Lazy Girl Jobs: Warum junge Frauen keine Karriere mehr machen wollen

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TikTok-Trend “Lazy-Girl-Jobs”: Warum die Gen Z nur noch Dienst nach Vorschrift machen will

Eine der ersten Fragen, wenn man sich auf Partys zu einer neuen Gruppe gesellt, lautet häufig: “Und? Was machst du so beruflich?” Die einen fangen dann sofort an, mit leuchtenden Augen zu erzählen. Megabusy hier, wahnsinniges neues Projekt da. Andere reden nie über die Arbeit und fragen auch nur selten nach. 
Was sagt das eigentlich über jemanden aus, wenn einem der Job relativ egal ist? Unbewusst folgt er anscheinend einem neuen Trend, dem #lazygirljob. 

Wer seinen Job liebt, arbeitet oft zu viel    

Allein auf TikTok hat der Hashtag über 18 Millionen Aufrufe, sogar die New York Times berichtete: Junge Creatorinnen preisen die Vorzüge einer komplett stressfreien, wenig anspruchsvollen, maximal flexiblen, aber trotzdem gut bezahlten (Home-Office-)Tätigkeit an. Ihre oberster Priorität: eine gute Work-Life-Balance. Was hingegen – laut den “lazy girls” – gar nicht (mehr) geht: immer alles geben, freiwillig Überstunden schieben, dem bestenfalls auch noch sinn- und identitätsstiftenden Job alles unterordnen. So wie viele Millenials es getan haben oder tun – weil sie es von ihren Boomer-Eltern so gelernt haben. 

“Faulsein” als radikaler Gegenentwurf zur toxischen Arbeitskultur 

Gleichzeitig – und unabhängig von Social-Media-Trends – werden die negativen Folgen einer solch ungesunden Arbeitskultur, die Menschen an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringt und ihnen einredet, dass ihr Wert von der beruflichen Leistung, dem Status, des Einkommens abhängt, immer stärker sichtbar: Eine wachsende Zahl Arbeitnehmende erkrankte in den letzten Jahren an Burnout, litt unter chronischer Erschöpfung oder wurde depressiv. Frauen sind vor allem durch den Gender-Care-Gap besonders häufig betroffen: 2024 haben sie laut des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend pro Tag durchschnittlich 79 Minuten mehr Zeit mit unbezahlter Sorgearbeit verbracht als Männer.

Die “Lazy Girl”-Bewegung fordert nun völlig zu Recht, dass wir Erfolg neu definieren und bewusst Arbeitsbedingungen schaffen, die uns keinen mentalen oder physischen Schaden zufügen. “Es geht nicht darum, faul zu sein, sondern darum, Arbeitsplätze zu finden, die es dir ermöglichen, dein Leben außerhalb der Arbeit zu genießen”, erklärt Gabrielle Judge, eine prominente Verfechterin des Trends, gegenüber dem US-Wirtschaftsmagazin “Business Insider”. 

Niemand sagt dir, dass es okay ist, weniger zu machen

Im Grunde ist das Credo also nicht anti-Arbeit, sondern anti-Überarbeitung. „Weil niemand Frauen sagt, dass es manchmal okay ist, weniger zu machen”, so Judge weiter auf TikTok. Das Problem: „Wer seinen Job liebt, arbeitet häufig zu viel oder lässt sich auf schlechtere Arbeits­bedingungen ein.” Das sei nicht erfüllend, sondern Ausbeutung.
Das Wort “lazy” für faul in #lazygirljobs könnte man deshalb auch einfach durch “cozy” für gemütlich ersetzen. Besonders gemütlich ist laut Kira Violet, eine weitere Creatorin der “Lazy Girl Job”-Bewegung, ein “Remote-Job mit flexiblen Arbeitszeiten und minimalen Meetings, der es dir ermöglicht, deine natürliche Kreativität zu nutzen und gleichzeitig ein stabiles Einkommen zu erzielen.” So ähnlich wie die jungen Supermarktmitarbeiter:innen in der Comedy-Serie „Die Discounter”, die am Arbeitsplatz alles Mögliche im Sinn haben (kiffen, knutschen, chillen), bloß nicht ihre Karrieren. Wohl der Grund, warum die Serie gerade so erfolgreich ist. 

Sparen aufs Eigenheim? Utopisch!

In Zeiten von Krieg in Europa, stagnierenden Löhnen und steigenden Lebenshaltungskosten hat sich sowieso stark verändert, worauf junge Leute hinarbeiten. Das Eigeheim ist es jedenfalls immer seltener, weil: unbezahlbar. Auch durch die Pandemie, in der viele entlassen oder in Kurzarbeit geschickt wurden, wurde spürbar, dass wir in schweren Zeiten nicht von unserer Firma aufgefangen werden – sondern durch zwischenmenschliche Beziehungen, die gepflegt werden müssen und genossen werden wollen. Am besten geht das – klar –, wenn man pünktlich Feierabend macht. Oder die eigenen Arbeitszeit gleich radikal reduziert. 
In ihrem viel beachteten Buch “Alle_Zeit: Eine Frage von Macht und Freiheit” schlägt auch die feministische Autorin Teresa Bücker vor, einen 24-Stunden Tag wie folgt aufzuteilen: acht Stunden Schlaf, vier Stunden Lohnarbeit, vier Stunden Care-Arbeit (Familie, Haushalt, Pflege), vier Stunden für Weiterbildung und Kultur und vier Stunden für politisches Engagement. Eine 40-Stunden-Woche hält Bücker für überholt. 

Manchmal hilft es schon, nicht so viel über die Arbeit nachzudenken und zu verinnerlichen, dass beruflicher Erfolg und Glück nicht zwingend zusammenhängen. Und eine Antwort auf die Frage “Und, was machst du so?” auch einfach lauten kann: “Mein Leben genießen.”

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