Psychologie: 8 Arten von Müdigkeit, über die wir viel zu wenig reden

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Manche Arten von Müdigkeit sind auch nach einer gut durchschlafenen Nacht noch da. Diese zum Beispiel. 

Dass wir schlafen müssen, wenn wir müde sind – und auch wenn wir es nicht sind –, haben die meisten Menschen verstanden und akzeptiert. Schlaf dient der Regeneration, der Verarbeitung dessen, was wir im Wachzustand durchmachen, der Erholung und vielem mehr. Zudem bietet er uns Abwechslung zu unserem wachen Erleben. Ja, unsere Zeit ist knapp bemessen, doch ausreichend zu schlafen, stellt keine Zeitverschwendung dar, im Gegenteil.

Was aber tun wir, wenn wir gut und genug schlafen und unsere Müdigkeit trotzdem nicht verschwindet? Oder wenn uns unsere Müdigkeit nicht anständig schlafen lässt? Beides kann vorkommen, denn nicht für jede Form von Müdigkeit ist Schlaf die Lösung. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wovon und auf welche Art genau wir erschöpft sind, damit wir eine angemessene Pause und Regeneration wählen können. Folgende Typen von Müdigkeit sind in unserer Gesellschaft besonders häufig und verbreitet – und finden nicht immer genug Beachtung.

8 Arten von Müdigkeit, über die wir mehr reden dürfen

1. Empathie-Müdigkeit

Sich in andere Menschen hineinversetzen, mit oder für sie fühlen – wundervolle Fähigkeiten, die uns grundsätzlich nützen. Doch manchmal unterschätzen wir, wie viel Kraft Empathie uns kosten kann. Wir können nicht mit der ganzen Welt mitfühlen, deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Anteilnahme zu dosieren und den Menschen vorzubehalten, die uns wirklich etwas bedeuten und die uns etwas zurückgeben – einschließlich uns selbst.

2. Konformitäts-Müdigkeit

Als Teil einer Gesellschaft genießen wir zahlreiche Vorteile und Sicherheiten und fügen uns im Gegenzug gewissen Regeln und Erwartungen. Gelegentlich kann sich in dieses Verhältnis jedoch ein Ungleichgewicht einschleichen und das sich Fügen zu viel für uns werden und uns erschöpfen. Wenn wir zu lange zu viele oder zu wichtige unserer individuellen Interessen und Bedürfnisse unterdrücken oder hinten anstellen, um zu tun, was von uns verlangt wird. Um uns von dieser Art der Müdigkeit zu erholen, kann es sinnvoll sein, unsere eigenen Prioritäten im Leben zu klären und gegebenenfalls gewisse Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen mehr Raum zu geben. Manche Freiheiten, die uns essenziell wichtig sind, müssen wir einfordern oder uns erkämpfen, auch wenn wir dafür vielleicht auf Sicherheiten oder Privilegien verzichten müssen. Denn sich immer nur einzureihen und alles ausnahmslos mitzumachen, kann auf Dauer eben müde machen.

3. Helfer:innen-Müdigkeit

Anderen Menschen zu helfen, schenkt uns grundsätzlich Kraft und ein Gefühl von Sinnhaftigkeit – wenn es unseren individuellen Toleranzbereich nicht übersteigt. Gerade Menschen, die Angehörige pflegen oder die für hilfsbedürftige Freund:innen da sind, wissen, wie viel Energie es kosten kann, sich intensiv um andere zu kümmern. Wie viel es uns abverlangen und wie sehr es uns erschöpfen kann. Wir brauchen Pausen vom Helfen, Hilfe beim Helfen und eine Form der Wertschätzung oder des Danks, um uns von der Helfer:innen-Müdigkeit zu erholen – mit bloßem Schlaf ist es auch hierbei nicht getan.

4. Emotionale Erschöpfung

Emotionale Erschöpfung tritt typischerweise auf, wenn wir ein Gefühl entweder besonders intensiv oder besonders lange erleben. Meist empfinden wir sie als eine Art Leere, Freud- und Antriebslosigkeit, Gleichgültigkeit und Apathie. Erleben wir zum Beispiel einen schweren Verlust, der uns zutiefst betrübt, oder befinden wir uns über einen langen Zeitraum in einem Stadium der Angst oder Frustration (oder auch Glück, denn davon können wir ebenfalls müde werden), kann das zur Folge haben, dass wir insgesamt abstumpfen und allem gegenüber leidenschaftslos werden – weil wir emotional erschöpft sind. Wir brauchen Abwechslung, auch in unserer Gefühlswelt. Um aus einem Zustand emotionaler Erschöpfung herauszufinden, ist es in jedem Fall gut, die Ursache unserer Gefühlslage zu kennen. Manchmal können wir daran etwas ändern, manchmal können wir nur lernen, sie zu akzeptieren und damit umzugehen. Oft hilft es dann in einem zweiten Schritt, uns Projekte zu suchen, die uns erfreuen oder etwas bedeuten, um die Gefühlsmüdigkeit allmählich abzulegen.

