Liebe nach dem Tod : "Das Leben ist zu kurz, um nicht zu lieben"

Lifestyle

Eine Witwe erzählt, wie sie nach dem Verlust ihres Mannes zurück ins Leben fand. Und wie ihr die neue Liebe half, die alte aufrechtzuerhalten.

Der Tod beendet ein Leben, 
nicht eine Beziehung – Mitch Albom

Tod

Als mein verstorbener Mann und ich uns kennenlernten, er war nicht mein erster, waren wir beide Anfang 40 und es war schnell klar, dass wir uns gesucht und gefunden hatten. Nach nur zwei Monaten wollten wir zusammenziehen. Warum warten, wenn wir uns sicher sind, haben wir gedacht. Wie der Zufall es wollte, wurde in meinem Traumhaus in Stuttgart, einer alten, buttergelb gestrichenen Villa mit einem haushohen Blauregen, eine Wohnung frei. Zwei Tage, bevor wir den Maklertermin hatten, da fiel meinem Partner plötzlich ein, dass er am selben Tag zur Darmspiegelung müsse. Er meinte: “Schlag zu, wenn dir die Wohnung gefällt.” Und die Wohnung war fantastisch. Ich habe mich so gefreut, ihm davon berichten zu können, wenn er nach Hause kommt. Aber er kam nicht und kam nicht. Da bin ich kurzerhand zur Praxis gefahren. Es war Darmkrebs.

Er wurde sofort notoperiert. Zunächst sah alles gut aus. Der Krebs war im Anfangsstadium und hatte nicht gestreut. Nach sechs Wochen kam jedoch die Nachuntersuchung und da war die ganze Leber voller Metastasen – wie eine Explosion. Stefan hat dann zu mir unter Tränen gesagt, “Jetzt muss ich mich leider von dir trennen”. Er könne mir das nicht zumuten. “Du spinnst wohl, das kommt überhaupt nicht in Frage”, habe ich gesagt. Und er: “Okay, dann musst du mich aber leider heiraten.” Die Operation, die war im Mai und im Oktober haben wir geheiratet. Mein Mann und ich, wir hatten keinerlei Ahnung davon, was jetzt auf uns zukommt. Was es bedeutet, wenn jemand an einer Krebserkrankung verstirbt.

Obwohl man ihm nur noch ein halbes Jahr Lebenszeit gegeben hat, hatten wir noch fünf Jahre zusammen. Gute Zeiten trotz der Erkrankung. Ich erinnere mich noch, wie wir einmal in der Notaufnahme unheimlich lange warten mussten und er zu mir sagte: “Wenn du das alles gewusst hättest, hättest du mich nicht geheiratet, oder?” Ich habe geantwortet: “Selbstverständlich hätte ich das. Wir hatten doch auch schöne Zeiten.“ Und dann hat mir eine Kusshand zugeworfen und hat gesagt “Die Besten!”.

Abschied und Trauer

Fünf Jahre hatte ich, um mich von meinem Mann zu verabschieden. Die haben wir gefüllt mit kleinen und großen Ritualen. Ich erinnere mich, wie ich abends oft gekochte habe, während auf Vox “Das perfekte Dinner” lief. Dazwischen kam immer Werbung, unter anderem für das Datingportal “Elitepartner”. Mein Mann sagte dann jedes Mal zu mir, “Herzilein, du suchst dir mal einen bei Elitepartner, wenn ich nicht mehr bin.” Ich fand die Vorstellung abstrus, aber er hat mir eigentlich damals schon immer signalisiert, “Du musst nicht allein bleiben.” Das habe ich erst im Nachhinein verstanden. Und, dass die Aussage mal sehr wichtig für mich wird.

Mein Mann war ein ganz großer Autofan. Ein halbes Jahr, bevor er verstorben ist, hat er sich einen Traum erfüllt und sich einen Mercedes 500 SL Cabriolet gekauft. Dieses Auto stand bei uns in der Garage. Ich hatte tierisch Angst, es da rauszufahren, weil diese Garage so eng war und ich dachte, da darf jetzt gar kein Kratzer drankommen. Also stand es da und stand. Bis meine Freundin meinte, dass sie das wohl machen könne. Wir sind dann zusammen – es war ein strahlend schöner Tag – ans Grab gefahren. “Stefan, wir sind mit deinem Auto hier”, habe ich zu ihm gesagt. Und da kam mir die Idee, dass ich mal eine längere Strecke fahren sollte mit dem Auto, vielleicht in den Urlaub.

Gesagt, getan. Noch am selben Tag buchte ich ein schönes Hotel in den Bergen. Da war ich noch nie und von Stuttgart aus war es nicht zu weit. Das traute ich mir zu. Auf der Fahrt hat aber das Navigationssystem nur gesponnen, sodass ich dann relativ verzweifelt in diesem Auto saß. Ich weiß noch, wie ich laut geschimpft habe, “Stefan, ich sitze hier in deiner Kiste drin, ich habe nicht mal einen Atlas. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich bin, weil ich noch nie hier in Süddeutschland war. Jetzt mach mal was.” Und in dem Moment machte es Bing. Das Navi hatte mich wieder und ich war an der Ausfahrt Füssen. Da, wo ich jetzt wohne. Das wusste ich aber damals noch nicht.

