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Psychologin klärt auf: Was bei einer Panikattacke wirklich hilft – laut Expertin

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Ursachenforschung, bestimmte Situationen meiden, sich selbst gut zureden: Das probieren Betroffene meist als Erstes, um ihre Panik in den Griff zu bekommen. Psychologin Klara Hanstein weiß aus persönlicher Erfahrung, wie wenig das bringt – und was wirklich hilft.

Warum? Diese Frage stellen wir ständig. Auch bei psychischen Problemen und Störungen drängt sie sich oft auf. Warum hast du diese dunklen Gedanken? Warum isst du nichts? Warum trinkst du überhaupt Alkohol? Warum hast du plötzlich Panik?

Dass Betroffene ihr persönliches Warum im Verlauf ihrer Therapie für sich klären, ist in der Regel wichtig und hilfreich. Doch um am Anfang einer Behandlung die akuten Beschwerden zu lindern und ihre Auswirkungen auf Leben, Körper, Alltag einzufangen, eignet sich die Frage selten. Nicht umsonst beginnen etwa Suchtbehandlungen meist mit einem Entzug, Essstörungstherapien mit einem Ernährungsplan und Gewichtskontrollen, und bei Depressionen prüfen Behandelnde, ob Antidepressiva ein erster Schritt sein können, der Betroffene in die Lage versetzt, ihren Weg der Heilung anzutreten. Für Menschen mit einer Panikstörung ist in der akuten Phase vor dem Warum vor allem eines wichtig, sagt die Psychologin und Panikpatientin Klara Hanstein: Lernen, wie sie im Fall einer Panikattacke reagieren.

Bei Panik gilt es zuerst, das Nervensystem zu beruhigen

“Als ich wegen meiner Panikstörung eine Therapie begonnen habe, ging es von Anfang an in erster Linie um Ursachen – meine Familiengeschichte, Kindheitserfahrungen, all die Dinge, die als Auslöser meiner Probleme in Frage kamen. Und ich saß da und hatte eine Panikattacke nach der anderen”, sagt Klara Hanstein. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrung lege sie als Therapeutin den Fokus grundsätzlich darauf, Betroffenen Methoden zu vermitteln, die ihnen ein Stück Sicherheit und Kontrolle zurückgeben, wenn Panik in ihnen aufsteigt – und das funktioniert in diesem Fall nicht mithilfe von Logik, Vernunft, Affirmationen oder Willenskraft, sondern über den Körper. “Bei einer Panikattacke steht unser Organismus unter extremer Anspannung und unser Fokus richtet sich aufs Überleben”, so die Psychologin, “unser erstes Anliegen muss in so einem Moment sein, unser Nervensystem zu beruhigen.”

Buchcover "Hey Panik"
© PR

Der beste Weg, dem Nervensystem zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist, sei, sich auf das Atmen zu konzentrieren und es gezielt zu steuern. “Meine einfachste Atemübung, die mich über Monate begleitet und mir sehr geholfen hat, war immer, ruhig durch die Nase einzuatmen und dann möglichst lange durch den Mund wieder aus”, sagt Klara Hanstein. Ausgehend von der ruhigen Atmung kann sich unser Organismus entspannen, aus dem Notfallmodus in den Standby umschalten: Der Puls hört auf zu rasen, die Muskeln lockern sich, etwaiges Schwitzen lässt nach. Und: Wir können wieder klarer denken, unsere Situation rationaler einordnen.

Alternativ oder ergänzend zu einer bewussten Atmung kann es laut der Psychologin sinnvoll sein zu üben, die Muskeln – insbesondere im Nacken- und Schulterbereich – zu entspannen. “Ich habe oft schon gemerkt, wenn ich etwa im Restaurant saß und spürte, ich bekomme gleich eine Panikattacke, wie sich meine Schultern und mein Nacken zusammenzogen”, sagt Klara Hanstein. “Und dann hat es mir geholfen, ganz bewusst die Schultern hängen zu lassen und den Nacken ein bisschen zu dehnen und zu lockern.”

Panik ist kein Grund für Angst

Generell sei in der Anfangsphase der Behandlung einer Panikstörung wichtig, dass Betroffene Ängste vor Attacken abbauen und den Mut und das Selbstvertrauen entwickeln, sie gegebenenfalls auszuhalten. “Jede Situation zu meiden, in der Panik auftreten könnte, beeinträchtigt in hohem und meist zunehmendem Maße die Lebensqualität”, so die Psychologin. Gegen eine Attacke ankämpfen zu wollen, erhöhe dagegen meist die Anspannung im Körper und führe deshalb selten zum Erfolg.

Sicherlich ist gerade zu Beginn nicht jede Situation geeignet, um der Panik zu begegnen und sie durch eine gezielte und geübte Kommunikation mit dem eigenen Nervensystem – atmen und entspannen – zu bewältigen. Im Alltagsstress, erschöpft oder wütend kann es klug sein, sich für die Flucht vor einer Attacke zu entscheiden, anstatt sich ihr zu stellen. Um jedoch voranzukommen, sich zu befreien und sich schließlich mit dem eigenen Warum und Wozu auseinanderzusetzen, bedürfen Betroffene in der Regel der – sich mit der Zeit wiederholenden – Erfahrung, dass ihre Angst und Panik ihnen nichts anhaben können, dass sie im äußersten Fall sogar auszuhalten sind. Schließlich sind Ängste und Panikattacken wie all die Signale, die uns unsere Seele sendet, Hinweise darauf, dass und wie wir unsere psychischen Vorgänge und unser Leben gesünder gestalten können. Wenn wir einmal unseren zugegebenermaßen oft versteckten und anstrengenden Weg gefunden haben, damit umzugehen, können wir davon profitieren.

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