Wie bitte?: Situationen, in denen vermeintliche Höflichkeit respektlos ist

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Nett gemeint? Das ist nicht immer ausreichend. Wir zeigen einige Situationen, in denen vermeintlich höfliche Aussagen ziemlich garstig sind.

“Höflichkeit ist eine Zier” – oder doch eine Tugend? So oder so ist sie oftmals nett gemeint, gesellschaftlich erwünscht und in manchen Kreisen schon fast erwartet. Also kann Höflichkeit an sich erst einmal nichts Schlimmes sein, oder?

Ja und nein. Die höflichste Floskel kann – egal wie nett gemeint sie gewesen sein mag – im falschen Moment sehr unfreundlich beim Gegenüber ankommen. Kommunikation ist eben so eine Sache, oftmals alles andere als einfach und soziale Interaktionen können ein reines Minenfeld sein, wenn man nicht achtgibt.

Wir haben einige Situationen gesammelt, in denen vermeintliche Höflichkeit leider ziemlich respektlos und garstig sein kann.

“Du siehst toll aus, hast du etwa abgenommen?”

Schönheit liegt leider nicht nur im Auge des Betrachters. Über die Jahrhunderte haben sich die gesellschaftlichen Vorstellungen davon, was “schön” meint, immer wieder verändert – aktuell gilt der Mensch als “normschön”, der schlank und sportlich ist. Ergo werden jene Menschen, die diesem Ideal nicht entsprechen, bewusst oder unbewusst herabgewertet. So werden mehrgewichtige Menschen oftmals Opfer von Gewichtsstigmata, die ein Artikel von BioMed Central als die “soziale Ablehnung und Abwertung” definiert, die Menschen widerfährt, die “nicht den gängigen sozialen Normen bezüglich eines angemessenen Körpergewichts und einer angemessenen Körperform entsprechen”.  

Diese Form von Diskriminierung zeigt sich auch in – vermeintlich – nett gemeinten Komplimenten gegenüber Menschen, die (viel) Gewicht verloren haben. Sätze wie “Du siehst viel besser aus!” oder “Du hast ja eine Menge abgenommen, toll!” suggerieren vor allem: Vorher sahst du nicht gut aus und es war gut und wichtig, dass du abgenommen hast. Die Frage, die man sich stellen sollte, ist: Hätte man das Aussehen der Person vor ihrer Gewichtsabnahme kommentiert und falls ja, wie? Besser ist es, das Aussehen einer Person erst gar nicht zu zum Thema zu machen, weder in die eine noch in die andere Richtung.

“Du findest jemanden”

Hach, die armen Singles.Was für ein trauriges, einsames Leben müssen sie führen. Jede Nacht schlafen sie allein ein, jeden Morgen wachen sie allein auf. Wie kann man ihnen nur helfen? Vielleicht, indem man ihnen versichert, dass ihre Einsamkeit, ihre elende Existenz, ein Ende haben wird. Denn ja, auch sie werden einen Menschen finden, der sie liebt – denn offensichtlich sitzt gerade niemand vor ihnen, der das tut. Warum sonst sollte man so etwas Taktloses von sich geben?

Es ist verständlich, dass wir unseren Freund:innen Mut geben wollen, gerade dann, wenn sie selbst klar sagen, dass sie sich jemanden an ihrer Seite wünschen würden. Doch zum einen ist die Vorstellung, dass jeder Mensch nur in einer Beziehung glücklich sein kann, letztlich nur eine von vielen Normen unserer Gesellschaft (“Amatonormativität“), die auf das Individuum nicht zutreffen müssen. Zum anderen sollte es vielmehr unsere Aufgabe als Freund:innen sein, unsere Liebsten in ihrem individuellen Sein zu unterstützen: “Du bist wundervoll und komplett und ich liebe dich für den Menschen, der du bist” – das ist doch letztlich, was jede:r von uns immer wieder hören sollte. Und nicht: “Der:die Richtige wird schon irgendwann auftauchen und dann wird alles gut.”

“Du bist ganz schön klug, dafür, dass …”

Ein scheinbares Kompliment, dass ganz schön beleidigend sein kann. “Für eine Frau parkst du sehr gut ein” – die wenigsten würden so eine Aussage als Kompliment annehmen, genauso wenig wie: “Du bist ganz schön talentiert für dein Alter.” Letztlich deutet so ein “Kompliment” vor allem an, dass man überrascht über den Erfolg der Person ist. Sie hat eine gute Leistung gebracht, obwohl sie beispielsweise eine Frau ist. Obwohl sie jung ist. Doch das betont letztlich nicht den Erfolg, sondern die – vermeintlichen – Widerstände.

“Du parkst sehr gut ein”, “Du bist sehr talentiert” – wer das Kompliment auf den eigentlichen Kern der Aussage reduziert, vermeidet Fettnäpfchen und behält selbst die Perspektive auf das Wesentliche. Und nicht auf Vorurteile und Herablassung in Bezug auf Alter oder Geschlecht.

Verwendete Quellen: bmcmedicine.biomedcentral.com, journals.sagepub.com, psych2go.net, queer-lexikon.net

Source: Aktue