Neue Liebe

Eine Woche war ich in Krün bei Garmisch. Die Berge haben mir so wahnsinnig viel Kraft gegeben. Ich kam als anderer Mensch zurück. Hätte man mich vor der Reise gefragt, was mein Plan jetzt wäre, ich hätte gesagt, ich will nie mehr einen Mann kennenlernen. Noch mal würde ich diesen Schmerz nicht überleben. Dann war ich zurück und meldete mich bei Elitepartner an. Damals war ich 47 und dachte, wenn, dann jetzt. Mit 50 will mich keiner mehr. Mit dem ersten Herrn, den mir das Portal vorschlug, hatte ich 98 von 100 Punkten Übereinstimmung. Den schrieb ich an. Beim Suchradius hatte ich Bayern mitangegeben, obwohl ich in Stuttgart lebte. Die 98 Punkte, der erste Vorschlag, das war ein verwitweter Mann aus Bayern. Mit dem bin ich seit 12 Jahren glücklich zusammen.

Wir haben noch am gleichen Tag bis nachts um drei telefoniert und drei Tage später haben wir uns in Stuttgart getroffen. Es war sofort um uns beide geschehen. Das Verrückte ist, er ist genauso alt wie mein Mann. Einer hat am 24. März Geburtstag, einer am 25. März. Und es gibt noch mehr Parallelen: Mein Mann hat in München Jura studiert und mein jetziger Partner auch. Beide haben ihr erstes Staatsexamen gemacht und dann etwas ganz anderes. Ich habe immer so gelacht, wenn mein Mann mit Freunden aus München telefoniert hat und in einen bayerischen Slang verfallen ist. Ich habe mir oft vorgestellt, wie er da oben hockt und sich denkt, “So, dir schicke ich jetzt mal einen richtigen Bayern.”

Der Thomas, so heißt mein Partner, und ich, wir haben uns Hals über Kopf ineinander verliebt. Ich hatte ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil das so kurz nach dem Tod meines Mannes war. Ich habe mich heillos mit meiner Tochter zerstritten, weil auch wir beide beschlossen haben, schnell zusammenzuziehen. Ich glaube, meine Tochter dachte, ich sei verrückt geworden. Nach vier Monaten Pendeln bin ich zu ihm nach Füssen gezogen. Genau dahin, wo mich das Navi damals nach dem Tod meines Mannes ausgespuckt hat. Ich hatte gar keine Bedenken, meine Sachen zu packen, ich wusste einfach, dass es so sein sollte. Und mein Gefühl hat mich nicht getäuscht.

Neues Glück

Das Besondere an unserer Geschichte ist, dass wir beide den Verlust eines geliebten Menschen erlebt haben. Seine Frau, die ist ganz plötzlich verstorben. Einfach umgefallen, dann lag sie im Koma und 14 Tage später war sie tot. Ich durfte also mit meiner ganzen Trauer nach Füssen kommen. Er hat das verstanden. Wir haben viel darüber geredet, was passiert ist, wie es passiert ist. Da war nie der leiseste Vorwurf von ihm. So was wie, “Sie ist ja gar nicht über ihren Mann hinweg.” Ich habe bei meinem Einzug sogar die ganzen Sachen von meinem Mann mitgebracht, weil ich mich noch nicht trennen konnte. Seine Frau, die Barbara, in deren Haus ich jetzt lebe und mein Stefan, die sind irgendwo immer noch mit uns. Die sind ein Teil von unserem Leben.

Bevor ich zu meinen jetzigen Partner nach Füssen gezogen bin, war ich im Management von einem Verlag. Diesen Job musste ich hinter mir lassen. Thomas hat mir nie Druck gemacht, er meinte nur: “Komm erst mal zu dir und dann überleg dir, was du machen willst.” Ich habe mich dann daran erinnert, dass die einzige Hilfe, die ich in den letzten Lebenswochen von Stefan hatte, eine ehrenamtliche Hospizbegleiterin war. Und die war wirklich ganz wichtig, sonst hätte ich das nicht geschafft bis zum Schluss. Sie ist zu uns in die Wohnung gekommen, einmal am Tag, eine Stunde. Sie hat am Bett von Stefan gesessen und war einfach da. Und in der Zeit habe ich geschlafen oder mich geduscht.

Sie hat mir geholfen, damit mein Mann bei mir bleiben konnte und nicht ins Krankenhaus musste. Denn im Krankenhaus sterben zu müssen, das war Stefans größte Angst. Was für eine schöne Aufgabe es ist, Menschen in den letzten Tage und Wochen ihres Lebens beizustehen, das habe ich erst viel später verstanden, nachdem ich selbst eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin gemacht habe. Ich war bis letztes Jahr die erste Vorsitzende von einem Hospizverein. Das ist ein Vermächtnis meines Mannes. Sein Tod ist so nicht sinnlos, weil ich anderen weiterhelfen konnte. Ich bin ihm so dankbar für die Weichenstellung und das Vertrauen, das er mir immer entgegengebracht hat. Er hat mir vertraut, dass ich ihm helfe bis zum Schluss und er hat mir gleichzeitig die Freigabe gegeben: “Herzilein, du suchst dir mal einen bei Elitepartner.”

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