Inmitten einer Häufung an politischen und menschlichen Abgründen stellt sich der 72-Jährige stabil gegen die AfD und gendert. Das tut so gut: Nicht alle “alten weißen Männer” sind bockig und verbohrt.
Lieber Roland Kaiser,
wenn ich nicht längst einen Narren an Ihnen gefressen hätte, würde ich es spätestens jetzt tun. In der “SZ” haben Sie sich gerade klar gegen die AfD positioniert und erklärt, warum Sie gerne gendern: „Es gibt eben nicht nur Mann und Frau. Menschen sind offensichtlich vielschichtiger und haben entsprechend vielschichtige Gefühle und Bedürfnisse – und die müssen wir zulassen. Auch sprachlich.”
Roland versus Trump und Co.
Dass das gerade jetzt (einmal mehr!) von Ihnen kommt, ist ein wahrer Segen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie erleichternd und schön es ist, diese Worte aus dem Mund eines so beliebten und einflussreichen Mannes Ihrer Generation zu hören, inmitten politischer und menschlicher Abgründe an allen Fronten. Zwischen wenig aufschlussreichen TV-Duellen, die feministische Politik völlig ausklammern, der Wahl eines US-Präsidenten, der gerade ein Dekret zum Ausschluss von trans Menschen im Frauensport unterzeichnet hat und nur noch zwei Geschlechter anerkennt und einem Kanzlerkandidaten Merz, der das auch noch „verständlich” findet, brauchen wir Männer wie Sie, die zeigen: Wir sind nicht alle so.
Ehrenrettung des coolen, weisen Mannes
“Ich kann und will nicht mehr sprechen wie früher”, sagen Sie gegenüber “SZ”, ganz cool und unaufgeregt. Sie würden nur mit Doppelnennung gendern, also stets von “Künstlerinnen und Künstlern“ sprechen und Ihre Fans in Postings als “Freundinnen und Freunde“ adressieren. Dabei betonten Sie aber auch respektvollen Umgang mit Menschen, die das nicht tun, oder anders als er mit Glottisschlag, also dem gesprochenen „Gendersternchen“, reden. Achtung und Respekt voreinander seien das Wichtigste.
Und Ihre Botschaft dürfte ankommen: Allein bei Spotify haben Sie 1,2 Millionen Hörer:innen und die Konzerte für Ihre kommende Tour waren innerhalb von zwanzig (!) Minuten ausverkauft. Die Leute lieben Sie. Und diese Leute, die Sie erreichen, sind bunt gemischt, kommen aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten.
Ich habe es selbst erlebt, als ich Sie 2021 beim ersten großen Konzert nach der Pandemie in der Barclays Arena in Hamburg live erleben durfte. Die Leute sind komplett ausgeflippt, es war ekstatisch! Nun nutzen Sie einmal mehr Ihre Stimme: Gerade erschien Ihre Demokratie-Hymne “Achtung und Respekt”. Die “taz” schrieb, dass Ihre Veranstaltungen beinahe “Anti-AfD-Events” gleichen.
“Jeder Jeck ist anders”
In der “SZ” gehen Sie genau da rein, wo es vielen weh tut: „Warum sollte es mich eigentlich stören, wenn sich jemand als dieses oder jenes identifiziert? Ist mir doch egal. Jeder Jeck ist anders. Ende des Berichts.“ Damit entkräften Sie jedwede Diskussion über das Gendern oder Identitätspolitik und geben die einzig richtige Handlungsanweisung: Akzeptanz. Sich als Vertreter Ihrer Generation öffentlich so klar zu äußern, schien Ihnen ein Bedürfnis zu sein. „Ich hatte das Gefühl, dass man das Bild, das eine laute Minderheit geprägt hat, korrigieren muss”, sagen Sie. „Zugunsten der schweigenden Mehrheit.“
Eine längst überfällige Ehrenrettung aller coolen weisen Männer sozusagen, die nichts mit dem Klischee des oft sexistischen, rassistischen alten weißen Mannes zu tun haben. Männer wie Roland Kaiser zeigen: Wir sind nicht alle so.Auch wir können dazulernen.
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