"My body, my choice!": Mein Glaube: Frauen und ihr Verantwortungsbewusstsein

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Während in Deutschland die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen reformiert und an die heutige Zeit und menschenwürdigere Standards angepasst werden soll, erschreckt mal wieder eine Nachricht aus den USA. Ein Abtreibungsgesetz aus dem 19. Jahrhundert wurde jetzt bestätigt. 

In Arizona wurde ein Gesetz zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bestätigt, das von 1864 stammt – Jahrzehnte bevor Arizona 1912 überhaupt zum Bundesstaat wurde. Das höchste Gericht des US-Bundesstaates urteilte mit vier zu zwei Stimmen, dass dieses Gesetz, welches Schwangerschaftsabbrüche auch bei Vergewaltigung oder Inzest verbietet, gültig bleibt. Ausnahmen werden nur gemacht, wenn das Leben der Frau bedroht ist. Wie kann das im 21. Jahrhundert noch sein und wann überlassen wir diese Entscheidung endlich den Frauen?

Willkommen zurück im 19. Jahrhundert

Obwohl das Gesetz seit 1973 aufgrund des bundesweiten, verfassungsmäßig verankerten Rechts auf Abtreibung in den USA außer Kraft war, wurde es nie formell aufgehoben. Im Juni 2022 hob der Supreme Court das Recht auf Abtreibung auf Bundesebene auf. Seitdem obliegt die Regelung der Abtreibung den einzelnen Bundesstaaten, was zu einer uneinheitlichen Rechtslage geführt hat und Arizona in eine Zeit zurückwirft, in der der Bürgerkrieg wütete und Frauen nicht wählen durften. 

Unfassbare Begründung für die Bestätigung des Gesetztes

Mir steigt der Puls und meine Ohren rauschen – spinnen die? Die Begründung des Gerichtes macht mich fast sprachlos. Das Gericht von Arizona erklärte seine Entscheidung damit, dass man sich nicht in die Befugnis des Gesetzgebers einmischen wolle. Die Abtreibungspolitik zu gestalten, sei Aufgabe des Staates und das Gesetz von 1864 zeige die “unerschütterliche Absicht” des Gesetzgebers, Abtreibungen zu verbieten. Ich kann es gar nicht fassen, wo leben diese Menschen, dass sie glauben, das Gesetz spiegele wider, was Bürger:innen im Jahr 2024 wollen? Die urteilenden Richter:innen wurden selbstverständlich von Republikaner:innen ins Amt berufen – auf diesem Weg können sie leicht ihren konservativen Anspruch an Familie durchsetzen.

Mögliche Folge: Ärzt:innen müssen ins Gefängnis

Bisher ist in Arizona eine Abtreibung ab der 15. Schwangerschaftswoche verboten, außer das Leben der Mutter ist bedroht. Mediziner:innen könnten für ihre Hilfe mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Dadurch wird Druck aufgebaut, eine Stigmatisierung vorgenommen und vor allem auch die Situation von Frauen natürlich deutlich verschlechtert. Abtreibungsbefürworter:innen warnen, dass diese Rechtsunsicherheit den Zugang zu Abtreibungen in Arizona erheblich einschränken könnte. Kliniken könnten aus Furcht vor Strafverfolgung auf die Durchführung von Abtreibungen verzichten. Das Absprechen von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung gefährdet die Frauen. Die Gefahr: Der eigenständige Versuch eines Schwangerschaftsabbruchs birgt massive Risiken für Leib und Leben.

“Aktivist:innen” kämpfen gegen die Selbstbestimmung von Frauen

Solche veralteten Gesetze und die langsamen Mühlen der Regierungen zur Reformation dieser Rechtssätze sind entsetzlich, schlimmer aber finde ich noch Personen und Gruppen, die sich für die Gültigkeit dieser einsetzen und wirklich noch in einem Mindset des 19. Jahrhunderts leben.

In Deutschland findet endlich ein Umdenken statt, das hält jedoch viele Privatpersonen und Initiativen nicht davon ab, ihre Meinung aggressiv zu äußern. Vor Beratungsstellen sind Demonstrationen von Abtreibungsgegner:innen keine Seltenheit. Sie skandieren mit Plakaten, auf denen “Abtreibung ist Mord” steht und schüchtern damit Hilfesuchende ein. Was aktuell noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, könnte bald durch ein bundesweites Gesetz verboten werden. Proteste dieser Art rund um Arztpraxen, Krankenhäuser und Beratungsstellen sollen dann durch Regeln zum Einhalten eines Abstandes von 100 Metern um die Einrichtungen ferngehalten werden. Gut so! Denn ich verstehe diese Proteste noch weniger als veraltete Gesetze. 

Hetze gegen Frauen – was soll das bringen?

Was geht in diesen Leuten vor? Was wollen sie bewirken? Ist es ihnen jemals gelungen, durch ihre diffamierenden Parolen und bedrohlichen Auftritte eine Frau vom Abbruch abzubringen? Abtreibungsgegner:innen sind für die Frauen Fremde, die ihnen Angst machen, sie beleidigen und keine Ahnung von ihrer Lebenssituation haben. Sie triggern vielleicht sogar psychische Probleme. Meiner Meinung nach sind diese Protestierenden keine Aktivist:innen für das Leben, sie sind übergriffige Menschenfeinde. Was erlauben sie sich aufgrund ihres Glaubens oder ihrer ethischen Überzeugungen – harmlos gesagt – sich in das Leben fremder Menschen einzumischen? 

“Für das Leben” aber gegen die Lebenden

Wer sind die Leute, die “für das Leben” sind? Personen, die glauben, man solle der Natur seinen Lauf lassen? Wenn wir uns alle noch immer der Natur und unseren Urinstinkten hingeben würden, wäre die Welt sicher kein besserer Ort. 

“Glaube, was du willst …”

Viele der Abtreibungsgegner:innen handeln nach religiösen Motiven. Genauso frei, wie man sich für eine Religion entscheiden und sie ausüben kann, sollte es möglich sein, sein Leben frei vom Urteil anderer Menschen gestalten zu können. Glaube, was du willst und tue mit deinem Körper und deinem Leben, was du willst, aber gestehe anderen dasselbe zu

Ich für meinen Teil glaube an Frauen. Und ihr Verantwortungsbewusstsein. Ich glaube daran, dass Frauen in der Lage sind, eine solche Entscheidung wohlüberlegt zu treffen – für sich, ihre körperliche und mentale Gesundheit und eine unschuldige kleine Seele. Es ist nicht verantwortungslos, im Gegenteil: Mehr Verantwortung als das Treffen einer solchen Entscheidung kann man nicht übernehmen.
 

Source: Aktue