Psychologie: Studie verrät: Warum wir im Herbst konservativer sind als im Sommer

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Wir glauben, unser persönliches Wertesystem ist mehr oder weniger stabil. Nun haben Forschende in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass wir im Herbst konservativer werden. Wie kann das sein?

Dass wir im Herbst melancholisch werden, kennen viele von uns nur zu gut: Werden die Tage kürzer und kälter, gibt in unserem Leben der vielbesungene Herbst-Blues den Takt an. Denn sobald die Natur ihre Vorkehrungen für den Winterschlaf trifft, werden wir an die eigene Endlichkeit erinnert – und die schweren Jacken und Stiefel sorgen auch nicht unbedingt für Leichtigkeit.

Aber verändern sich im Herbst nicht nur Stimmung und Laune, sondern auch unsere Werte und Überzeugungen? Das zumindest behaupten die Autoren einer kanadischen Langzeitstudie, die zehn Jahre lang die Einstellungen und moralischen Werte von mehr als 230.000 US-Amerikaner:innen ausgewertet haben. Demnach verändert sich unser moralischer Kompass nicht nur im Laufe unseres Lebens, sondern auch im Laufe eines Jahres mehrfach. Mit potenziell weitreichenden Implikationen für unser Denken und Handeln.

Moralische Werte schwanken mit den Jahreszeiten

Die Daten, die ein Team aus Sozialpsycholog:innen an der University of British Columbia in Vancouver erhoben hat, zeigen, dass es einen saisonalen Zyklus bei der Befürwortung bestimmter konservativer Werte gibt: Loyalität gegenüber der eigenen Gruppe, Respekt für Autoritätspersonen und etablierte Regeln und die Wertschätzung von Sauberkeit und Traditionen. 

Diese Werte sind im Herbst und Frühling tendenziell ausgeprägter als im Sommer und Winter. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Einstellungen und Handlungen der Menschen – sie können Vorurteile, politische Einstellungen und sogar die Rechtsprechung beeinflussen, so die Forscher.

Woher kommen diese Schwankungen?

Erklärt wurde dieser saisonale Wertezyklus mit einem entsprechenden Zyklus im Angsterleben der Befragten: Im Herbst und Frühling steigt das allgemeine Angstniveau an, im Sommer und Winter nimmt es wieder ab. Die stärkere Angst könnte die Menschen dazu veranlassen, Halt in konservativen Normen zu suchen. Derartige saisonale Angstzyklen wurden auch schon in Kanada und Australien beobachtet. 

Die Forscher sind sicher: Obwohl die saisonalen Schwankungen unseres persönlichen Wertekanons nicht sehr stark sind, können sie möglicherweise sogar Wahlen und Rechtsprechung beeinflussen. Studienleiter Ian Hohm sagte im “National Public Radio”:

Wenn man an die Millionen von Gerichtsverfahren denkt, die jedes Jahr stattfinden, können diese Veränderungen potenziell dazu führen, dass einige Richter und Geschworene in sehr knappen Fällen härtere Urteile fällen.

Und auch wir könnten im Herbst nicht nur melancholischer, sondern beispielsweise auch intoleranter werden – was im Extremfall den Ausgang der  kommenden Wahlen beeinflussen könnte. 

Source: Aktue