Selbstoptimierung: Das passiert, wenn du aufhörst, dich zu optimieren

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Selbstoptimierung ist für viele Menschen ein Thema. Sie kann uns in positiver Weise voranbringen, aber unter Umständen auch schaden. Wie unser Leben aussähe, wenn wir gar nicht versuchten, uns zu optimieren. 

Wenn ich den Begriff “Selbstoptimierung” höre, dauert es meist nicht lange, bis mir das Wort “Wahn” in den Sinn kommt. Ich denke an Leistungsdruck, Schönheitsideale, unerreichbare Ziele und verlorene Lebensqualität. Dann fällt mir dieser Satz ein: “Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist.” –  “Die Ärzte” in ihrem “Lied vom Scheitern”. Und ich denke: Da ist etwas dran. Bei mir läuft es jedenfalls meistens besser, wenn ich entspannt an eine Sache herangehe. Bin ich verbissen, geht es – gefühlt – garantiert schief. Vielleicht gilt das, was “Die Ärzte” hier in Bezug auf Wagnisse und Tun besingen, in gleicher Weise für mich als die Person, die ich bin. 

Deshalb frage ich mich: Sind wir womöglich unser bestes Selbst, wenn es uns egal ist? Sollten wir am besten aufhören zu versuchen uns zu optimieren? Das wären in meinem Gedankenspiel einige der Konsequenzen.

4 Dinge, die passieren, wenn du aufhörst dich zu optimieren

Du wirst entspannter

Wenn es uns egal ist, wie wir aussehen, wie gut wir als Mutter, Beamtin oder Zuhörerin fungieren, wie gesund wir uns ernähren, dann wird unser Leben sicherlich um einiges entspannter. Wir tun, was wir können, und wenn mehr nicht geht oder irgendeine Lust oder Laune dazwischenkommt, muss es eben genug sein. Einfach genug sein – eine schöne Vorstellung. 

Du gewöhnst dich an deine Schwachpunkte

Ob unser Hang, immer noch ein zweites Glas Wein zu wollen, unsere Neigung zu Wutausbrüchen oder unsere Unlust, Dinge abzuschließen, wenn sie länger dauern und anstrengender sind, als erwartet – wenn wir beschließen, so zu bleiben, wie wir sind, werden wir uns mit der Zeit bestimmt an die Seiten von uns gewöhnen, die uns andernfalls stören würden. Zumindest sollten wir das, wenn wir nichts dagegen unternehmen möchten: Von alleine werden sie schließlich kaum verschwinden.

Du machst immer wieder die gleichen Fehler

Aus manchen Fehlern lernen wir intuitiv und ohne unser Zutun: Auf die heiße Herdplatte fassen zum Beispiel. Bei anderen müssen wir uns bewusst dazu entscheiden. Wir müssen sie als Fehler erkennen, müssen uns fragen, warum sie geschehen sind, wie wir uns lieber verhalten hätten und was wir tun können, um es künftig in ähnlichen Situationen anders zu machen. Auf Fehler im Beziehungsverhalten trifft das oft zu oder generell auf Fehler, die aus destruktiven Verhaltensmustern resultieren. Wollten wir uns überhaupt nicht optimieren, würden wir uns die Mühe sparen, die wir aufwenden müssten, um aus diesen Fehlern zu lernen. Was wiederum hieße: Wir würden sie wieder und wieder begehen. 

Du verlierst die Vorstellung davon, wer du sein möchtest

Wenn wir ganz und gar auf Selbstoptimierung verzichten möchten, macht es keinen Sinn, eine Idee davon zu haben, was für ein Mensch wir sein wollen – schließlich werden wir nichts tun, um diese Person zu werden. So werden wir mit der Zeit unsere Ziele in Bezug auf unsere Selbstentwicklung loslassen, das Bild von unserem Wunsch-Ich aufgeben. 

Selbstoptimierung ist problematisch – doch das Bedürfnis danach ist menschlich

Den Begriff “Optimierung” auf den Menschen anzuwenden, ist hochproblematisch, da dies die Frage aufwirft: Wann ist ein Mensch optimal? Was ist ein optimaler Mensch? Wissenschaft und Forschung bringen uns schließlich immer wieder neue Mittel und Technologien, den Maßstab höher zu setzen: Fettabsaugungen, Kommunikationskurse, Zeitmanagement-Apps, Bio-Hacking. Das Optimum zu erreichen, wird dadurch schwerer, utopischer, aussichtsloser – und es überhaupt zu versuchen, erscheint letztlich wie eine Verschwendung von Zeit und Energie. Es kann nur in einen Wahn führen.

Auf der anderen Seite haben wir nun einmal ein Bedürfnis nach Selbstoptimierung und das hat eine Berechtigung und ist Ursprung vieler positiver Dynamiken in unserem Leben: Es bringt uns dazu, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen. Uns zu fragen, wer wir sein wollen und können, welche Entwicklung wir uns für uns wünschen und anstreben. Sich verbessern, so gut wie möglich sein zu wollen – dieser Wunsch treibt uns überhaupt dazu an zu lernen, destruktive Verhaltensweisen abzubauen, Konflikte möglichst fair und friedlich zu lösen.

Die Herausforderung bei diesem Drang, uns selbst zu optimieren, besteht darin, uns dabei nicht zu verlieren. Darauf zu achten, dass wir es sind, die entscheiden, welches Selbst wir eigentlich anstreben. Unsere Gründe zu kennen, aus denen wir bestimmte Seiten von uns verändern möchten. Letztendlich hat Selbstoptimierung Sinn, solange sie uns zufriedener macht und uns dabei hilft, unser bestmögliches Leben zu führen. Dazu bedarf es Disziplin, Zielstrebigkeit und Mühe. Aber genauso Entspannung, Frieden, Ankommen und Akzeptanz unseres realen, nicht-optimierten Selbst.

Source: Aktue