Keine Trauer: Das sagt es wirklich über dich aus, wenn du (öffentlich) weinst

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Kommunikation läuft nicht nur über die Sprache. Auch Weinen kann eine Art sein zu kommunizieren. Und die Tränen sagen dabei viel mehr aus als: “Ich trauere”.

Insbesondere in den sozialen Medien ist es ein großes Thema geworden. Immer mehr Menschen zeigen sich öffentlich, während sie weinen. Auf Fotos und in Videos. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Doch warum werden diese emotionalen Momente geteilt?

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“Ich bin ein Mensch”

Während Gefühle früher eher Privatsache waren, sind sie heute mehr denn je zur Kommunikationsart geworden. Zur Ausdrucksform. Und zwar mit einer klaren Botschaft, sagt der Soziologe Thorsten Benkel gegenüber “Welt”: “Wenn Menschen sich beim Weinen filmen, dann hat das eine Funktion. Die Funktion wird nicht sein, in der Gesellschaft mehr Offenheit für Gefühle zu erreichen. Sondern die Funktion ist, zu zeigen: Ich bin ein Mensch, der extreme Gefühlszustände erleiden kann.”

Alle Gefühle werden dem Soziologen zufolge dennoch nicht geteilt. Der Fokus liege nämlich auch heute noch nur auf “legitimen” Gefühlen wie Freude oder Trauer und nicht auf negativ angesehenen wie Neid oder Missgunst. Zumindest bisher.

Psychologe geht von Hilferufen aus

Auch der niederländische Psychologe Ad Vingerhoets beschäftigt sich mit dem öffentlichen Weinen. Er hat die menschlichen Tränen bereits vor Jahrzehnten zu seinem Forschungsgebiet erklärt. Eine seiner zentralen Erkenntnisse: Weinen sagt nicht Trauer aus. “Der wahre Grund für Weinen ist Hilflosigkeit, nicht Traurigkeit”, so Ad Vingerhoets. “Es ist ein starkes Signal an andere: Ich brauche Hilfe.” Und die scheinen Menschen, die in der Öffentlichkeit Tränen vergießen, wohl nicht mehr nur in ihrem engen Umfeld zu suchen, sondern nun in der breiten Masse. 

Das sagt es wirklich über dich aus, wenn du (öffentlich) weinst 

Weinst du, steckt dahinter also ein klares Bedürfnis: Du möchtest bitte Hilfe. Und die kann es dann in unterschiedlicher Form geben: im reinen Zuhören, im Solidarisieren, oder im konkreten Suchen nach Lösungen. Teilst du deine Tränen öffentlich, wird dein Hilferuf größer – wahrscheinlich entweder, weil dein Umfeld gar nicht sieht, wie es dir gerade geht, oder weil sie dir nicht genug Hilfe bieten können. 

Und auch wenn der Soziologe Thorsten Benkel sagt, die Funktion hinter öffentlichem Weinen sei nicht, in der Gesellschaft mehr Offenheit für Gefühle zu erreichen: Wahrscheinlich tun wir es automatisch trotzdem. Wir zeigen, dass es normal ist, starke Emotionen zu haben. Alle kennen und haben das. Und wer sich bislang damit eher allein gefühlt hat und sich nicht traut, öffentlich – und sei öffentlich im kleinen Bekanntenkreis – nach Hilfe zu fragen, die oder der wird es durch die aktuelle Entwicklung vielleicht bald doch schaffen. Und das wäre doch schön: Denn zusammen sind wir immer stärker. 

Source: Aktue