graut es jedes Jahr davor, dass es wochenlang bis 22.30 Uhr hell ist (ich gehe gerne früh ins Bett, sorry), dass unsere Nachbar:innen fast jedes Wochenende bis spät nachts Partys auf ihrem Balkon feiern, dass ständig jemand im Park grillen möchte. Ich weiß, dass es für jedes dieser Probleme eine Lösung gibt (Verdunkelungsrollos, Ohrstöpsel, Nein sagen). Aber das ändert nichts daran, dass mich die Sommerzeit unter Druck setzt, dass ich mich nach der Ruhe und Entschleunigung der kälteren Monate sehne.

Meine introvertierte Seele macht jedes Jahr einen Luftsprung, wenn der Kalender auf den 1. September springt. Auch wenn es im Zweifel noch ein paar Wochen zu warm für mein persönliches Empfinden ist und die extrovertierten Party-People sich an die letzten Chancen klammern, wirklich alles aus dem Sommer herauszuholen, kann ich zumindest schon mal ein bisschen tiefer atmen, mir einen Tee kochen und ein herbstliches Buch aufklappen – in dem wohligen Wissen, dass es bald geschafft ist.

Source: Aktue