Doc Fleck: Hypertonie: Tipps gegen Bluthochdruck

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120 zu 80, ungefähr da wollen alle hin. Aber bei vielen rauscht der Blutdruck irgendwann nach oben, oft ohne dass sie es merken. Auf Dauer kann das lebensgefährlich sein. Dr. Anne Fleck, Expertin für Präventivmedizin, weiß, wie man gegensteuert.

Ich bin dünn, also bin ich safe?

Leider nicht, auch Schlanke sind betroffen. Die Gründe: zu wenig Bewegung, Alkohol, zu viel Kochsalz, Magnesiummangel, Stress. “Es gibt aber auch sekundäre Faktoren, etwa eine Verkalkung der Nierenarterie, eine Überfunktion der Schilddrüse, rheumatische Erkrankungen wie Lupus oder Gefäßentzündungen”, sagt Anne Fleck. Neben Rauschmitteln wie Cannabis können auch Medikamente Blutdrucktreiber sein. “Wenn man Kortison oder nichtsteroidale Antirheumatika sehr regelmäßig einnimmt – Mittel wie Ibuprofen oder Diclofenac –, kann das ebenfalls den Blutdruck steigen lassen.” Oft steckt hinter den gestiegenen Werten ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, was es schwierig macht, die Ursache zu erkunden.

Was lässt den Druck so durch die Decke gehen?

Für Dr. Anne Fleck ist “Übergewicht ein Riesenfaktor. Aber das Schöne ist: Durch eine gezielte Gewichtsabnahme kann man das beeinflussen. Schon mit zehn Kilo weniger lässt sich der Blutdruck signifikant reduzieren.”

Die Hälfte aller Schlaganfälle und Herzinfarkte wären vermeidbar, wenn rechtzeitig etwas gegen zu hohen Blutdruck getan würde, sagt Anne Fleck.

Denn die Veränderung schleicht sich meist ohne Vorwarnung ins Leben und belastet die Gefäße, oft jahrelang unerkannt. Rund ein Drittel aller Deutschen leidet darunter, immer häufiger auch jüngere Menschen und sogar Jugendliche.

Bei welchen Symptomen sollte ich aufhorchen?

“Ein typisches Zeichen für zu hohen Blutdruck ist, dass man sich einfach ein bisschen ,neben sich‘ fühlt”, so Anne Fleck. Klassisch sind auch morgendliche Kopfschmerzen – besonders Kopfschmerzen im Nacken, die deutlich besser werden, wenn man sich aufrichtet. Weitere Symptome können Schwindel, leichte Übelkeit, Ohrensausen, Tinnitus, Müdigkeit, Schlaflosigkeit oder heftiges und häufiges Nasenbluten sein. “Schweres Nasenbluten ist ein Klassiker in der Notaufnahme bei einer Bluthochdruck-Krise”, erklärt die Medizinerin. “Ebenso Sehstörungen oder eine Angina Pectoris, also eine Brustkorbenge.”

Wo liegen die Grenzwerte bei einer Hypertonie (erhöhtem Blutdruck)?

“Das muss man individuell sehen”, sagt die Fachärztin für Innere Medizin. “Jeder von uns hat mal einen hohen Blutdruck, wenn man sich körperlich oder geistig auspowert. Problematisch wird es erst, wenn er dauerhaft in den überhöhten Referenzwerten ist.” Auch wenn jeder Mensch anders ist: 140 zu 90 sind bereits zu hoch.

Und nun – auf ewig Pillen schlucken?

Nicht wenn man Doc Fleck fragt. “Am Anfang sind Tabletten nicht selten notwendig”, sagt sie. Aber man könne sie in vielen Fällen durch individuelle Lebensstiländerungen oft komplett reduzieren – nur leider werden heute Patienten darüber zu selten ausführlich und qualitativ gut beraten. “Aus meiner Praxis geht keiner ohne konkrete Empfehlungen, nur mit einer Blutdrucktablette raus. Denn auch bei normalgewichtigen Patienten empfiehlt es sich, die Ernährung passend umzustellen.

Konkret: mehr Gemüse, Kräuter, zuckerarmes Obst, fettigen Fisch und/oder hochwertige Omega-3-Fette aus Algenöl. Dafür maßvoll Kohlenhydrate, wenig Alkohol und besser kein Nikotin. Im Vollblut kann man wunderbar messen, ob etwa Magnesium und Kalium ausreichend sind. Bei Magnesiummangel sollte man wie bei allen Nahrungsergänzungen Reinsubstanzen substituieren, dann kriegt man den Blutdruck oft schon gebessert. Und ganz wichtig natürlich: Bewegung! Das ist alles kein Hexenzauber, sondern im Rahmen der innovativen Präventivmedizin möglich, und dazu möchte ich Menschen ermutigen.”

