Psychologin verrät: Gedanken aus dem Buddhismus, die dein Leben bereichern

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Wenn wir uns gefangen fühlen und nicht weiter kommen, kann es helfen, aus einer anderen kulturellen Perspektive auf unser Leben zu blicken – zum Beispiel aus einer buddhistischen. Diese Weisheiten können laut einer Psychologin unser psychisches Wohlbefinden fördern.

In unserer Kultur existieren gewisse Annahmen über Konzepte wie Zufriedenheit, Erfolg und Lebenssinn, die wir unbewusst – und meist unbeabsichtigt – übernehmen. Lebenssinn verbinden wir oft mit dem Wunsch, nützlich zu sein, eine Aufgabe zu erfüllen, die unserer Gesellschaft dient. Erfolg verknüpfen wir zunächst häufig mit Karriere, Reichtum und Macht. Erst nach einigem Nachdenken kommen wir auf eine breitere Definition, in der Bereiche wie Familie, Beziehungen und Selbstentfaltung Platz finden. Zufriedenheit und Glück sind in unserer Denkweise meist an bestimmte Umstände gebunden: Wir sind zufrieden, wenn wir fair behandelt werden. Eine harmonische Beziehung oder die Möglichkeit zu reisen machen uns glücklich. 

Das ist in Ordnung, solange wir gut damit leben. Fühlen wir uns mit unseren kulturell gewachsenen Lebensansätzen frei, selbstbestimmt und erfüllt, besteht kein Grund, nach Alternativen zu suchen – zumal sie größtenteils vage genug sind, um uns Handlungsspielraum zu bieten. Haben wir wiederum das Gefühl, dass wir festsitzen, dass uns etwas fehlt und dass wir mit der Art und Weise, wie wir auf die Welt blicken, nicht genug sehen, kann es sich lohnen, es mit Ansätzen anderer Kulturen zu probieren. 

Auf diesem Prinzip beruht die Arbeit der Kultur-Psychologin Marianna Pogosyan sowie der Psychoanalytikerin Pilar Jennings, die sich auf die Integration buddhistischer Weisheiten in Therapieweisen konzentriert. Folgende Impulse aus dem Buddhismus, schreibt Marianna Pogosyan in einem Beitrag für “Psychology Today”, können uns gegebenenfalls zu mehr Resilienz und Ausgeglichenheit verhelfen. 

Laut Psychologin: 4 buddhistische Weisheiten für mehr innere Harmonie

Schau erst nach innen, dann ins Außen

Im Buddhismus werde laut Marianna Pogosyan die Innenbeschau grundsätzlich ernst genommen und kultiviert – sie ist vergleichbar mit unserer Idee der Selbstreflexion. Während wir dazu neigen, Auslöser unserer Gefühle und Stimmungen im Außen zu suchen (“was ist mir geschehen?”), richten buddhistisch geprägte Menschen ihren Blick zunächst eher nach innen (“was geschieht in mir?”). Dahinter steckt die Auffassung, dass unsere emotionale Verfassung aus unserem Denken resultiert. Aus einem Konstrukt unserer Glaubenssätze, Urteile, Einordnungen, Eindrücke, Erwartungen und dergleichen. Gehen wir vom Ergebnis aus (“ich fühle mich wütend”), kann es leichter sein, zu erkennen, woher unsere Wut rührt, als wenn wir uns sofort auf einen einzelnen Auslöser konzentrieren (“der Mensch, der mir entgegengekommen ist, hat keinen Platz gemacht”). Und was noch wichtiger ist: Solch eine Innenbeschau wird uns mehr Ansatzpunkte erkennen lassen, auf die wir selbst Einfluss nehmen können.

Nimm deine Erfahrungen an, wie sie sind

Was auch immer wir in uns spüren – Konflikte, Wut, Angst, Orientierungslosigkeit, Freude, Euphorie, Stolz –, mit einer buddhistischen Geisteshaltung würden wir laut Marianna Pogosyan all unsere Erfahrungen und mentalen Reaktionen gleichermaßen willkommen heißen. Noch ehe wir eine Erklärung hätten, würden wir allem, was in uns vorgeht, eine Berechtigung unterstellen. Es erst einmal sein lassen, was es ist. Keine Versuche, etwas zu unterdrücken, abzustreiten, zu ignorieren. Davon ausgehend würden wir probieren zu erkennen, in welcher Weise welche Seiten und Vorgänge in uns berechtigt sind. Welche Bedürfnisse sie zum Ausdruck bringen, auf welche Missstände sie uns hinweisen können. Dieser Ansatz würde uns ermöglichen, mit unseren Gefühlen zu handeln, anstatt gegen sie anzuarbeiten. 

Besinne dich auf deine Stärken

Im Buddhismus bestehe die Überzeugung, dass jeder Mensch gute Eigenschaften habe, schreibt Pogosyan. Mitgefühl, Intelligenz und Fähigkeit zu lieben gehören dazu. Wir müssen nicht den buddhistischen Glauben übernehmen, um einsehen zu können, dass Menschen Stärken haben. Wir verfügen über Eigenschaften, die uns überlebensfähig machen und in die Lage versetzen, uns glücklich und frei zu fühlen: Sonst würden wir heute nicht mehr existieren. Das Leben war schon immer anspruchsvoll, ist stets fragil und furchteinflößend. Aber wir haben alles in uns, was wir für dieses Leben brauchen. Ob Kreativität, Empathie, Sensibilität, Reflexionsvermögen oder Leidenschaft: Unsere Stärken gelte es zu kultivieren, auf sie könnten wir uns besinnen, wenn wir die Orientierung verlieren. 

Sieh dich als Teil des Ganzen

Unser Erleben ist für uns in gewisser Weise alles. Denn wenn wir noch nicht oder nicht mehr leben, existiert für uns nichts. Das lässt uns Erfahrungen oft absolut erscheinen, also unabhängig und in sich geschlossen. Doch – und das sei laut Marianna Pogosyan im Buddhismus ein zentraler Gedanke – aus einer anderen Perspektive ist unser Leben wie ein einziger weiterer Satz in einer langen, vieldimensionalen Geschichte. Wir nehmen Bezug auf das, was vor uns geschehen ist, selbst wenn wir nichts darüber wissen. Was um uns herum geschieht, hat Auswirkungen auf unsere innere Landschaft. Was in uns vorgeht, wirkt nach außen – und in eine Zukunft hinein, die wir selbst nicht mehr erfahren werden. Diese Teilhabe macht unser Erleben keinesfalls geringfügiger, unwichtiger oder unbedeutender, ganz im Gegenteil. Sie macht es zu einem Beitrag zu etwas Großem. Zugleich kann sie uns entlasten, da die Konsequenz daraus ist, dass wir nicht allein verantwortlich sind. Beispielsweise kommt es dem Ganzen zugute, wenn wir Hilfe in Anspruch nehmen, sofern wir welche benötigen. Wir können mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln den besten Satz an die Stelle zu schreiben, an der wir einen Stift in die Hand gedrückt bekommen. Nicht mehr und nicht weniger. Und dann dürfen wir darauf vertrauen, dass unser Beitrag die Personen um uns herum und die, die nach uns kommen, dazu inspiriert, es uns in ihrer Handschrift gleich zu tun.

Source: Aktue