In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: “Kommunikation ist nicht alles, aber ohne Kommunikation ist alles nichts” – Prof. Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler.
Kurz gesagt: Und wenn irgendetwas Kommunikation ist, dann sind es unsere Liebesbeziehungen.
Und jetzt mal ausführlich: “Was ist die Geschichte, die Sie herbringt? Und es kann sehr gut sein, dass Sie mir nicht die gleiche Geschichte erzählen werden.” So oder so ähnlich beginne ich häufig die erste Paartherapiesitzung eines Paares. Worauf das Paar dann extrem höflich reagiert. „Du kannst gerne anfangen“, flötet er dann. Und sie schmeichelt zurück: “Vielen Dank, aber ich lasse dir gerne den Vortritt.” Natürlich sind sie nicht höflich, sondern verunsichert. Sie haben Angst um ihre Beziehung und halten sich vorsichtig zurück. Doch diesmal ist es anders. Urs ergreift sofort das Wort und erklärt ausführlich, dass er es ja gut finde, hier zu sein, aber nur mitgekommen sei, weil Ella es gewollt habe. Und um es gleich zu sagen, er sehe wenig Sinn darin, hier jetzt stundenlang zu reden, solange Ella ihr Verhalten nicht verändere. Schließlich unterbreche ich ihn und frage Ella nach ihrer Antwort. Sie antwortet wortreich, dass ja so vieles an ihr hänge, sie sich wirklich schon alle Mühe gebe, aber nicht alles schaffen könne.
Was heißt eigentlich “Kommunikation”?
Reden gehört ganz offensichtlich zum Kommunizieren. Aber Kommunikation beginnt erst, wenn wir nicht mehr aneinander vorbeisabbeln. Was Urs und Ella wirklich fühlen, bleibt im Nebel. Doch es ist ersichtlich, dass Urs erst seine selbstgerechte Grandiosität aufgeben und Ella ihre Selbstvorwürfe mildern muss, damit in ihrer Kommunikation geschieht, was durch Kommunikation geschehen soll: einander verstehen lernen, sich verbinden, zu etwas Gemeinsamem finden.
Viele Menschen haben aber nie gelernt, über sich selbst zu sprechen. Weil niemand wirklich an ihnen interessiert war. Weil ihre Gefühle nicht zählten. Aus ihnen werden die notorischen Kommunikationsmuffel, die Beziehungsgespräche verweigern und für sinnlos erklären. Oder sie werden emotionale Slalomfahrer und weichen jedem Gefühl durch oberflächliches Geplapper aus, als sei es ein störendes Hindernis. Sie verharmlosen jeden Konflikt, alles ist immer “Nullo Problemo”. Wir müssen aber kommunizieren, weil wir wie schwarze Kisten, wie “Blackboxes”, füreinander sind. Boxen, in die wir nicht hineinschauen können. Geschenke können noch so herzlich, die gegenseitige Rücksichtnahme kann noch so achtsam, der Sex noch so leidenschaftlich und das gemeinsam aufgebaute Leben noch so lebenswert sein. Ohne die verbale Kommunikation können wir keine Konflikte klären, Trennendes nicht überbrücken, emotionale Verletzungen nicht heilen. Fehlende Kommunikation ist ein Killer.
Kommunikation ist nicht alles
Aber Kommunikation ist auch kein Allheilmittel. Sie löst nicht alles. Worte führen sogar sekundenschnell zu schmerzhaften Missverständnissen, gerade in unseren Liebesbeziehungen, wo wir allem, was von der Partnerin oder dem Partner gesagt wird, immer mit einem besonders großen Beziehungsohr lauschen. Heißt ein “Komm, nimm es nicht so schwer!”, dass nicht ernst genommen wird, wie wir uns fühlen? Findet unsere Partnerin uns nicht locker und souverän genug? Oder nerven wir sie sogar und sind für sie nicht liebenswert? Unser innerer Bindungschecker ist stets aktiv. Sind wir geliebt? Stimmt die Beziehung? Ist sie stabil und sicher? Und deshalb müssen wir kommunizieren.
Kommunikation ist auch in der Liebe nicht alles. Aber jede Kommunikation berührt alles. Wenn wir das nicht beachten, dann ist wirklich bald alles nichts.
© Ilona Habben
Source: Aktue