Ich nehme neuerdings Blutdrucksenker, aber ganz ehrlich: Es tut sich wenig … 

Nicht kirre machen lassen! Geduld ist leider dringend erforderlich, wenn es um eine so lebenswichtige Körperfunktion geht. “Eine Blutdruckmittel-Einstellung bedarf in der Regel mehrerer Wochen, bis sich herausjustiert hat, welches Medikament und welche Dosierung individuell passen”, sagt Anne Fleck. “Dazu brauchen die Medikamente Zeit, bis sie sich ins Gefüge des Körpers eingepasst haben – da kann es am Anfang starke Schwankungen geben. Wichtig ist nur, dass das engmaschig kontrolliert wird.”

Bluthochdruck: Das sind die offiziellen Empfehlungen

Natürlich rät auch die aktuelle Leitlinie “Management der arteriellen Hypertonie” zu mehr Sport, weniger Salz und Alkohol, zum Abnehmen, bis der Bauch weg ist, und dazu, nicht zu rauchen. Denn für diese Lebensstilveränderungen ist ein blutdrucksenkender Effekt belegt. Aber längst nicht immer reicht der, und die Werte bleiben bei 140 zu 90 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) – also dort, wo Hypertonie beginnt – oder darüber. Alle, bei denen sich bereits etwa die feinen Gefäße der Nieren oder der Augen durch den hohen Blutdruck verändert haben, sollen ohnehin gleich Medikamente nehmen, genau wie diejenigen, die zum Beispiel wegen Diabetes besonders für Herz-Kreislauf-Schäden gefährdet sind. 

Aber welche Medikamente, und wie hoch dosiert? 
Dazu brachte die aktuelle Leitlinie (erschienen 2018) zwei deutliche Veränderungen zu ihrem Vorgänger, die sich leider immer noch nicht überall herumgesprochen haben: Zum einen ist der Blutdruckwert, zu dem die Tabletten führen sollen, deutlich gesenkt worden. Der Zielwert liegt jetzt für den oberen (systolischen) Wert bei 120 bis 130 mmHg, für den unteren (diastolischen) bei 70 bis 80 mmHg. Ausschlaggebend für die Korrektur war die sogenannte SPRINT-Studie von 2015. Sie verglich die damalige Standard-Bluthochdruckbehandlung (Zielwert: 135 mmHG) mit einer, die 120 mmHg anstrebte. Dabei zeigten die Patient:innen mit dem niedrigeren Zielwert ein so deutlich reduziertes Risiko (um 43 Prozent!), an einem kardiovaskulären Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben, dass die Studie vorzeitig eingestellt wurde. Es lohnt sich also wirklich, den Blutdruck im Griff zu haben! 

Hinzu kam die Erkenntnis, dass man auch nicht zu tief gehen darf: Die Risiken steigen wieder an, wenn der Blutdruck durch Medikamente unter 120 bzw. 70 mmHg sinkt. Darum werden die Zielwerte für Systole und Diastole heute als Fenster angegeben, nicht mehr jeweils als Maximalwert.

Die zweite große Veränderung ist die Empfehlung, von vornherein mit mehr als einem Arzneistoff zu behandeln, und zwar mit einer Kombination aus einem ACE-Hemmer (das sind die Wirkstoffe, die auf -pril enden) oder ACE-Rezeptor-Blocker (sie enden auf -sartan) in Kombination mit einem Kalziumkanalblocker (wie Verapamil oder Diltiazem) ODER einem Entwässerungsmittel bzw. Diuretikum (etwa Chlortalidon oder Indapamid) – je nachdem, was für sonstige Erkrankungen der oder die Patientin hat. Diese Kombis sollen verpresst in nur einer Tablette gegeben werden. Denn Patient:innen nehmen eine Tablette zuverlässiger als mehrere.

Sind die Werte nach drei Monaten und mit höheren Dosierungen immer noch nicht zufriedenstellend, kommt eine dritte Substanz dazu, also der ACE-Hemmer bzw. ACE-Rezeptorantagonist von oben, und dazu Kalziumkanalblocker UND Diuretikum. Wenn sich der Blutdruck auch mit einer solchen Drei-Wirkstoff-Tablette nicht kontrollieren lässt, spricht man von einer therapieresistenten Hypertonie. Dann kommt für gewöhnlich noch Spironolacton hinzu, ein sogenannter Aldosteron-Antagonist, und ebenfalls ein Entwässerungsmittel. Die Praxis hinkt den Empfehlungen hinterher. Denn die bequemen Kombi-Mittel sind oft deutlich teurer als die Einzelsubstanzen.

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