Schlaganfall mit 32: "Ich habe mich auf jeden Fall neu kennengelernt"

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Tamara Schenk war als Unternehmerin und Influencerin immer auf Achse. Bis zu dem Tag vor zwei Jahren, als sie in einem Restaurant in Südafrika zusammenbrach.

Tamara Schenk
Tamara Schenk ist Gründerin von von “KOA.Berlin”, des ersten Career Festivals für Frauen. Ihren Insta-Kanal (@tamaraschenk1) nutzt sie inzwischen auch, um über Schlaganfälle aufzuklären. Das hatte sie sich schon vorgenommen, als sie noch in der Klinik lag.

Als ich aus dem Koma erwachte und man mir sagte, ich hätte einen Schlaganfall gehabt, konnte ich es erst gar nicht fassen. Ich hatte nicht mal eine genaue Ahnung, was das überhaupt ist. Meine Großmutter hatte einen Schlaganfall, aber ich war doch erst 32! Trotzdem habe ich mir nie die Frage gestellt “Warum ich?”. Niemand, der im Lotto gewinnt, würde sich diese Frage stellen, sondern direkt Pläne mit dem Gewinn machen. So habe ich es auch gemacht. Natürlich war ich manchmal traurig und müde, aber ich habe mich nie bemitleidet. Der Schlaganfall ist jetzt meins, er gehört mir und ich habe mich darauf konzentriert, was ich tun muss, damit es mir besser geht.

Ich hatte sehr viel Glück. Ich hatte einen sogenannten hämorrhagischen Schlaganfall, bei dem ein Gefäß reißt. Als mir im Restaurant die Gabel aus der Hand fiel und ich mein Gleichgewicht verlor, haben mein Mann und meine Freunde sofort gehandelt und mich direkt ins Krankenhaus gebracht – das war meine Rettung. Nach vier Tagen Intensivstation und Koma wurde ich auf die normale Station verlegt, wo ich aber ein Rezidiv bekam. Ich musste wiederum ins Koma, weil mein Gehirn so stark angeschwollen war. Meine linke Seite fühlte sich an wie aus Holz, wie eine Prothese. Als hätte man mich aus zwei unterschiedlichen Hälften neu zusammengesetzt. Ich konnte nicht sprechen, nicht laufen, habe mich ständig verschluckt.

Bis heute bin ich nicht 100 Prozent Herr meiner Sinne. Obwohl ich täglich trainiere und da sehr streng bin, fällt mir zum Beispiel das Treppensteigen noch schwer, auch an den Armen sind meine Muskeln verkürzt und die Speicherkapazität meines Gehirns ist leider noch nicht gut genug. Manchmal verliere ich mitten im Gespräch den Faden. Aber ich will mich deswegen nicht schlecht fühlen. “Hey Leute, ich werde Dinge, vergessen, die ihr mir sagt”, sage ich meinen Freunden immer.

Tamara Schenk: Ab jetzt wird das Leben gefeiert

Durch den Schlaganfall habe ich einen viel engeren Bund zu meiner Familie und zu meinen eigenen Werten gefunden. Vor allem meiner Mutter bin ich dankbar. Sie war immer bei mir, hat mich gewaschen und gefüttert, meine Hand gehalten, wenn ich Angst hatte, und mir teilweise auch verschwiegen, wie es wirklich um mich steht. Das hat mir viel Kraft gegeben. Ich hatte nie das Gefühl, dass gerade etwas Schlimmes mit mir passiert.

Hinterher hat sie mir gesagt, sie hatte Angst, dass ich es nicht schaffe, wieder die Alte zu werden, sondern dass ich irgendwann aufgebe. Meine Stärke hat sie überrascht. Ob sie schon immer in mir gesteckt hat, kann ich nicht genau sagen. Eine Person, die stets versucht, aus jeder Situation das Beste zu machen, war ich sicher schon immer.

Ich habe mich auf jeden Fall neu kennengelernt. Weiter, schneller, höher – das gibt es für mich nicht mehr. Früher war das Wichtigste meine Firma. Ich bin überall hingegangen, wenn es hieß, da ist eine Person, die wichtig für dein Business ist. Immerzu dieses “Du musst dies, du musst das”. Viele Termine, immer funktionieren. Heute bleibe ich im Zweifel lieber zu Hause. Denn ich muss gar nichts, außer glücklich sein nach Möglichkeit. Ich ruhe extrem in mir selbst und höre auf mein Inneres. Ich bin freundlicher zu mir und mag mich, wie ich bin – auch wenn es mir mal schlechter geht. Zusätzlich spüre ich eine große, übergreifende Liebe zu den Menschen in meinem Umfeld; die Beziehungen zu meinen Freunden und die zu meinem Mann sind besser und tiefer geworden.

Auch deswegen habe ich beschlossen, den Jahrestag meines Schlaganfalls von jetzt an zu feiern. Ich möchte meine Freunde einladen und mit ihnen gemeinsam das Leben feiern. Das tun wir doch alle viel zu selten. Es klingt absurd, aber ich bin nicht unglücklich über das, was passiert ist.

Heftbox Brigitte Standard

Source: Aktue