5. Mentale Erschöpfung

Mentale Erschöpfung führt oft zu Schlaflosigkeit, weil sie Grübeln und Probleme abzuschalten nach sich ziehen kann. Ursache mentaler Müdigkeit ist meist, dass wir in unserem Leben ein Übergewicht an geistigen Tätigkeiten (geistige Arbeit, befassen mit Informationen und Nachrichten, virtuelle Kontakte und Ähnliches) und einen Mangel an Präsenzerleben haben (in unserem Artikel “Anzeichen für einen Präsenzmangel” erfährst du mehr). Um uns von mentaler Erschöpfung zu erholen, können wir beispielsweise Sport machen (am besten mit anderen Menschen), ein Rockkonzert besuchen, mit unserem Hund knuddeln oder uns öfter mit Freund:innen treffen. UND: Unsere Zeit an Handy, Laptop, Fernseher und Co. reduzieren.

6. Soziale Müdigkeit

Wir sind soziale Wesen und brauchen Nähe, Kontakte und Beziehungen zueinander. Doch die meisten Menschen benötigen auch Zeit für sich allein, die einen weniger, die anderen mehr. So kann soziale Müdigkeit entstehen, wenn wir für unsere persönlichen Voraussetzungen zu viel mit anderen Menschen zusammen sind, zu viele Beziehungen führen, uns zu sehr an anderen orientieren. Sie kann sich in unterschiedlicher Weise bemerkbar machen: Einsamkeitsgefühle, ein Empfinden von Unzufriedenheit oder Getriebenheit, Erschöpfung oder das Bedürfnis nach Alleinsein. Soziale Müdigkeit können wir auskurieren, indem wir unsere Beziehungen ordnen und priorisieren und unser Sozialleben so planen, dass es uns nicht überfordert.

7. Physische Müdigkeit

Klar, bei körperlicher Müdigkeit hilft in der Regel schlafen – doch manchmal braucht es noch mehr. Es besteht eine gewisse Tendenz in unserer Gesellschaft, unseren Körper als Hülle zu betrachten, die das Wichtige (zum Beispiel unsere Gefühle, Gedanken, Ziele und Leistungen) beherbergt und die wir zwar gesund halten müssen, aber mit den richtigen Mitteln formen und gestalten können, wie es uns gefällt. Doch das stimmt nicht. Unser Körper ist die Quelle all dessen, was für uns wichtig ist. Unser Körper ist nicht irgendein Teil von uns, sondern wir sind unser Körper beziehungsweise ist an allem, was wir tun und fühlen, unser Körper beteiligt. Wir brauchen Pausen, wir brauchen Fette, wir brauchen Sättigung, wir brauchen Berührung und wir können nicht jeden Tag an unserer Optimierung arbeiten und uns nach unserer Smart Watch richten und von ihr dazu antreiben lassen, unsere Aktivitätsziele zu erreichen. So erholen wir uns von physischer Müdigkeit oft nicht allein, indem wir schlafen, sondern indem wir auf all unsere körperlichen Signale achten und eingehen lernen. 

8. Zielstrebens-Müdigkeit

Was auch immer unsere Ziele sein mögen – die Depression besiegen, Karriere machen, ordentlicher werden, eine glückliche Beziehung führen –, sie pausenlos zu verfolgen, kann ermüdend sein. Stets dieselben Ziele vor Augen zu haben, ist eine eintönige Aussicht, und Eintönigkeit zermürbt auf Dauer. Gegen diese Art der Müdigkeit kann es helfen, uns Pausen auf unserem Weg zu gönnen, in denen wir uns umschauen und mit anderen Dingen beschäftigen, vielleicht in eine Seitenstraße einbiegen, auch wenn sie uns zurückwirft, oder einfach nur stehen oder liegen zu bleiben und hinzunehmen, dass wir nicht so gut oder schnell vorankommen, wie wir es gerne hätten. 

Verwendete Quelle: multiplesclerosisnewstoday.com

Source: Aktue